Exportrechtliche Konflikte bei der Fortsetzung des Iran-Geschäftes können gelöst werden, wenn Anträge auf Ausnahmen bei den EU- und US-Behörden erfolgreich sind.

Viele Exporteure fragen sich, wie sie sich dagegen wehren können, dass ihnen die US-Regierung mit völkerrechtswidrigen extraterritorialen Maßnahmen das Iran-Geschäft zerstört. Ist die EU-Antiboykott-VO 2271/96, die durch VO 2018/1100 und DVO 2018/1101 novelliert wurde, eher Fluch oder Segen? Wie können sich betroffene Exporteure konkret wehren?

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These 1: Das EU-Abwehrgesetz hat mehr als nur symbolische Bedeutung.

Zur symbolischen Bedeutung: Natürlich konnte die EU-Kommission nicht tatenlos mitansehen, dass EU-Unternehmen vor allem durch das US-Iran-Sekundärembargo – es betrifft nur Nicht-US-Personen – der Iran-Handel in den besonders betroffenen Wirtschaftssektoren (Iran-Handel mit rohen und halbfertigen Metallen, Kohle, Automobilsektor, Erdöl, Petrochemieprodukte, Energie) unmöglich gemacht wird. Hinzu kommt, dass Nicht-US-Personen US-Sanktionslisten auch dann beachten müssen, wenn diese mit Sekundärsanktionen gelistet sind, zumindest dann, wenn es ein „erhebliches“ Geschäft sein kann. Was hätte die EU denn tun sollen? Einfach tatenlos zusehen, wie die US-Regierung mit völkerrechtswidrigen extraterritorialen Maßnahmen das Iran-Geschäft dieser besonders betroffenen EU-Unternehmen zerstört? Die EU ist eine Rechtsgemeinschaft, die dazu verpflichtet ist, die Grundrechte der EU-Unternehmen zu schützen, inklusive des Grundrechts der Außenwirtschaftsfreiheit.

Und die EU hat hier mit der Novellierung der Antiboykott-VO durchaus eine bedingt effektive rechtliche Regelung geschaffen, durch welche den betroffenen EU-Unternehmen eine Möglichkeit an die Hand gegeben wird, sich vor den Auswirkungen v.a. der US-Iran-Sekundärsanktionen zu schützen. Sollten ihre Anträge bei den EU- und US-Behörden erfolgreich sein, können sie ihr Iran-Geschäft trotz der US-Beschränkungen fortsetzen.

These 2: Der bedingt effiziente Schutz ist zweistufig.

Schritt 1

Zuerst muss bei der EU-Kommission ein Antrag nach Artikel 5 Absatz 2 der Antiboykott-VO eingereicht werden, um dem betroffenen EU-Unternehmen ausnahmsweise zu erlauben, die im Anhang der Verordnung genannten US-Akte auch in der EU befolgen zu dürfen. Dieser Antrag wird im Zweifel dann erfolgreich sein, wenn zwei Punkte nachgewiesen werden: Erstens ist nachzuweisen, dass erhebliche Verluste entstehen, wenn diese Iran-Geschäfte allein wegen der US-Iran-Sekundärsanktionen nicht mehr fortgesetzt werden können, so dass die Wirtschafts- und Außenwirtschaftsfreiheit des Unternehmens gefährdet ist. Zweitens sollte nachgewiesen werden, dass eine spezifische Verbindung zu den USA besteht, so dass die Gefahr von US-Sanktionen gegen dieses EU-Unternehmen sehr wahrscheinlich ist.

Erst nach einem positiven Beschluss der EU-Kommission ist das Risiko gebannt, dass das EU-Unternehmen eine Geldbuße in Deutschland wegen des Abbruchs des Iran-Geschäftes allein aufgrund des US-Iran-Embargos zahlen muss (sog. Antiboykottverstoß nach § 7 AWV), und bei US-Behörden bedeutet die Durchführung eines EU-Verfahrens in jedem Fall einen Milderungsgrund.

Schritt 2

Jetzt kann das betroffene EU-Unternehmen bei den US-Behörden eine Ausnahmegenehmigung beantragen. Vorher ist dies nicht möglich, weil ohne einen positiven Bescheid der EU-Kommission das EU-Unternehmen mit dem sofortigen Antrag bei den US-Behörden zeigen würde, dass es willens ist, das völkerrechtswidrige extraterritoriale US-Iran-Embargo auch in der EU zu beachten (dann würde sofort die Geldbuße nach § 7 AWV drohen).

Die einzige Frage ist, ob und unter welchen Umständen ein Ausnahmeantrag bei den US-Behörden erfolgreich ist. Je nach Fallgestaltung sind – neben der Ablehnung des Antrags – sowohl unbefristete als auch befristete Ausnahmen denkbar. Eine befristete Ausnahme bietet sich vor allem dann an, wenn das Office of Foreign Assets Control (OFAC) davon überzeugt werden kann, dass wegen des Altvertrags eine Übergangsregelung zwingend erforderlich ist; der Vertrauensschutz ist dem OFAC durchaus bekannt, so sind etwa bei den US-Embargos gegen die russischen Oligarchen Übergangsregelungen durch entsprechende Allgemeingenehmigungen (auf Druck der betroffenen Wirtschaft) geschaffen worden.

Lehre aus dem US-Kuba-Embargo

Es gab eine österreichische Bank, die wegen der neuen US-Eigentümer sämtlichen kubanischen Kunden das Konto kündigen wollte. Die Regierung Österreichs drohte dieser Bank deshalb ein hohes Bußgeld an. Daraufhin bat die Bank um einen Aufschub und beantragte eine Ausnahmegenehmigung beim OFAC in den USA. Sie erhielt diese und machte die Kündigung der kubanischen Kunden ­wieder rückgängig. Daraufhin verzichtete die österreichische Regierung auf das Bußgeld gegen diese Bank. Dieses Beispiel aus den 90er Jahren zeigt, dass die Antiboykottregelung zum Schutz vor extraterritorialen US-Embargos gegen Iran und Kuba durchaus zum Erfolg führen kann.

Wirtschaftlicher Schaden maßgeblich

Vor allem Mittelständler sollten das Instrument der Beantragung einer Ausnahmegenehmigung nutzen. Denn gerade sie dürften leichter in der Lage sein, erhebliche wirtschaftliche Einbußen wegen des US-Iran-Embargos nachzuweisen. Denn bei ihnen dürfte es prozentual um einen sehr viel höheren Gewinneinbruch als bei einem großen Konzern gehen.

Der Aufwand für das Ausfüllen des EU-Fragebogens und die dazugehörige rechtliche Prüfung („Welche Rechtsakte des US-Iran-Sekundärembargos behindern erheblich die Fortsetzung des Iran-Geschäfts?“ und: „Sind dies US-Rechtsakte, die im Anhang der Antiboykott-VO genannt sind?“ etc.) sind überschaubar, so dass auch Mittelständler sich die Prüfung ohne weiteres leisten können.

Es wird aufgrund von Telefonaten mit der EU-Kommission vermutet, dass ein solches EU-Verfahren in ca. zwei bis drei Monaten (evtl. etwas mehr) durchgeführt werden könnte. Somit ist der finanzielle und zeitliche Aufwand für einen solchen EU-Antrag durchaus auch für Mittelständler beherrschbar.

These 3: Die z.T. hämischen Kommentare in der Presse können zum größten Teil widerlegt werden.

In der Presse finden sich Kommentare wie, dies diene eher den politischen Interessen der EU, aber kaum den wirtschaftlichen Interessen der EU-Unternehmen. Das „Handelsblatt“ kommt am 30. Januar 2019 sogar zu dem Ergebnis, dass die Blocking-Regulation ein „Fehlschlag“ sei, weil bisher kein einziges Bußgeldverfahren wegen Verstoßes eingeleitet worden sei und weil erst drei Unternehmen den erwähnten Antrag nach Artikel 5 Absatz 2 gestellt hätten. Richtig ist erstens, dass die Anzahl mindestens viermal so hoch ist, wie ein Anruf bei der EU ergab, und zweitens, dass wir uns hier in einer Übergangsphase befinden, weil die Novelle vom August 2018 stammt. Bisher sind Bußgeldverfahren kaum konsequent durchgesetzt worden, und bisher ist den meisten EU-Unternehmen das Antragsverfahren bei der EU-Kommission noch unbekannt. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass dies in der Übergangszeit noch nicht ganz „rundläuft“. Aber das sollte nicht dazu führen, diese EU-Verordnung als überflüssig anzusehen.

Eigene Erfahrungen

Stattdessen sollten wir uns bemühen, möglichst vielen betroffenen EU-Unternehmen die Botschaft nahezubringen, dass sämtliche exportrechtlichen Konflikte bei der Fortsetzung des Iran-Geschäftes dann gelöst werden können, wenn die Anträge bei den EU- und US-Behörden erfolgreich sind (vgl. auch das Beispiel der österreichischen Bank). Um ein weiteres Beispiel zu nennen: Gegen einen deutschen Lieferanten, der sich wegen des US-Iran-Embargos plötzlich weigerte, eine deutsche Firma für einen Iran-Auftrag zu beliefern, haben wir Anzeige wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 7 AWV eingereicht. Und wir haben vor acht Wochen einen ersten EU-Antrag nach Artikel 5 Absatz 2 eingereicht, und es sind noch weitere in Vorbereitung.

Nur wenn die betroffenen EU-Unternehmen verstehen, dass dieses Verfahren durchaus dazu dienen kann, ihr Iran-Geschäft (trotz des bestehenden US-Iran-Sekundärembargos) fortzusetzen, ohne US-Sanktionen befürchten zu müssen, wird die Antiboykott-VO zu einem Segen für die betroffenen EU-Unternehmen werden. Es kann keine Lösung sein, dass sie stattdessen einfach „den Kopf in den Sand stecken“ und sich gezwungen sehen, das Iran-Geschäft allein wegen des US-Iran-Embargos aufzugeben. Vorher sollten sie wenigstens den Versuch unternehmen, ihr Iran-Geschäft über den Antrag bei EU- und US-Behörden zu „retten“. Sollte dies erfolgreich sein, können sie ihr Iran-Geschäft gefahrlos fortsetzen, falls nicht, sollten sie es abbrechen. Von daher sehen wir gegenwärtig mehr Chancen als Belastungen.

These 4: Auch eine Entschädigung ist denkbar.

Gemäß Artikel 6 der Verordnung haben EU-Unternehmen Anspruch auf Ersatz aller Schäden (einschließlich Rechtskosten), die ihnen aufgrund der Anwendung der im Anhang zur VO genannten US-Akte entstanden sind. Ein solcher Schadensersatz kann vor den Gerichten eingeklagt werden; wegen der internationalen Zuständigkeit vgl. die VO 1215/2012. Es dürfte in der Praxis etwas aufwendig sein, wenn der Schadensverursacher allein in den USA niedergelassen ist. In dem o.g. Beispiel geht es aber z.B. um ein deutsches Unternehmen, das wegen der Weigerung zur mittelbaren Iran-Belieferung schadensersatzpflichtig werden kann. Hier dürften die Chancen auf Erfolg sehr viel realistischer sein.

Wegen aktueller Hinweise zum EU-Exportrecht inkl. Antiboykottrecht vgl. HIER und zum Iran-Embargo vgl. HIER.

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