Der Dodd-Frank Act (DFA), ein Gesetz zur Erhöhung von Stabilität und Transparenz im US-amerikanischen Finanzsektor, enthält ein wenig bekanntes Regelwerk über Rohstoffe. Unternehmen werden verpflichtet, die Herkunft der Rohstoffe in ihren Produkten offenzulegen. Die Offenlegungspflicht bezieht sich insbesondere auf Zinn, Tantal, Wolfram und Gold (3TG), die in der Region der Großen Seen in Ostafrika gewonnen werden. Auch deutsche Zulieferer müssen sich mit den Folgen des Gesetzes auseinandersetzen.

Von Christine Schweikert, Abteilungsdirektorin ­Volkswirtschaft, BHF-BANK AG

Der Dodd-Frank Act (DFA) ist bekannt: Nach der Finanzkrise sollen mit diesem Gesetz Stabilität und Transparenz des Finanzsektors in den USA erhöht und die Rechte von Kunden gestärkt werden. Ein weniger bekannter Aspekt des Regelwerks betrifft die Verwendung bestimmter Rohstoffe aus der Demokratischen Republik Kongo (DRC) und umliegenden Staaten. Laut Artikel 1502 müssen Unternehmen in ihrem Jahresbericht offenlegen, ob in ihren Produkten oder Produktionsmitteln Rohstoffe aus der Konfliktregion enthalten sind. Auch wenn dies nicht der Fall ist, muss trotzdem ein Nachweis über die Herkunft der Rohstoffe vorgelegt werden, damit die Aussage auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft werden kann. Diese Prüfung muss durch eine unabhängige Instanz erfolgen.

Die Offenlegungspflicht gilt nicht nur für alle börsennotierten Unternehmen in den USA, sondern auch für deren Zulieferer. Auch bei deutschen Unternehmen sind daher schon erste Anfragen ihrer amerikanischen Geschäftspartner eingegangen. Mit dem Gesetz soll der Einsatz von „Konfliktmineralen“, mit deren Hilfe sich Rebellen im Osten der DRC finanzieren, verhindert werden, und zwar durch öffentlichen Druck auf die Unternehmen über das „Name and Shame“-Prinzip.

Mit einiger Verzögerung soll die Ausgestaltung von Artikel 1502 des DFA bis Dezember dieses Jahres abgeschlossen werden. Ab dann haben die betroffenen Unternehmen 270 Tage Zeit, die Information über die Herkunft der von ihnen eingesetzten Rohstoffe einzuholen und offenzulegen.

Zu den relevanten Rohstoffen gehören Zinn, Tantal, Wolfram und Gold aus der
Region der Großen Seen in Ostafrika, zu der neben der DRC unter anderem auch Burundi, Ruanda und Uganda gehören. Die vier Rohstoffe werden auch mit 3TG abgekürzt, wobei 3T aus den englischen Bezeichnungen „tin“, „tantal“ und „tungsten“ abgeleitet ist. Die Fördermengen in der Konfliktregion sind nicht so groß, dass die Nachfrage nicht aus anderen Quellen gedeckt werden könnte. Aber besonders bei Tantal hat das afrikanische Angebot einen großen Anteil an der Weltproduktion: in den letzten 15 Jahren zwischen 12 und 50%, der größte Teil davon kommt aus dem Osten der DRC. Artikel 1502 kann bei Bedarf auf weitere Rohstoffe und Regionen ausgedehnt werden.

Der 3TG-Herkunftsbericht eines Unternehmens muss von einer unabhängigen dritten Seite geprüft werden, voraussichtlich dem Wirtschaftsprüfer. Welche Unterlagen dafür vorgelegt werden müssen, ist bislang offen: Einfache Kopien von Rechnungen sollen wohl nicht ausreichen. Der geprüfte Herkunftsbericht muss dem Jahresabschlussbericht beigefügt und auf der Website des Unternehmens veröffentlicht werden. Bislang sieht es nicht danach aus, dass es Übergangsfristen oder Ausnahmen für geringfügige Mengen geben wird. Zwar gibt es keine Sanktionen, wenn man den Vorschriften nicht nachkommt, aber Kalifornien hat bereits beschlossen, dass Unternehmen, die Konfliktminerale verwenden oder den Berichtspflichten nicht nachkommen, bei der Vergabe staatlicher Aufträge ausgeschlossen werden.

Der DFA gilt für alle Unternehmen, die in den USA börsennotiert sind und so der Regulierung durch die Securities and Exchange Commission (SEC) unterliegen. Indirekt gefordert sind aber auch deren Zulieferer und somit auch europäische Unternehmen. 3TG kommen vor allem in elektronischen Geräten vor; daher sind die Telekommunikationsbranche, die Luftfahrt- und die Autoindustrie, aber auch die Hersteller von Schmuck und von medizinischen Geräten oder Implantaten betroffen. Zudem müssen Konflikt­rohstoffe nicht nur in den Endprodukten, sondern auch im Herstellungspro-zess identifiziert werden, also in den Maschinen und Anlagen. Somit gilt die neue Regulierung auch für weitere Branchen.

Von einem in den USA verkauften Handy bis zum Kleinbergbau in Afrika ist es ein weiter Weg: Die Herkunft eines Rohstoffs vom Ende einer internationalen Wertschöpfungskette her zu bestimmen, sogenannter produktbezogener Ansatz, stellt die Unternehmen vor große Herausforderungen Nur wenige sind darauf vorbereitet.

Ein Weg, die Berichtsanforderungen überschaubar zu halten, ist der One-up-One-down-Ansatz: Jeder befragt seine direkten Lieferanten und informiert seine direkten Kunden. Aber auch das ist für große Unternehmen mit mehr als 1.000 Produkten und über 100.000 Lieferanten eine sehr komplexe Aufgabe.

Zunächst müssen Produkte oder Produktionsanlagen bestimmt werden, die 3TG-relevant sind, dann müssen die dazugehörigen Lieferanten identifiziert werden. Diese müssen befragt werden, ob sie „konfliktrohstofffrei“ sind. Laut Unternehmen, die in Pilotprojekten bis dahin vorgedrungen sind, konnten aber weniger als 10% der befragten Zulieferer brauchbare Antworten liefern.

Wie es dann weitergeht, ist unklar: Eskalieren, wechseln, erziehen? Lieferanten, die die Herkunft der von ihnen verwendeten Rohstoffe nachweisen können, dürften jedenfalls einen Wettbewerbsvorteil haben. Attraktiver werden mit den Sorgfaltsanforderungen auch Rohstoffpartnerschaften, bei denen ein Unternehmen sich direkt an der Rohstoffförderung beteiligt: Da weiß man, was man hat. Letztlich erfordert die DFA-Vorgabe den Aufbau eines risikobasierten Due-Diligence-Systems für Rohstoffe. Auch wenn zum Teil bestehende Lieferantenmanagementsysteme genutzt werden können, ist dies aufwendig und langwierig. Die SEC schätzt die Kosten für die neuen Berichtspflichten auf 71 Mio US$, Industrieverbände in den USA gehen dagegen von 9 bis 16 Mrd US$ aus.

Zwar ist der DFA die erste gesetzliche Verpflichtung zu größerer Sorgfalt in der Rohstoffverwendung, doch das Problem der Konfliktrohstoffe wird auch von anderer Seite angegangen. So hat die OECD dieses Jahr die „Due Diligence Guidance for Responsible Supply Chains“ herausgegeben. Zudem gibt es andere freiwillige Initiativen, auch der Industrie, um den Sorgfaltspflichten in der Lieferkette gerecht zu werden. Zum Beispiel setzt man vor Ort bei den Schmelzbetrieben an, die nach eingehender Prüfung für einen bestimmten Zeitraum als „konfliktfrei“ zertifiziert werden; von dort können dann „gute“ Rohstoffe bezogen werden.

Ein weiterer Ansatz zur Unterscheidung von „guten“ und „schlechten“ Rohstoffen, der direkt nach der Förderung ansetzt, ist der analytische Herkunftsnachweis. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) hat eine Art Vaterschaftstest entwickelt, mit dem bestimmt werden kann, ob eine Erzprobe aus einer bestimmten Mine stammt. Die BGR baut dazu eine Datenbank der Minen in der DRC auf. Proben werden mit dem ermittelten typischen Profil einer Mine verglichen, und zusammen mit weiteren Tests, wie einer Altersbestimmung, können sie mit einer Wahrscheinlichkeit zwischen 70% und 90% zugeordnet werden. Diese technisch hochkomplexe Auswertung dauert mehrere Tage, kostet zurzeit 1.000 Euro und kann nicht in Afrika vorgenommen werden. Langfristig ist allerdings geplant, in der Region ein Labor aufzubauen.

Dem Ziel, den Vertrieb von Konfliktmineralen aus dem Ostkongo, deren Abbau seit über zehn Jahren in der Hand bewaffneter Gruppen ist, zu verhindern oder zumindest zu erschweren, stehen einige Hürden entgegen. So ziehen sich Unternehmen aus der gesamten Region zurück, weil der Herkunftsnachweis zu aufwendig und die Unsicherheit über die genauen Ausführungsbestimmungen des DFA noch zu groß ist. Das Ergebnis ist ein De-facto-Embargo – dabei sollte gerade das vermieden werden, um den zahlreichen Kleinproduzenten dieser Region, die einen sehr großen Anteil an der Rohstoffförderung haben, nicht die Existenzgrundlage zu entziehen; denn damit würde eine Rekrutierung dieser Menschen durch die Rebellen gefördert.

Daneben hat sich der Schmuggel verstärkt; und skrupellose Unternehmen kaufen billig Rohstoffe, die von anderen nicht mehr abgenommen werden. Die UN-Expertengruppe für die DRC berichtet immerhin, dass die UN-Due-­Diligence-Richtlinien die Situation bei den 3Ts ­verbessert hätten; jedoch wür-den die empfohlenen Sorgfaltspflichten in der Lieferkette für Gold kaum an­gewendet, so dass sich die Rebellen für ihre Finanzierung stärker auf Gold konzentrierten.

Unternehmen in Deutschland können sich zum Thema Due Diligence in der Lieferkette von Rohstoffen an ihre Verbände und an die Deutsche Rohstoffagentur in Hannover wenden. Sehr wahrscheinlich wird die EU-Kommission das Thema demnächst aufgreifen; gerade hat sie Vorschläge für eine Richtlinie ausge­arbeitet, die rohstoffextrahierende Unternehmen verpflichtet, alle Zahlungen an staatliche Stellen offenzulegen. Bei allen Herausforderungen für die Unternehmen dürfte der produktorientierte Ansatz bei den Sorgfaltspflichten in der Lieferkette langfristig zu sehen sein: nicht nur be­zogen auf die Lage in der DRC, sondern als integraler Bestandteil eines Trends zu mehr Nachhaltigkeit und Transparenz bei Produkten und ihren Inhaltsstoffen, die auch der Endverbraucher zunehmend fordert.

Kontakt: christine.schweikert[at]bhf-bank.com

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