Umfangreiche Investitionen in die Infrastruktur und die industriellen Produktionskapazitäten Vietnams bieten Unternehmen aus Deutschland vielfältige Chancen. Das Land hat das Ziel, im Jahr 2035 zu den „High-Income-Countries“ zu gehören. Dazu muss das Pro-Kopf-Einkommen von derzeit rund 2.000 USD kräftig steigen. Freihandelsabkommen und Reformen sollen dabei helfen, die derzeit hohen Wachstumsraten langfristig zu halten.

Von Phung-Phuong Lan, Leiterin Repräsentanz in Ho-Chi-Minh-Stadt, BHF-BANK

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Während Volkswirtschaften wie China, Indonesien und Thailand, die lange erfolgreich waren, gegenwärtig mit vielfältigen Problemen fertig werden müssen, hat Vietnam neuen Schwung aufgenommen. Mit einem Wachstum von 6,5% bis 7% in den Jahren 2015 und 2016 zählt das Land mit seinen inzwischen deutlich über 90 Millionen Einwohnern derzeit zu den wachstumsstärksten Volkswirtschaften der Welt. Neue Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union und den Pazifik­anrainern werden Vietnam mit großer Wahrscheinlichkeit weiteren Schub geben.

Erweiterte Marktchancen durch ASEAN und TPP

Vietnam ist Mitglied im Verband Südostasiatischer Nationen („Association of Southeast Asian Nations“, ASEAN) und will sich am Freihandelsabkommen „Trans-Pacific Partnership“ (TPP) beteiligen. In der ASEAN haben sich Brunei, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia, Myanmar, die Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam zusammengeschlossen. Unter anderem planen diese Staaten, einen gemeinsamen Wirtschaftsraum nach dem Vorbild der EU zu schaffen. Im November 2015 beschlossen sie die Gründung der „Asean Economic Community“. Der rund 600 Millionen Einwohner zählende Wirtschaftsraum soll ein Binnenmarkt mit freiem Waren- und Kapital­verkehr und Arbeitnehmerfreizügigkeit werden. Mit der ASEAN wollen die südostasiatischen Staaten ein Gegengewicht zu China und Indien schaffen.

Anfang Februar hat Vietnam zusammen mit Australien, Brunei, Chile, Japan, Kanada, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur und den USA das Freihandelsabkommen TPP unterzeichnet, dessen Ratifikation durch die Parlamente allerdings noch aussteht.

TPP soll Handelshürden beseitigen und für gemeinsame Standards sorgen. Im Kreis der am TPP beteiligten Staaten ist Vietnam der am wenigsten entwickelte Partner und macht sich deshalb besondere Hoffnungen, hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Entwicklung eine Aufholjagd beginnen zu können. Verstärkte Investitionen aus den USA könnten hierzu einen Beitrag leisten. Durch die Einbindung in ASEAN und TPP wird Vietnam durch den erleichterten Marktzugang für andere Länder zu einem interessanten Standort. Insbesondere chinesische Firmen errichten verstärkt Produktionsanlagen in Vietnam.

Im Dezember 2015 hat Vietnam auch mit der EU ein Freihandelsabkommen unterzeichnet. Im Laufe der nächsten sieben Jahre sollen nahezu alle Zölle im Handel zwischen der EU und Vietnam abgebaut werden. Der Handel zwischen den beiden Partnern hat in den vergangenen Jahren bereits deutlich zugenommen.

Gute Rahmenbedingungen für ausländische Investoren

Neben der Einbindung des Landes in internationale Wirtschaftsräume und Freihandelsverträge findet Vietnam auch aufgrund des nach wie vor niedrigen Lohnniveaus das Interesse von Investoren aus China und auch aus Thailand. Weitere Faktoren, die Vietnam als Produktionsstandort und als Absatzmarkt interessant machen, sind die stark steigende Bevölkerungszahl, die Verfügbarkeit eines großen Potentials sehr motivierter Arbeitskräfte sowie eine steigende Kaufkraft bei zugleich großem Nachholbedarf beim Konsum. Hohe Konsumausgaben verhelfen dem Dienstleistungssektor zu einer guten Entwicklung. Die Inflation ist sehr niedrig, die Stimmung in der Wirtschaft zuversichtlich. Die Privatisierung von Staatsunternehmen kommt nach und nach weiter voran.

Die Lage der Banken hat sich verbessert, auch wenn es noch Sorgen bezüglich der Kreditausfallquote gibt. Im Sommer 2013 wurde eine staatliche Bad Bank eingerichtet, die von den Geschäftsbanken not­leidende Kredite übernahm, nachdem insbesondere Fehlspekulationen am Immobilienmarkt zu Belastungen geführt hatten.

„Vietnam 2035“

Im Februar 2016 veröffentliche die Weltbank auf Initiative der vietnamesischen Regierung den Report „Vietnam 2035“, der aufzeigt, wie sich das Land im Laufe der nächsten 20 Jahre zum „High-Income-Country“ entwickeln kann, wie es zum Beispiel Südkorea derzeit schon ist. Die Weltbank-Experten empfehlen eine ­Verbesserung der Wettbewerbschancen für Privatunternehmen, raten vor dem Hintergrund der niedrigen Produktivität zu mehr Innovation und einem Ausbau der Infrastruktur, um vor allem die Städte besser mit dem Umland zu verbinden. Nach Einschätzung der Weltbank ist es zudem unabdingbar, das soziale Un-gleichgewicht abzubauen und sozial Be-nachteiligte besser und dauerhaft zu integrieren. Es müsse ein Staat entstehen, der auf einem modernen Rechtssystem fuße und wirtschaftlich wettbewerbs­fähig sei.

Aktuelle Projekte bieten Chancen für Exporteure

In Vietnam werden derzeit viele große Infrastrukturprojekte vorangetrieben, die auch für Unternehmen aus Deutschland Chancen bieten können. Das Schnellstraßennetz und die Bahnverbindungen sollen ausgebaut werden. Mehrere neue Flughäfen sind geplant, bestehende sollen ausgebaut werden. In der 8-Millionen-Einwohner-Metropole Ho-Chi-Minh-Stadt soll ein flächendeckendes U-Bahn-System entstehen. Eine erste U-Bahn-Strecke wird gebaut, eine zweite Strecke ist in Planung. Der Masterplan sieht den Bau von insgesamt sieben Linien vor. Siemens ist bei diesem Großprojekt als Berater engagiert. Im Zuge der Urbanisierung des Landes entstehen in den Wirtschaftszentren Zehntausende neue Wohnungen. In Ho-Chi-Minh-Stadt ist daran auch ein deutsches Architekturbüro beteiligt.

Aufgrund der Bestrebungen, Produktionsanlagen auszubauen und zu modernisieren, bestehen gute Exportmöglichkeiten für die sehr angesehenen deutschen Maschinenhersteller. Bekanntes Beispiel ist die Textilindustrie. Vietnam ist nach wie vor einer der weltweit wichtigsten Produktionsstandorte der Bekleidungsindustrie, die 10% zur industriellen Wertschöpfung des Landes beiträgt. Da ein zollfreier Export unter TPP nur erlaubt sein wird, wenn 55% der Wertschöpfung in den Mitgliedstaaten erbracht werden, ist Vietnam bestrebt, eine eigene Produktion von Fasern und Stoffen aufzubauen. Bisher werden diese in hohem Maß als Vorprodukte aus China bezogen. Auch Baumaschinen und Medizintechnik sind sehr gefragt, medizinische Geräte werden nahezu durchweg importiert.

Deutsche Unternehmen sind wichtige Partner

Deutschland ist der wichtigste Handelspartner Vietnams in Europa. 2015 betrug das Handelsvolumen rund 9 Mrd USD. Die deutschen Exporte nach Vietnam stiegen im vergangenen Jahr um 22%, machen für Vietnam aber nur 1,6% der Gesamteinfuhren aus. Bei den ausländischen Direkt-investitionen liegt Deutschland in Vietnam nur auf Position 22. Firmen aus Deutschland haben bei der Lieferung von Pharmazeutika sowie von Kraftfahrzeugen und Maschinen einen besonders hohen Importanteil. Zu den Stärken deutscher Unternehmen zählen aus Sicht der Vietnamesen neben der Produktqualität auch gute Aftersales-Leistungen. Bemängelt wird allerdings zuweilen eine geringe Flexibilität. Am erfolgreichsten sind Unternehmen, die direkt mit einer Repräsentanz oder einem Agenten in Vietnam präsent sind.

Fazit

Für den geschäftlichen Erfolg in Vietnam sind gute Verbindungen vor Ort nötig. Die Konkurrenz ist groß, und bei staatlichen Firmen erfolgen durchweg offene Ausschreibungen, die mit hohen formalen Anforderungen verbunden sind. Unterstützt durch gute Beratung, sollten sich Unternehmen jedoch davon nicht abschrecken lassen. Vietnam bietet wegen der hohen Investitionen und des immensen Nachholbedarfs beim Konsum viele Möglichkeiten. Die BHF-BANK ist seit über 20 Jahren mit einer Repräsentanz in Vietnam vertreten und steht deutschen Exporteuren mit umfassendem landesspezifischem Know-how und persönlicher Beratung zur Seite.

Kontakt: lanphungphuong@bhf-bank.com

 

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