Niedrige Rohstoffpreise, nur zögerlich umgesetzte Reformen sowie unsichere politische Verhältnisse haben das Bild vieler Unternehmen von Subsahara-Afrika geprägt. Mit dem Anstieg der Rohstoffpreise und neuen politischen Initiativen der Bundesrepublik Deutschland, wie dem „Compact with Africa“, steigt das Interesse deutscher Unternehmen an Afrika wieder. Andreas Voss und Frank Aldenhoff berichten im Gespräch mit dem ExportManager über ihre Einschätzung der aktuellen Situation in Subsahara-Afrika.
Nach dem stark rückläufigen Wirtschaftswachstum in der Region Subsahara-Afrika scheint sich die Wirtschaft im Jahr 2018 deutlich zu erholen. Wie beurteilen Sie die Situation?
Andreas Voss: Nach Jahren starken Wirtschaftswachstums hat Subsahara-Afrika zwischen 2015 und Mitte 2017 starke Wachstumseinbußen hinnehmen müssen. Einige Länder wie Nigeria und Angola wurden sogar so schlimm getroffen, dass man die Wirtschaftsentwicklung als rezessiv bezeichnen musste. Diese Entwicklung hat sich zum Glück 2017 gedreht, und die Wirtschaftsleistung ist wieder gewachsen. Für 2018 sehen wir diesen positiven Trend unverändert und rechnen mit einem moderaten Wachstum der Wirtschaft in Subsahara-Afrika von um die 3% (IMF, Regional Economic Outlook, April 2018). Das reicht zwar sicherlich nicht aus, um von einer grundlegend geänderten Situation zu sprechen, aber dennoch ist diese Entwicklung als positiv zu bezeichnen. Einige Länder in Subsahara-Afrika werden deutlich über diesem Durchschnittswert wachsen.
Was hat sich im Vergleich zu den Vorjahren denn tatsächlich geändert?
Andreas Voss: Das ist in den Ländern sehr unterschiedlich, und dazu muss man die Länder einzeln analysieren. Die Trendumkehr wurde sicherlich vor allem durch verbesserte Aussichten in den größten Marktwirtschaften der Region herbeigeführt. Nigerias Wirtschaft profitiert beispielsweise eindeutig von den höheren Ölpreisen und damit auch von einer verbesserten Versorgung des lokalen Devisenmarktes. US-Dollar und Euro waren dort in der Vergangenheit knapp, und viele Handelsgeschäfte konnten gar nicht oder nur stark verzögert abgewickelt werden. Das hat sich heute erheblich geändert. Dennoch bleibt es ratsam, sich ausführlich mit der Wahl der ausländischen Partnerbank zu beschäftigen. Die Banken in Nigeria mussten in der Rezession einige externe Negativentwicklungen kompensieren, die auch für größere Banken nicht einfach zu verdauen waren.
Frank Aldenhoff: Die Wirtschaft Südafrikas hat durch den Amtsantritt von Cyril Ramaphosa neues Vertrauen gefasst. Die Wirtschaftsstimmung ist heute deutlich positiver, was auch über die Landesgrenzen hinweg Wirkung zeigen wird. Die geklärten politischen Verhältnisse in Kenia, insbesondere nach dem „Handschlag“ zwischen Präsident Kenyatta und Oppositionsführer Odinga Anfang April, sorgen ebenfalls für zurückgewonnenes Vertrauen in die Stabilität des Landes.
Welche Länder schätzen Sie momentan als besonders dynamisch und damit interessant für deutsche Unternehmen ein?
Frank Aldenhoff: Kenia ist und bleibt das Zugpferd im Osten Afrikas mit einem starken Finanz- und Dienstleistungssektor. Die Unklarheiten rund um die letzten Präsidenten- und Parlamentswahlen 2017 sowie drei Bankpleiten 2016 hatten die Wirtschaftsdynamik ein Stück weit gelähmt. Für 2018 und 2019 wird ein Wirtschaftswachstum von 5,5% bzw. 6,0% vorausgesagt (IMF, Regional Economic Outlook, April 2018). Nairobi ist ein „Hub“ für viele international tätige Unternehmen und ein politischer Knotenpunkt, von dem aus Geschäfte in der Region mit relativ guter Infrastruktur gesteuert und angestoßen werden können. Schlechte Straßen- und Schienenverhältnisse sind weiterhin Realität und bilden ein Hindernis, insbesondere für den innerafrikanischen Handel. Sehr positiv wirkt hier aber die fortschreitende wirtschaftliche Inte-gration mit den Ländern der „East African Community“ (EAC), die einen weitestgehend freien Verkehr von Waren und Arbeitskräften ermöglicht. Mittlerweile gibt es übrigens ein EAC-Visum, welches das Reisen in die und innerhalb der Region sehr erleichtert und online beantragt sowie erworben werden kann.
Andreas Voss: In Westafrika dominiert Nigeria als größte Volkswirtschaft in Subsahara-Afrika. Es wird erwartet, dass die Wirtschaftsleistung 2018 um 2,1% zulegt (IMF, Regional Economic Outlook, April 2018). Gemessen an dem Bevölkerungswachstum, ist das natürlich zu wenig. Dennoch sollte man sich davon nicht abschrecken lassen. Nigeria bietet unverändert zahlreiche Geschäftspotentiale und ist Deutschland gegenüber sehr aufgeschlossen. Die Regierungsleistung unter Präsident Buhari mag für viele unter den hohen Erwartungen liegen. Schaut man aber genauer hin, hat die Regierung unter dem „Economic Restructuring and Growth Plan“ durchaus Reformen eingeleitet, die sich bereits heute im Bereich „Ease of doing Business“, aber auch in den Sektoren Infrastruktur und Landwirtschaft positiv auswirken. Im frankophonen Teil Westafrikas empfehle ich, einen genaueren Blick auf den Senegal zu werfen. Für deutsche Unternehmen ist der frankophone Teil Afrikas nicht ganz einfach zu erschließen, da die Volkswirtschaften traditionell sehr stark auf Frankreich ausgerichtet sind und Französisch als Sprache für den nachhaltigen Geschäftserfolg unabdingbar ist. Im Senegal passiert aber momentan sehr viel. Das prognostizierte Wirtschaftswachstum für 2018 liegt bei 7% (IMF, Regional Economic Outlook, April 2018). Die Regierung arbeitet sehr konsequent das 2015 aufgelegte Reformpaket unter dem Namen „Economic Resiliency Plan“ ab. Dakar hat sich neben Abidjan zu einem Zentrum für die Fast-moving-Consumer-Goods(FMCG)-Industrie entwickelt, die insbesondere die frankophonen Länder in Westafrika beliefert. Auch im Bereich Landwirtschaft haben internationale Investoren in den vergangenen Jahren stark investiert. Darüber hinaus wird erwartet, dass der Senegal spätestens 2020–2021 ebenfalls Öl fördern wird. 2017 hat der französische Ölkonzern Total ein Abkommen zur Förderung von Öl- und Gasvorhaben vor Senegals Atlantikküste unterzeichnet.
Was empfehlen Sie Unternehmen, die sich mit einem Afrika-Markteintritt beschäftigen?
Frank Aldenhoff: Subsahara-Afrika bleibt kurz- und mittelfristig volatiler als andere Schwellenländer – auch infolge der hohen Abhängigkeit von Rohstoffen. Die Region ist dennoch unverändert einer der wenigen nachhaltigen Wachstumsmärkte auf Basis eines hohen Bevölkerungswachstums und Produktivitätsfortschritts (Stichwort „Leapfrogging“). Zwei Faktoren für nachhaltigen Erfolg sind dabei nach unserer Meinung immer zu berücksichtigen. Zum einen sollte man sich geographisch auf einzelne Regionen konzentrieren, da die Geschäftsgepflogenheiten auf dem Kontinent sehr stark variieren. Zum anderen bedarf es einer ausgiebigen Marktanalyse sowie ausreichender Zeit, um ein zuverlässiges Netzwerk aufzubauen. Dies ist notwendig, da die Marktkomplexität in vielen Teilen Subsahara-Afrikas hinsichtlich Informationsverfügbarkeit, Regulierung und Risikoabsicherung nach wie vor unverändert hoch ist.
Stichwort Risikoabsicherung: Bei einem Markteintritt in eine neue Region spielt die Sicherheit von Zahlungsströmen eine wichtige Rolle. Wie lassen sich Exporte nach Subsahara-Afrika am besten absichern?
Frank Aldenhoff: Bei Exporten in die Region sind Zahlungsziele von 120 Tagen und mehr nicht unüblich. Aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen und politischen Turbulenzen empfehlen wir Unternehmen, sich in jedem Fall gegen potentielle Risiken abzusichern. Häufig werden dazu Exportakkreditive genutzt, bei denen Banken eine Zahlung gegen Vorlage vereinbarter Dokumente garantieren. Zusätzlich hat die Bundesregierung die staatliche Deckungspolitik in der Region gelockert. Exportkreditgarantien gewinnen damit, insbesondere bei staatlichen Projekten, stark an Bedeutung. In jedem Fall sollten deutsche Unternehmen frühzeitig Kontakt mit ihrer Bank in Deutschland aufnehmen, um gemeinsam das geeignetste Sicherungsinstrument zu wählen.
Vielen Dank für das Gespräch!