Die Kluft zwischen den Ländern des südlichen Afrikas könnte kaum größer sein: Arm trifft auf Reich, modernste Infrastrukturen auf Dritte Welt. Trotzdem zeigt die Entwicklungskurve nach oben: Das Zauberwort heißt regionale Kooperation. Denn gemeinsam ist man stärker – und gemeinsam wollen die Staaten den Turnaround schaffen. Aus dem Fernen Osten kommt dazu nicht ganz uneigennützige Hilfe
Botswana, Lesotho, Namibia, Südafrika und eSwatini (zuvor Swasiland) – das sind in der Definition der Vereinten Nationen die Länder, die unter den Begriff südliches Afrika fallen. Gleichzeitig bilden sie auch die Mitgliedstaaten der Southern African Customs Union (SACU), die Zollunion sowie enge Wirtschafts- und Finanzkooperation in einem ist.
Die 1910 gegründete SACU – übrigens die älteste Vereinigung dieser Art weltweit – hat sich mittlerweile zu einem wichtigen Wirtschaftsmotor der Region entwickelt. Mit ihrem Sitz in Windhoek (Namibia) sorgt sie für eine enge und vor allem ausgeglichene Kooperation zwischen dem wirtschaftlich starken Südafrika und den restlichen Staaten des südlichen Afrikas. Durch die Regelungen der Zollunion bilden die fünf Länder ein einheitliches Wirtschaftsgebiet und den einzigen vollintegrierten Markt Afrikas. Die Zolleinnahmen der SACU werden in Relation zum intraregionalen Handel der Mitgliedsländer gesetzt und dementsprechend allokiert. Gleichzeitig werden die Einnahmen aus Verbrauchsteuern zu 85% gemäß dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Länder geteilt, 15% fließen in einen Entwicklungsfonds.
Motor der Region
Südafrika hat seine führende Rolle in der SACU nicht ohne Grund: Das Land am Kap der Guten Hoffnung gilt traditionell als Anziehungspunkt für Investoren, überzeugt außer mit wirtschaftlicher und politischer Stabilität mit einer guten Infrastruktur, guten Investitionsbedingungen und einem leistungsfähigen Bankensystem. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) steigt kontinuierlich – nicht zuletzt deshalb, weil in der führenden afrikanischen Wirtschaftsnation 75% der erfolgreichsten Unternehmen des Kontinents ansässig sind. Seinen Wohlstand hat das Land vor allem dem Bergbau, dem Finanzsektor und einer dynamischen Landwirtschaft zu verdanken.
In der Summe bietet Südafrika damit viele attraktive Möglichkeiten für Investoren – sei es aufgrund seiner Demographie, der diversifizierten und produktiven Wirtschaft, reichlich vorhandener natürlicher Ressourcen oder eines transparenten Rechtssystems. Besonders Investitionen in die Technologie, im Einzelhandel, zum Teil im Gesundheitswesen und in der privaten Bildung haben sich in der Vergangenheit als erfolgreich erwiesen.
Herausforderungen, vor denen das Land um Präsident Ramaphosa steht, gibt es allerdings auch. Obwohl das Ende der Apartheid lange zurückliegt, sind deren Folgen noch heute spürbar. Um hier wieder ein Gleichgewicht zwischen schwarzer und weißer Bevölkerung herzustellen, muss das Pro-Kopf-BIP noch deutlicher steigen und vor allem fairer verteilt werden. Auch im Finanzsystem besteht noch Nachholbedarf. Zwar hat sich die Währung des Lands – der Rand – im Kern relativ stabilisiert, jedoch verfügt Südafrika über wenig nationale Ersparnisse und ist auf Auslandskapital angewiesen. Ramaphosa hat in diesem Bereich schon Reformen angekündigt, die nun umgesetzt werden müssen.
SACU trägt Früchte
Auch Namibia gehört zu den aufstrebenden Ländern im Süden Afrikas – und ist dabei ein gutes Beispiel für eine erfolgreiche regionale Integration. Bei gerade einmal 2,5 Millionen Einwohnern handelt es sich um eine vergleichsweise kleine, dafür aber umso vielfältigere Wirtschaft – ihr Angebot reicht vom Bergbau über den Handel bis zum Tourismus. Aktuell wird vor allem viel in die Entwicklung der Wasserinfrastruktur, in die Stromerzeugung sowie insbesondere in den Ausbau von Straßen, Schienen und Häfen investiert.
Das Land erzielt damit bemerkenswerte Erfolge: Nach eher schwächeren Jahren wird für die kommenden 24 Monate ein BIP-Wachstum von bis zu 3,3% erwartet. Dieser Aufschwung bietet eine gute Möglichkeit für grenzüberschreitenden Handel, ganz besonders für deutsche Unternehmen bzw. Länder der EU, die ohnehin eine der wichtigsten Exportdestinationen für namibische Bergbauprodukte ist.
Der Erfolg Namibias zeigt, wie wichtig die Regionalisierung für Schwellenländer und eher unterentwickelte Wirtschaften ist. Denn die SACU sorgt dafür, dass ärmere Länder vom Erfolg ihrer Zugpferde profitieren. So hat neben Namibia auch Botswana kräftig aufgeholt und gilt als kleines Südafrika. Gleichzeitig sind Lesotho und eSwatini noch immer sehr abhängig von den Leistungen der anderen. Deshalb wird aktuell daran gearbeitet, die wirtschaftliche Durchschlagskraft des Bündnisses durch internationale Kooperation noch weiter zu stärken. Entscheidende Partner sind zum einen China, zum anderen Indien und Japan.
Asien investiert immens
China interessiert sich schon länger für die SACU-Zone. Im Zuge der Belt-and-Road-Initiative (BRI), die nicht nur, aber besonders auf Ostafrika abzielt, ist auch ein Ausbau der Beziehungen zum südlichen Afrika denkbar. Die geplante BRI in Afrika ist dabei nicht nur eine langfristige und ehrgeizige Initiative, es ist auch eine große finanzielle Herausforderung. Als ersten Schritt wollen die chinesischen Banken deshalb zunächst ihre Präsenz in den entsprechenden Regionen der SACU erhöhen. Wichtig ist, dass die Kosten der einzelnen Projekte auch an die finanzielle Situation der jeweiligen Staaten angepasst werden. Auf diese Weise profitieren die Mitglieder der SACU gleich dreifach: einfachere Handelswege und bessere In-frastruktur mit bereitgestellter Finanzierung.
Ebenfalls den Fokus auf die SACU legt der Asia-Africa Growth Corridor von Indien und Japan. Was man als Konkurrenz zur BRI sehen könnte, ist im Ansatz jedoch etwas ganz anderes. Im Gegensatz zu Chinas hauptsächlichem Schwerpunkt Verbesserung der Infrastruktur verfolgt der Growth Corridor gleich vier ehrgeizige Ziele: Entwicklung und Zusammenarbeit, nachhaltige und belastbare Infrastruktur, Verbesserung der Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie Förderung von Partnerschaften. Das Ziel ist die Vernetzung zwischen Afrika und der Region des Indischen Ozeans.
Die Zeichen stehen also deutlich auf Wandel im südlichen Afrika – sei es durch Bündnisse wie die SACU oder durch asiatische Initiativen. Sicher ist: Die Länder der Region stehen in den kommenden Jahren vor großen Veränderungen und Herausforderungen – Herausforderungen, die aber auch attraktive Chancen mit sich bringen, nicht nur für die betroffenen Länder, sondern auch für deutsche Unternehmen.
christian.toben@commerzbank.com