Am 28. September 2016 wurde der Entwurf für die Neufassung der Dual-Use-Verordnung von der EU-Kommission veröffentlicht und am 12. Dezember 2016 im „Export Control Forum“ vorgestellt. Zu welchen Änderungen kommt es hierdurch? Ist es eine Reform, die zu „mehr rechtlichen Unsicherheiten für die deutsche Wirtschaft“ führt? Dies wird in dieser und der folgenden Ausgabe des ExportManagers analysiert, zunächst mittels Fällen und in der folgenden Ausgabe mit einem Resümee in Form von Thesen.

Von PD Dr. Harald Hohmann, Rechtsanwalt, Hohmann Rechtsanwälte

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Ausgangsfälle

Fall 1: Verbringungsfall

D mit Sitz in Deutschland stellt Sensorelemente her. S in Spanien bittet D nun um die Lieferung eines Sensorelements mit einer Manganinlegierung, welches dazu in der Lage ist, Drücke von mehr als 10 GPa zu messen. Braucht D hierfür eine Verbringungsgenehmigung nach jetzigem und künftigem Recht?

Fall 2: Menschenrechtsfall

D in Deutschland will eine nicht gelistete Monitoringsoftware nach Eritrea exportieren. Diese Software kann zur Nachverfolgung von Onlinekommunikation eingesetzt werden. Nach Angaben von D soll sie nur zur Bekämpfung von Terrorismus und Korruption eingesetzt werden. Empfänger und Endverwender E ist eine staatliche Einrichtung, die dem dortigen Geheimdienst unterstellt und nicht gelistet ist. Das BAFA hat Bedenken hinsichtlich des Endverwenders E geäußert, weil dieser in Tätigkeiten involviert ist, die mit der Überwachung und Unterdrückung der Zivilbevölkerung in Eritrea zusammenhängen. D fragt sich, ob er die Software ohne Genehmigung des BAFA exportieren darf.

Fall 3: Terrorfall

D in Deutschland stellt anorganischen Mineraldünger her und vertreibt diesen weltweit. Der Dünger ist nicht in Anhang I der DUV gelistet. D möchte nun größere Mengen seines Produkts nach Ghana exportieren. D fragt sich, ob sich hierfür nach der Neufassung der DUV Exportbeschränkungen ergeben.

Fall 4: Konzerninterne Softwareweiterleitung

Der Konzern K stellt Antriebssysteme für rein zivile Schiffe her. Seine deutsche Tochter K-D, seine japanische Tochter K-J und seine russische Tochter K-R wollen auf einem internationalen Workshop in Deutschland Technologie über in Position 8A002 gelistete Güter austauschen, sowohl mündlich als auch durch Überreichen von Zeichnungen. Was muss hierbei nach jetzigem und künftigem Recht beachtet werden?

Überblick über die wesentlichen Änderungen

Aspekt 1: Menschenrechte und Sicherheit

Der Begriff der Dual-Use-Güter erstreckt sich jetzt auch auf Überwachungstechnologien, mit denen Menschenrechtsverletzungen begangen werden können (vgl. neuen Anhang I B). Die Catch-all-Klauseln erstrecken sich auf folgende weitere Fälle: Eine Genehmigungspflicht für nichtgelistete Güter besteht nicht nur für die bisher bekannten sensitiven Verwendungen, sondern auch bei Anhaltspunkten für schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen durch entsprechend sensitive Personen (Art. 4 Abs.1 lit. d n.F.) oder bei „Verwendungen im Zusammenhang mit terroristischen Handlungen“ (Art. 4 Abs.1 lit. e n.F.). Aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder aus Menschenrechtserwägungen können einzelne Ausfuhren verboten oder eine Genehmigung hierfür verlangt werden (Art. 8 Abs. 1).

Aspekt 2: Effizienteres Exportkontrollsystem

Hierunter versteht man eine Optimierung der EU-Genehmigungsarchitektur und eine kritische Neubewertung der EU-Verbringungen. Hierzu gehören die Einführung einer Globalausfuhrgenehmigung für Großprojekte und vier neue EU-Allgemeingenehmigungen (Art. 10 Abs.1 lit. d n.F.): EU007 für Export von Gütern mit geringem Wert (unter 5.000 EUR), EU008 für konzerninternen Versand von Software/Technologie, EU009 für Verschlüsselungsgüter und EU010 für Frequenzumwandler. Die Liste des Anhangs IV, welcher Genehmigungspflichten für Verbringungen auslöst, wird erheblich reduziert (vgl. Anhang IV B n.F.), und für die verbleibenden Güter wird eine allgemeine EU-Verbringungsgenehmigung (Anhang IV A n.F.) eingeführt.

Aspekt 3: Konvergenz von Kontrollen für Catch all, Transit, Vermittlungsgeschäfte und technische Hilfe

Die erweiterten Catch-all-Kontrollen werden auch verpflichtend für Vermittlungsgeschäfte (Art. 5 n.F.), Durchfuhr (Art. 6 n.F.) und die Erbringung von technischer Unterstützung bei Dual-Use-Gütern (Art. 7 n.F.).

Aspekt 4: Digitale Exportkontrolle

Hier geht es um die Ausweitung der Exportkontrolle auf Überwachungstechnologie, eine Präzisierung der Definitionen (u.a. von „Ausfuhr“, „Ausführer“), um dem internationalen Technologietransfer besser entsprechen zu können, eine Erwähnung des Begriffs „Forschung“ und um neue Allgemeingenehmigungen, v.a. die neue EU008. Neu ist auch die beschleunigte Anpassung von Güterlisten an den technischen Wandel durch die Koordinierungsgruppe.

Aspekt 5: Effektive Implementierung durch Transparenz und Partnerschaft

Hier geht es einmal um zwingende ­Konsultationen bei der nationalen Einführung von Catch-all-Kontrollen (Art. 4 Abs. 4 n.F.), um einen erweiterten Informa­tionsaustausch bzgl. Genehmigungen, Catch all und Umsetzung, eine gemeinsame IT-Infrastruktur der EU, erweiterte Zusammenarbeit mit Genehmigungs- und Zollbehörden, einen Mechanismus für verstärkte Zusammenarbeit bei der Durchsetzung von Exportpflichten, eine Umgehungsklausel. Bzgl. der Herstellung von Transparenz geht es um öffentliche Jahresberichte, „Guidance-Dokumente“ und eine Anhörung der Wirtschaft durch technische Arbeitsgruppen.

Aspekt 6: Globale Chancengleichheit

Hier geht es um automatische Anpassungen von Güterlisten durch Delegation von Kompetenzen, den Trend zu mehr Allgemeingenehmigungen (vgl. die neuen Allgemeingenehmigungen) und die Kooperation/den Dialog mit ausländischen Partnern in Drittländern etwa zur gegenseitigen Anerkennung von Ausfuhrkontrollen.

Lösung der Fälle

Fall 1: (Verbringungsfall)

Nach jetzigem Recht ist das Sensorelement auf Pos. 6A226 und somit in Anhang IV Teil 2 gelistet. Daher besteht eine Genehmigungspflicht für die Verbringung des in Anhang IV gelisteten Gutes; eine Allgemeingenehmigung scheidet hierfür aus (Art. 22 Abs. 1 DUV).

Nach künftigem Recht ist die Rechtslage einfacher. Das Sensorelement ist immer noch in Anhang IV gelistet (Anhang IV Abschnitt B Teil III n.F.). Für die Ver­bringung der in Anhang IV Abschnitt B gelisteten Güter bleibt es bei der Genehmigungspflicht. Hierfür ist aber die all­gemeine Verbringungsgenehmigung gemäß Anhang IV Abschnitt A zu berücksichtigen, welche bei Einhalten ihrer Voraussetzungen die Einholung einer Einzelgenehmigung entbehrlich macht.

Der Vergleich zeigt: Nur unter der Neuregelung kann für diese Verbringung des auf Anhang IV Abschnitt B gelisteten Gutes eine Allgemeingenehmigung genutzt werden, wobei hier die Mitteilungspflichten für ein in Anhang IV B Teil III gelistetes Gut etwas aufwendig sind, nämlich zehn Tage vor jeder Verbringung (sonst reichen jährliche oder vierteljährliche Notifikationen).

Fall 2: Menschenrechtsfall

Nach jetziger Rechtslage sind keine Genehmigungspflichten ersichtlich: Das Gut ist nicht gelistet, und es fehlen Anhaltspunkte, dass das Gut im Kontext mit ABC-Waffen/-Trägern (weltweit), ­militärischer Nutzung (in EU-Waffenembargoländern) oder Nuklearanlagen (in nuklear-sensitiven Ländern) verwendet werden könnte. Auch aus dem Eritrea-Embargo ergeben sich keine Beschränkungen. Wollen BAFA/BMWi den Export dennoch beschränken, können sie dies im Wege des Einzeleingriffs nach § 6 AWG. Dieser stellt allerdings die Ultima Ratio dar und kann somit nur herangezogen werden, wenn besondere rechtliche Voraussetzungen erfüllt sind.

Nach künftiger Rechtslage könnte sich hierfür eine Genehmigungspflicht aus Art. 4 Abs. 1 lit. d DUV n.F. ergeben. Das wäre dann der Fall, wenn das BAFA zusätzlich vortragen würde, dass sich seine Repressionsbedenken auch auf Feststellungen internationaler Behörden stützten und dass Hinweise bestünden, dass diese Güter von E zur Durchführung schwerwiegender Verstöße eingesetzt werden. Es dürfte dem BAFA gelingen, die Voraussetzungen dieser Genehmigungspflicht zu schaffen. Sonst bleibt immer noch der Einzeleingriff.

Der Unterschied zur bisherigen Rechtslage ist, dass nach der künftigen Rechtslage ohne weiteres eine Genehmigungspflicht geschaffen werden kann.

Fall 3: Terrorfall

Mangels einer Listung in Anhang I kann sich eine Genehmigungspflicht nur aus der Catch-all-Regelung ergeben. Künftig könnte dies Art. 4 Abs. 1 lit. e DUV n.F. sein. Dies wäre der Fall, wenn „Anhaltspunkte für eine Verwendung im Zusammenhang mit einer terroristischen Handlung be-stünden“. Es geht um vorsätzlich begangene Straftaten, die ein Land schwer schädigen können, u.a. mit dem Ziel, die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern, wozu nach Art. 1 Abs. 3 Gemeinsamer Standpunkt 2001/931/GASP auch die „Herstellung von Sprengstoff“ gehören kann. In der Presse finden sich Hinweise darauf, dass sich die meisten anorganischen Mineraldünger leicht entzünden lassen und dass sie explosiv sind. Deshalb könnten sie von Terroristen zur Herstellung von Sprengstoff benutzt werden. Insofern ist anzunehmen, dass beim Export von anorganischen Mineraldüngern ein mögliches Potential zur Verwendung bei terroristischen Handlungen besteht. Nur dann, wenn das BAFA geltend machen kann, dass hier deutliche Red Flags beim Verwendungsland und beim Endverwender vorliegen, z.B. weil es um eine Lieferung an führende Mitglieder des terroristischen Flügels der Hamas geht, dürfte diese Genehmigungspflicht überhaupt greifen. Hingegen ist ein Verwendungsland wie Ghana kaum terrorverdächtig. Hier dürfte also keine Genehmigungspflicht bestehen.

Zu beachten ist, dass Art. 4 I lit. e DUV n.F. wegen des sehr weiten Begriffs der „terroristischen Handlung“ eng ausgelegt werden muss (vgl. hierzu unsere Thesen). Denn sonst dürfte die Norm verfassungsrechtlich unbestimmt sein.

Lösung Fall 4: Konzerninterne Softwareweiterleitung

Nach jetzigem Recht ist der Transfer der technischen Zeichnungen nach Art. 3 DUV genehmigungspflichtig, weil es um gelistete Technologie geht und die Zeichnungen unverzichtbar sind für die Entwicklung, Herstellung oder Verwendung der von 8A002 erfassten Güter. Eine „Ausfuhr“ wird dann angenommen, wenn die Zeichnungen nach Japan und Russland mitgenommen werden. Der Transfer nichtverkörperter Technologie ist nach

  • § 49 ff. AWV davon abhängig, ob hier Anhaltspunkte für eine sensitive Verwendung (für ABC-Waffen/-Träger, Militärisches, Nuklearanlagen) bestehen. Sofern dies nicht der Fall ist, wäre nur der Transfer der Zeichnungen genehmigungspflichtig – hier ist eine Einzelgenehmigung erforderlich.

Nach künftigem Recht ist der Transfer der technischen Zeichnungen ebenfalls genehmigungspflichtig nach Art. 3 DUV, wobei hierfür die neue EU008 zu berücksichtigen ist. Der Transfer nichtverkörperter Technologie (der mündliche Austausch) wird im Zweifel als „technische Unterstützung“ eingestuft, welche nach Art. 7 DUV n.F. genehmigungspflichtig ist, wenn Anhaltspunkte für das Eingreifen einer Catch-all-Regelung nach Art. 4

Abs. 1 DUV n.F. bestehen. Da hier auch keine Menschenrechts- oder Terrorerwägungen zu einer Genehmigungspflicht führen werden, erfordert der nichtverkörperte Transfer keine Genehmigung. Für den Transfer der Zeichnungen ist nun die neue EU008 anwendbar. Hier ist sicherzustellen, dass alle Voraussetzungen der Allgemeingenehmigung (u.a. Implementierung eines ICPs) erfüllt werden, der Exporteur sich für die Nutzung registriert und daneben auch die jährlichen Meldepflichten einhält.

Die wesentliche Änderung im künftigen Recht besteht darin, dass für den Transfer technischer Zeichnungen die Allgemeingenehmigung EU008 genutzt werden kann. Nur für einen Transfer in ein EU-Waffenembargoland, wie hier nach Russland, muss nach wie vor eine Einzelgenehmigung beantragt werden.

Ein erstes Resümee

Bei der Neufassung der DUV geht es der EU-Kommission erstens darum, die Effektivität der Exportkontrollen dadurch zu stärken, dass sie an neue Herausforderungen (Sicherheit, Menschenrechte, technischer Wandel) angepasst werden. Zweitens geht es ihr darum, die Effektivität der Exportkontrollen dadurch zu stärken, dass sie vereinfacht werden, um die Kon-trollanforderungen zu senken und die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Wirtschaft zu stärken. Die Neufassung wird uneingeschränkt dem zweiten Ziel gerecht, während beim ersten Ziel z.T. Fragezeichen bleiben. Diese Punkte sollen in der nächsten Ausgabe in der Form von Thesen vertieft werden.

Vgl. hierzu den Artikel des Autors in der AW-Prax 3/2017.

Wegen aktueller Hinweise zum EU-Exportrecht vgl. auch HIER.

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