Vielem von dem, was bisher die US-Handelspolitik ausmachte, wird gerade durch die Aussagen des neugewählten US-Präsidenten Trump der Boden entzogen. Im Handel zwischen den Mitgliedstaaten der Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO) gelten aber feste Handelsregeln, und es gibt wirtschaftswissenschaftliche Erfahrungssätze, die eine sich neu orientierende US-Handelspolitik früher oder später wieder zurück auf den Boden der Realität holen könnten.

Von Axel Krause, Rechtsanwalt, Diplom-Finanzwirt (Zoll), Graf von Westphalen

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Während seiner und auch nach seinen Wahlkampfveranstaltungen hat Trump wiederholt seine Unzufriedenheit mit den bestehenden und möglichen zukünftigen Freihandelsabkommen kundgetan. Darüber hinaus hat er auch nach seiner Wahl hohe Strafzölle auf mexikanische Importe in Aussicht gestellt, wenn Unternehmen Mexiko als kostengünstigen Produktionsstandort für den US-Markt nutzen und so, nach seiner Auffassung, Arbeitsplätze in den USA verhindern. Präsident Trump macht diese US-Freihandelsabkommen insbesondere für eine ungleiche Entwicklung der Einkommensverhältnisse in den USA verantwortlich. Zudem seien sie allesamt sehr schlecht verhandelt worden. Er möchte diese daher neu und besser verhandeln oder aber aus ihnen austreten.

Austritt aus der WTO oder ­Neuverhandlung der US-Position?

Auch die WTO wurde vom Präsidentschaftskandidaten Trump pauschal als „Desaster“ bezeichnet, wonach eine Neuverhandlung der US-Position in der WTO oder ein Austritt die Folge sein solle. Hintergrund seiner Aussage waren von ihm beabsichtigte Zölle von 45% auf Importe aus China, die gegen geltende WTO-Regeln verstoßen würden und daher gar nicht zulässig wären.

Mitglieder der WTO können mit einer sechsmonatigen Kündigungsfrist aus der WTO austreten. Als Konsequenz eines WTO-Austritts würden die USA auf den Status anderer Nicht-WTO-Mitglieder, wie z.B. Nordkorea, zurückfallen und so außerhalb ihrer Freihandelsabkommen weltweit höheren Zöllen und mangelnden Schutzmöglichkeiten vor tarifären und nichttarifären Handelshemmnissen ausgesetzt sein. Dies wäre ein Rückschritt für die US-Wirtschaft, für alle anderen mit den USA handeltreibenden Länder und den globalen Handel insgesamt.

Austritt oder Neuverhandlung von NAFTA?

Das Freihandelsabkommen NAFTA erlaubt ebenfalls jedem Mitglied, mit sechsmonatiger Frist den Austritt aus dem Abkommen zu erklären. Im Übrigen bleibt das Abkommen zwischen den verbleibenden Parteien bestehen. Andererseits sind aber auch Neuverhandlungen über ein besseres NAFTA-Abkommen ohne eine vorherige Kündigung nach dem Vertrag möglich. Kanada und Mexiko haben ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Überarbeitung des Abkommens gegenüber den USA signalisiert. Scheiterten solche Verhandlungen und käme es zum Austritt der USA aus dem Abkommen, würden zwischen den USA und den verbleibenden NAFTA-Mitgliedern, Kanada und Mexiko, wieder Zölle erhoben werden können. US-Zölle müssten dann aber WTO-konform sein, der vertraglich von den USA jeweils für bestimmte Branchen und Waren vereinbarten Tarifbindung entsprechen und in gleicher Weise gegenüber allen WTO-Mitgliedstaaten angewendet werden (Meistbegünstigungsprinzip).

Strafzölle auf mexikanische Importe in die USA?

Im Wahlkampf wurde von Trump die Absicht bekundet, gegenüber Mexiko eine harte Linie zu fahren und Strafzölle zu erheben. Diese sollten 35% auf Importe von Waren betragen, die zuvor von US-Unternehmen dort produziert wurden, und 20% auf alle anderen Importe aus Mexiko in die USA. In beiden Szenarien könnten auch deutsche Unternehmen direkt oder indirekt betroffen sein. Beide Szenarien wären nach WTO-Recht nicht zulässig. Ein derartiger Strafzoll verstieße gegen die vereinbarte Tarifbindung unter dem NAFTA-Abkommen und dem WTO-Übereinkommen. Das Meistbegünstigungsprinzip des Art. I GATT 1994 gegenüber Mexiko wäre durch die USA verletzt. Die Anwendung von Schutzmaßnahmen (Safeguard Measures) ist den WTO-Mitgliedern nach der allgemeinen Schutzklausel des Art. XIX GATT 1994 und dem WTO-Übereinkommen über Schutzmaßnahmen möglich, allerdings nur unter engen Voraussetzungen. Erforderlich wäre z.B. die Feststellung einer Erhöhung bestimmter Importe gegenüber konkurrierender US-Produktion mit der Folge eines kausalen schwerwiegenden Schadens für die US-Industrie. Es sind auch keine sonstigen Rechtfertigungsgründe etwa nach Art. XX GATT 1994 (wie z.B. öffentliche Moral oder Natur und Gesundheit) ersichtlich. Die Verhängung von US-Strafzöllen würde daher mit hoher Wahrscheinlichkeit zwischen den betroffenen WTO-Mitgliedern zu Streitschlichtungsverfahren führen. Scheiterte eine Streitschlichtung an der harten Haltung der USA, dürften die anderen betroffenen Parteien ihrerseits entsprechende Strafzölle oder auch andere Maßnahmen zur Kompensation als Vergeltung gegenüber den USA verhängen. Ein Handelskrieg ungeahnten Ausmaßes könnte so beginnen, bei dem es vorhersehbar keine Gewinner geben würde.

Neues US-Steuersystem (Border Tax Adjustments, BTA)?

Ebenfalls in die Diskussion gebracht wurde die Idee einer Änderung der US-Unternehmensbesteuerung. Demnach sollen US-Unternehmen ihre Exporte in andere Länder von der eigenen Besteuerungsgrundlage abziehen dürfen und ihre zu zahlenden Unternehmensteuern somit verringern. Gleichzeitig dürften sie dies mit importierten Waren und Dienstleistungen zukünftig nicht mehr tun. Auch dieses Modell der Subventionierung der US-Exporte durch Steueranreize kann in dieser bisher bekannten Form leicht gegen das WTO-Subventionsübereinkommen verstoßen. Für eine Beurteilung der WTO-Konformität wären weitere Details zur Ausgestaltung dieses Steuermodells erforderlich, die bisher noch sehr vage sind. Die durch Mittel des amerikanischen Steuerrechts erreichte Subventionierung von Hunderten im Export tätigen US-Unternehmen für durch Exportaktivitäten außerhalb der USA erzielte Erträge erkannten die WTO-Streitbeilegungsorgane 2002 allerdings als rechtswidrig.

Ratifizierung oder Neuverhandlung des TPP?

Das zwischen den USA, Australien, Brunei, Chile, Japan, Kanada, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam ausgehandelte Freihandelsabkommen Trans-Pacific Partnership (TPP) sollte laut Trump am ersten Tag seiner Amtszeit gekündigt und folglich nicht mehr ratifiziert werden. Und so hat er symbolträchtig und per präsidialer Executive Order am 23. Januar 2017 den Rückzug der USA aus dem TPP beschlossen. Das TPP könnte nun aus US-Sicht theoretisch wieder neu verhandelt werden, was eher unwahrscheinlich ist. Wie von Trump angekündigt, könnten aber auch jeweils neue bilaterale Freihandelsabkommen mit diesen Ländern verhandelt werden. Derartige Verhandlungen benötigen erfahrungsgemäß viel Zeit – regelmäßig Jahre bis zu ihrem Abschluss. Zeitlicher und wirtschaftlicher Druck könnte u.a. dadurch entstehen, dass China mit teilweise denselben Ländern und weiteren asiatischen Ländern ebenfalls seit einiger Zeit schon ein Freihandelsabkommen verhandelt (Regional Comprehensive Economic Partnership, RCEP). Es dürfte den bisherigen strategischen Interessen der USA widersprechen, China in der Pazifikregion so indirekt zu stärken. Die durch die USA im TPP-Abkommen hinterlassene Lücke kann durch andere Staaten und Freihandelsabkommen gefüllt werden.

Austritt aus den Verhandlungen zum TTIP?

Die Verhandlungen zu dem (sehr modernen und weltweit größten) Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP) sind derzeit eingefroren, da u.a. der Regierungs- und Politikwechsel in den USA abgewartet werden sollte. Die unvollendeten TTIP-Verhandlungen haben aber den Vorteil, dass noch nichts ausverhandelt ist und eine Trump-Regierung noch alle Möglichkeiten hat, durch eigene Verhandlungen ein noch heißes Eisen zu schmieden, wenn sie es denn will. Zumindest der zukünftige US-Außenminister, Rex Tillerson, scheint Freihandelsabkommen grundsätzlich positiv gegenüberzustehen. Vermutlich werden erst weitere Sondierungen innerhalb der neuen US-Regierung mehr Licht auf diese bedeutenden Themen und den zukünftigen Kurs der USA werfen können.

Fazit

Nach den bis heute vehement geäußerten Absichten des neuen US-Präsidenten Trump könnten für alle Handelspartner der USA, insbesondere Mexiko und China, harte Zeiten anbrechen, denn es soll der Slogan „America first“ innerhalb kürzester Zeit ins Rollen gebracht werden. Auch wenn die sich derzeit in der Diskussion befindlichen Szenarien zur Umsetzung dieses Mottos für den US-Präsidenten Trump grundsätzlich wählbar sind, wäre ihre tatsächliche Umsetzung mit unabsehbaren negativen Konsequenzen für die globale Wirtschaft, inklusive der US-Wirtschaft, verbunden.

Ob diese Absichten unter der neuen US-Regierung tatsächlich umgesetzt werden, ist unsicher, zumal viele Republikaner protektionistischen Maßnahmen eher ablehnend gegenüberstehen. Für dauerhafte Zollerhöhungen benötigt der Präsident die Zustimmung des Kongresses. Es bleibt abzuwarten, welchen Weg die USA im internationalen Handel zukünftig einschlagen werden.

a.krause@gvw.com

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