Jede Woche Unsicherheit und immer wieder neue Hiobsbotschaften. Die Coronapandemie war und ist für alle Unternehmen eine große Herausforderung, aber auch eine Chance, sich weiterzuentwickeln. Viktoria Schütz, Geschäftsführerin des Maschinenbauunternehmens Deguma-Schütz, berichtet im Gespräch mit dem ExportManager, wie sie ihre Firma zusammen mit ihrem Team durch die Krise gesteuert hat. Das Gespräch führte Jens Kemle.
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Frau Schütz, für die meisten Deutschen ist die Coronapandemie trotz wieder ansteigender Infektionszahlen gefühlt schon überstanden. Gilt dasselbe auch für Ihr Unternehmen?
Ja, das kann man schon so sagen. Natürlich wissen wir nicht, was noch alles kommt und wie sich eine zweite Welle auswirken würde. Am Anfang gab es in der gesamten Wirtschaft eine große Unsicherheit, und alle waren in einer gewissen Schockstarre. Das ist nun vorbei. Selbst wenn eine zweite Welle kommen würde, wären nun alle besser vorbereitet.
Wann war Ihnen klar, dass diese Krise anders ist als alle anderen zuvor?
Anfang des Jahres machen wir immer eine Post-Mailing-Aktion, das ist unsere Hauptwerbemaßnahme. Wir schicken eine Aufstellung an unsere Kunden, welche Maschinen wir auf Lager haben, und berichten über ein Fachthema. Normalerweise steht nach dieser Aktion das Telefon nicht mehr still. In diesem Jahr war es eher so, als hätten wir nichts rausgeschickt. Das war schon gruselig.
Wie hart hat die Krise Ihr Unternehmen getroffen?
Wir hatten noch Glück im Unglück, aber natürlich mussten auch wir Federn lassen. Zwar mussten wir keine direkte Stornierung von Aufträgen verzeichnen, aber viele Unternehmen haben Investitionen verschoben. Das beläuft sich bei uns auf einen Wert im mittleren sechsstelligen Bereich bei einem Jahresumsatz von insgesamt gut 4 Mio EUR (2019). Im ersten Halbjahr ist unser Umsatz deutlich eingebrochen.
Wie sah es bei Ihren Kunden aus?
Das ist ganz unterschiedlich, viele Unternehmen mussten tatsächlich Kurzarbeit anmelden. Aber manche Firmen haben erstmal ihre Lager voll gemacht, weil sie Angst vor zukünftigen Lieferengpässen hatten. Deshalb waren nicht alle unsere Kunden gleichermaßen betroffen. Es ist durchaus möglich, dass diese Firmen die Krise erst verzögert zu spüren bekommen.
Mussten Sie Kurzarbeit einführen?
Wir haben es beantragt, aber wir mussten es nicht umsetzen, weil wir noch Überhangaufträge aus dem vergangenen Jahr abarbeiten mussten. Manche kaufmännischen Mitarbeiter sind anfangs im Home-Office gewesen, wollten dann aber doch lieber wieder im Büro arbeiten. Ich selbst habe ab März erst mal nur im Home-Office gearbeitet. Ich wohne in Berlin und pendle normalerweise nach Geisa.
War das eine Vorsichtsmaßnahme?
Ja, genau. Ich teile mir die Geschäftsleitung mit Daniela Dingfelder, die das operative Geschäft führt. Wir haben vereinbart, dass ich vom Home-Office aus arbeite und sie die Ansprechpartnerin vor Ort ist. Wir wollten das Risiko minieren, dass wir gleichzeitig ausfallen.
Wie war das für Sie?
Es war ein Schock, dass ich in so einer Extremsituation nicht bei unseren Leuten sein konnte! Mein erster Impuls war: Ich muss in der Firma sein und Sicherheit und Stärke vermitteln. Am Anfang war das wirklich sehr schwer für mich. Auf der anderen Seite war es toll zu erleben, wie unser Team trotz der Unwägbarkeiten zusammengehalten und mitgezogen hat.
Was waren Ihre Hauptaufgaben als Geschäftsführende Gesellschafterin während des Lockdowns?
Erst mal war es vor allem Krisenmanagement. Organisatorisch musste viel umgestellt werden, wir mussten Hygienemaßnahmen umsetzen, Ansprechpartner für die Sorgen der Mitarbeiter sein oder Anträge stellen. Mit der Zeit haben wir uns dann auch an die neuen Bedingungen angepasst und neue Ideen umgesetzt. Unter Druck wird dann eher etwas umgesetzt, das man sonst länger vor sich herschiebt – zum Beispiel neue Angebote schaffen oder Prozesse digitalisieren. Das wurde notgedrungen gemacht in dieser Phase, und davon profitieren wir nun.
Was haben Sie verändert?
Wir haben uns in einigen Bereichen digitalisiert. Da Besuche vor Ort nicht möglich waren, haben Maschinenpräsentationen und -abnahmen per Video stattgefunden. Mitte September werden wir auch die Hausmesse anlässlich unseres 30-jährigen Firmenjubiläums komplett virtuell durchführen. Für die Maschinenvorführungen haben wir ein Kamerateam engagiert, es wird auch Fachvorträge mit Diskussionen geben, und in Chats wird es möglich sein, sich unter Fachleuten auszutauschen. Ich bin sehr gespannt darauf; es ist das erste Mal, dass wir so etwas machen.
Aus einer aktuellen Studie der KfW geht hervor, dass rund die Hälfte der mittelständischen Unternehmen in der Krise Innovationen eingeführt hat. War das bei Ihnen auch der Fall?
Wir beteiligen uns seit Juni an einem Forschungsprojekt am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie (IPT) in Aachen, das zum Ziel hat, ein Augmented-Reality-System zu entwickeln, mit dem der Aufwand zur Erstellung technischer Handlungsanweisungen um rund 70% reduziert wird. Dadurch wollen wir auch die Datenaufbereitung von alten Maschinen verbessern und so die Wertschöpfung erhöhen.
Haben Sie auch Ihr Portfolio verändert?
Nicht direkt, aber wir haben unsere Dienstleistungen gepusht. Wir haben in den vergangenen Monaten zum Beispiel damit begonnen unsere Maschinen auch zu vermieten. Das war eine Reaktion darauf, dass viele Unternehmen derzeit nicht so viel Geld ausgeben wollen oder durch eine Produktionsumstellung nur für eine Übergangszeit eine Maschine brauchen. Zudem haben wir vermehrt Service- und Wartungsverträge angeboten und unsere Finanzierungsangebote ausgebaut.
Hätten Sie das auch gemacht, wenn es die Coronakrise nicht gegeben hätte?
Die Zusammenarbeit mit dem IPT haben wir schon vor Corona angestoßen. Es hat sich jetzt nur noch klarer herausgestellt, dass die Technik, die wir da mitentwickeln, einen richtig guten Nutzen hat. Zum Beispiel, weil (in einer solchen Situation) Reisen und Besuche überflüssig werden. Neue Dienstleistungen und den Mietservice hätten wir wahrscheinlich auch so irgendwann umgesetzt. Durch Corona mussten wir nun aber schnell neue Lösungen für unsere Kunden schaffen, und deshalb ging die Umsetzung viel schneller voran.
Wie hat sich die Kommunikation mit Ihren Kunden während der Coronapandemie gestaltet?
Wir haben viel Wert darauf gelegt, dass wir unsere Kunden trotzdem auf dem Laufenden halten und ihnen vorstellen, was sich bei uns tut – und zwar ohne zu kommunizieren, dass man jetzt was verkaufen möchte. Das passt in einer solchen Situation einfach nicht. Stattdessen ist es wichtig, dass die Kunden sehen: Es läuft weiter, und es gibt uns noch. Man muss ein Lebenszeichen senden und Lösungen für die spezielle Situation anbieten. Das kam sehr gut an.
Wo stehen Sie aktuell?
Seit Juni geht es wieder bergauf, und es kommen wieder mehr Aufträge rein. Zumindest in Europa sind jetzt auch Reisen wieder möglich, das hilft natürlich. Es gibt aber immer noch viele Firmen, die der Lage noch nicht trauen und Investitionen weiter aufschieben.
Blicken Sie durch die Coronapandemie anders in die Zukunft, als zuvor?
Ich habe grundsätzlich keine Zukunftsangst und hadere auch nicht mit den Umständen. Wir haben in den vergangenen Monaten an unserer Organisationskultur gearbeitet und unsere internen Prozesse optimiert und sind jetzt gut aufgestellt. Das ist eine sehr gute Basis für die weitere positive Entwicklung.
Vielen Dank für das Gespräch.
Viktoria Schütz ist Sprecherin auf dem „Tag der Exportweltmeister“, der am 3. November 2020 digital stattfindet. Anmeldungen sind HIER möglich.