In Vietnam treibt der Staat den Ausbau erneuerbarer Energien seit dem Jahr 2016 durch eine staatliche Initiative voran. Bis 2030 sollen die Windkraftkapazitäten auf 6 GW gesteigert werden. Dabei zeigt sich: Vietnamesische Investoren setzen bei Windkraft vor allem auf europäische Technologie.

Vietnam braucht mehr Strom und setzt zunehmend auf erneuerbare Energien. Europäische Windkrafttechnik steht dabei hoch im Kurs. Windturbinenherstellern bieten sich große Chancen, da die Wahl des Exporteurs für viele Projekte noch aussteht.

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Im März 2019 besuchte der vietnamesische Industrieminister Nguyen Chi Dung Deutschland. Er war auf Werbetour für sein Land – und buhlte um ein stärkeres Engagement deutscher Investoren. Dung signalisierte: In Zeiten von Protektionismus und wirtschaftlicher Abschottung bleibt Vietnam aktiv um Partner aus dem Ausland bemüht. Schließlich ist der südostasiatische Staat über zahlreiche Freihandelsabkommen in die internationale Wertschöpfungskette eingebunden. Seit Anfang des Jahres gilt beispielsweise das „Comprehensive and Progressive Agreement for the Trans-Pacific Partnership“ (CPTPP) – ein neues Handelsabkommen zwischen Australien, Brunei, Kanada, Chile, Japan, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur und eben Vietnam. Auch europäische Exporteure können sich freuen, schließlich steht das „EU-Vietnam Free Trade Agreement“ in den Startlöchern. Es muss nur noch vom neuen EU-Parlament verabschiedet werden – Anfang 2020 könnte es dann in Kraft treten.

Europäische Exporteure finden in Vietnam derzeit ein optimales Wachstumsumfeld. Die Wirtschaft wächst stark, im vergangenen Jahr beispielsweise um 7,1%. In den ersten drei Monaten 2019 lag das Wachstum bei ebenso beachtlichen 6,8%. Treiber des Aufschwungs ist vor allem die verarbeitende Industrie, die mit zweistelligen Zuwachsraten aufwartet. Auch die steigenden vietnamesischen Exporte – insbesondere von Elektronik und Elektrotechnik – schieben das Wachstum an, ebenso die anhaltende Konsumfreude der wachsenden vietnamesischen Mittelschicht. Nicht nur Vietnam geht es gut, die gesamte Region Südostasien wächst stark. Es wundert also kaum, dass zahlreiche Unternehmen dem Lockruf von Minister Dung folgen. Deutsche Firmen genießen einen ausgezeichneten Ruf in Vietnam. Das liegt vor allem an der Qualität von Produkten und Dienstleistungen sowie dem exzellenten Know-how der Ingenieure.

Windturbinen für Vietnam

Heute bilden unter anderem Windkraftprojekte ein Wachstumsfeld für Inves­toren. Der Strombedarf der vietnamesischen Wirtschaft sowie der Endverbraucher wächst: Laut dem National Load Dispatch Center stieg der Verbrauch des ­Landes von 2013 bis 2017 um durchschnittlich mehr als 11%. Auch in den kommenden Jahren dürften die Vietnamesen durch die zunehmende Industrialisierung und eine wachsende private Stromnutzung immer mehr Energie benötigen. Experten schätzen, dass der Strombedarf einmal mehr um über 10% steigen dürfte.

Lösungen dafür kommen immer häufiger aus Europa. Der dänische Exporteur Vestas beispielsweise liefert gerade Windturbinen im Wert von rund 21 Mio EUR für den Windpark „Huong-Linh 1“. Die Landesbank Baden-Württemberg hat den Auftrag federführend finanziert. Sie stellte Vestas eine Exportfinanzierung zur Verfügung, die von der dänischen Exportkreditversicherung EKF zu 95% gedeckt wurde. So legte die Bank den Grundstein für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Vestas und dem vietnamesischen Projektentwickler und Investor Tân Hoàn Cầu. Gerade langfristige Finanzierungen gehen mit einigen Herausforderungen einher, die einen starken Bankpartner unverzichtbar machen.

Zahlreiche europäische Unternehmen sind Teil dieses wachsenden Industriezweigs, besonders Windturbinen sind weltweit gefragt. So auch in Vietnam, wo der Staat den Ausbau erneuerbarer Energien seit dem Jahr 2016 durch eine staatliche Initiative vorantreibt. Bis 2030 sollen die Windkraftkapazitäten auf 6 GW gesteigert werden. Aktuell beträgt die ans Netz angeschlossene Kapazität lediglich 327 MW. Aber rund 80 weitere Windkraftprojekte sind bereits genehmigt und in der Entwicklungsphase. Dabei zeigt sich: Vietnamesische Investoren setzen bei Windkraft vor allem auf europäische Technologie von Firmen wie Enercon, GE Wind, Nordex, Siemens Gamesa und eben Vestas.

Herausforderung Finanzierung

Das Hướng-Linh-1-Projekt gilt für die gesamte Windenergiebranche Vietnams als signifikanter Meilenstein und Wegbereiter für weitere Finanzierungen im Bereich erneuerbarer Energien. Bislang beschränken sich die Finanzierungslösungen im Land weitgehend auf lokale Bankkapazitäten, die sich bei der Finanzierung von Projekten im Bereich erneuerbarer Energien allerdings zum Teil noch zurückhalten. Zwar gibt es das staatliche Power-Purchase-Agreement (PPA), eine langfristige Stromkaufvereinbarung zwischen der Regierung und dem größten Stromproduzenten des Landes EVN. Diese Vereinbarung gilt aber bei ausländischen Investoren aufgrund verschiedener Risiken zurzeit nicht als bankfähig. Staatliche Garantien, wie einst vom Finanzministerium, gibt es seit März 2017 nicht mehr.

Umso bedeutender sind ECA-gedeckte Exportfinanzierungen, die für alle Vertragspartner Vorteile mit sich bringen. Auf der einen Seite steht der lokale Importeur, der dadurch überhaupt erst die notwendigen Finanzierungsmöglichkeiten erhält. Eine ECA-gedeckte Finanzierung ist langfristig angelegt und stellt eine günstige Finanzierungsalternative dar: Die Zinsen liegen, je nach Währung, mit 5% bis 8% deutlich unter denen lokaler Finanzierungen mit bis zu 11% jährlich. Auf der anderen Seite profitiert auch der Exporteur: Er hat kein finanzielles Risiko und zugleich ein vertriebsunterstützendes Instrument – denn oft scheitern Geschäfte wegen knapper Finanzmittel bzw. der fehlenden Verfügbarkeit langfristiger Finanzierungen im lokalen Markt.

Die Finanzierung des Vestas-Projekts war eine Selbstverständlichkeit für die LBBW – immerhin zählt Nachhaltigkeit zu den vier strategischen Stoßrichtungen der Bank. Nicht nur das Projekt, sondern auch die Finanzierung erfüllt die Environmental-and-Social-Impact-Assessment(ESIA)-Standards der Weltbank. In der Umwelt- und Sozialverträglichkeitsstudie ESIA werden negative ökologische und soziale Effekte analysiert, beurteilt und, sofern notwendig, mitigiert.

Kompetente Partner vor Ort

Wer in Südostasien Fuß fassen will, findet im German Centre in Singapur eine erste Anlaufstelle für die gesamte Region. Dort nutzen mehr als 150 Firmen Büroräume, Ausstellungsflächen und den Erfahrungsschatz von Kollegen vor Ort. Auch in Vietnam gibt es Unterstützung: Die LBBW-Tochter German Centre for Industry and Trade GmbH, zu der die German Centres gehören, hat im April 2019 eine Kooperation mit der Außenhandelskammertochter German Business Incubator Vietnam geschlossen. Außerdem unterhält die LBBW Niederlassungen in Südkorea und Singapur sowie Repräsentanzen in Indien, China, Usbekistan, Indonesien und in Vietnam.

ECA-gedeckte Finanzierungen gehören zum Kerngeschäft. Immer wieder kommen darüber hinaus aber auch neue Finanzierungsinstrumente zum Einsatz – zum Beispiel Schuldscheindarlehen. Vor kurzem hat die LBBW gemeinsam mit der KfW IPEX-Bank einen Schuldschein des indischen Mischkonzerns Reliance Industries (RIL) arrangiert. Der Debütschuldschein von RIL ist der erste einer asiatischen Firma, die auf diesem traditionell von deutschen Unternehmen dominierten Markt einen Schuldschein begibt. Südostasien ist also nicht nur für Investoren ein Wachstumsmarkt – sondern auch für Finanzierungslösungen.

marc.schlatter@lbbwsg.com

www.lbbw.de

 

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