Das Handelsabkommen mit Vietnam ist das umfassendste und ambitionierteste Abkommen, das bisher von der EU unterzeichnet wurde. Exporteure aus der EU sind ihren Konkurrenten aus anderen Ländern und Regionen, die bereits ähnliche Abkommen geschlossen haben, nun zumindest gleichgestellt.

Die bilateralen Handelsbeziehungen zwischen Vietnam und der EU haben sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten kontinuierlich verbessert. Mit dem 1. Juli 2019 kann nun ein weiterer wichtiger Meilenstein verzeichnet werden. In der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi wurde ein Handels- und Investitionsschutzabkommen unterzeichnet, das den Warenaustausch zwischen den beiden Parteien nochmals vorantreiben wird.

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Exporteure in der EU sind ihren Konkurrenten aus anderen Ländern und Regionen, die bereits ähnliche Abkommen geschlossen haben, nun zumindest gleichgestellt – wenn sie nicht gar bessergestellt sind. Gleichzeitig handelt es sich um eines der umfassendsten und ambitioniertesten Abkommen, die bisher von der EU unterzeichnet wurden.

Vietnam bleibt auf starkem ­Wachstumskurs

Vietnam gilt mit einem jährlichen Wirtschaftswachstum von 6,5% als eine der stabilsten und konsumfreudigsten Volkswirtschaften Asiens und als vielversprechender Zukunftsmarkt. Mit etwa 90 Millionen Einwohnern und einer durch die Wirtschaftsentwicklung stetig wachsenden, konsumfreudigen Mittelschicht sowie mit seinen jungen, dynamischen Arbeitskräften stellt das Land einen hochinteressanten Absatzmarkt dar. Mit  einem Handelsvolumen von etwa 50 Mrd EUR pro Jahr ist das Land einer der wichtigsten Handelspartner der anderen ASEAN-Staaten und der zweitgrößte nach Singapur.

Der Handel mit Europa hat sich stark verändert. Ursprünglich konzentrierte er sich auf Lebensmittel, Schuhe und Bekleidung, vieles davon aus einfacher Verarbeitung und mit geringer Mehrwertveredelung. Auch durch die Ansiedelung großer internationaler Hersteller werden nun hochentwickelte Produkte aus den Bereichen Smartphones, Scooter sowie Zubehör für den Transportbereich nach Übersee verschifft. In den vergangenen Jahren stiegen EU-Importe aus Vietnam durchschnittlich um ca. 13%, und die Warenausfuhr in die EU betrug etwa 19% des gesamten Exportwertes weltweit. Daneben kurbelte eine starke private Nachfrage das Wachstum an, und die Umsätze des Einzelhandels erreichten zu Jahresanfang umgerechnet ca. 40 Mrd USD, was einem Anstieg von 13,4% im Vergleich zum Vorjahr entspricht.

Handelsabkommen

Das EU-Vietnam-Abkommen zielt darauf, den Handel zwischen den beiden Parteien mit Hilfe eines vereinfachten Marktzugangs zu stärken. Um diese Aufgabe zu erfüllen, stehen am Ende der Implementierung die Abschaffung fast aller Zölle und die Liberalisierung des Handels. Hierfür sollen mit sofortiger Wirkung bei Inkrafttreten des Abkommens sowohl 65% der EU-Exporte nach Vietnam als auch 71% der EU-Importe von dort zollfrei erfolgen. Es ist vorgesehen, die weiteren Tarife während einer Übergangsperiode schrittweise aufzuheben, so dass sich vietnamesische Produzenten den Gegebenheiten anpassen können.

Besonders Exporte von Maschinen aus der EU sollen nach Inkrafttreten des Abkommens, das für etwa Anfang 2020 erwartet wird, im Lauf der Zeit vollständig von Zöllen befreit werden. Auch die Verbesserung des Marktzugangs für europäische Kraftfahrzeuge, Arzneimittel und Medizinprodukte war ein wichtiger Punkt bei den Verhandlungen. Nach einer Übergangsfrist sollen Fahrzeugteile, Motorräder und Kraftfahrzeuge spätestens nach zehn Jahren zollfrei exportiert werden.

Um in den Genuss dieser Zollerleichterungen zu kommen, muss der Ursprung der Waren in der EU bzw. Vietnam liegen. Die dafür bestehenden Ursprungsregeln knüpfen sowohl an die Regeln des Allgemeinen Präferenzsystems (APS) der EU in Bezug auf Entwicklungsländer als auch an die mit anderen Ländern wie Singapur oder Südkorea bereits bestehenden Freihandelsabkommen an. Bei diesen wird größtenteils für Vormaterialien ohne Ursprungsnachweis eine Wertschöpfungsregel zwischen 40% und 70% je nach Ware verlangt. In Bezug auf den Einsatz von Vormaterialien ohne Ursprungsnachweis sind die Bestimmungen im Handelsabkommen mit Vietnam jedoch etwas entgegenkommender als im südkoreanischen Abkommen. Hinsichtlich der Lieferung von Kraftfahrzeugen und -teilen können Abweichungen möglich sein. In der Regel erlaubt das Abkommen die Nutzung von 45% bzw. 50% an Vormaterialien ohne Ursprungsnachweis.

Für deutsche Maschinenbauer und Exporteure bietet das Abkommen somit hervorragende Rahmenbedingungen zur Ausweitung der Geschäftsbeziehungen. Wegen der bestehenden Expertise in Qualitätsmanagement und in der Produktion von Hightechgütern wird man als wettbewerbsfähiger und zuverlässiger Lieferant wahrgenommen. Die Fähigkeit zur Bereitstellung fortschrittlicher Technologien sowie hochentwickelter Maschinen und Ausrüstungen ist ein wichtiger Grundpfeiler der andauernden Diversifizierung des vietnamesischen Fertigungsbereichs. Die dynamische und aktive Industrie Vietnams wird sich deshalb sicherlich verstärkt in der EU nach Neuerungen umsehen und bei Ausweitung der bestehenden Fertigungslinien auch auf  Maschinen aus der EU zurückgreifen.

Darüber hinaus wurde auch ein Investitionsschutzabkommen geschlossen, welches Investitionen wesentlich sicherer machen soll. Der Kapitaleinsatz für den Aufbau einer Produktionsstätte, um von der Kostenstruktur und den qualifizierten Arbeitskräften zu profitieren und damit z.B. Lieferungen nach China und in den südostasiatischen Raum zu starten, genießt nach vollständiger Ratifizierung des Abkommens einen besseren Schutz.

Die Rolle Vietnams im Handelskrieg

Vom immer weiter eskalierenden Handelskrieg zwischen den USA und China profitiert Vietnam als einer der wenigen Märkte. Gründe hierfür sind die Verlagerung chinesischer, japanischer und süd­koreanischer Produktionsstätten nach Vietnam und die dadurch wachsenden Investitionen in das Land. Allein in den ersten fünf Monaten 2019 stammten von insgesamt 16,7 Mrd USD an Investitionen 7,2 Mrd USD aus China. Zudem stiegen die ausländischen Direktinvestitionen in den ersten drei Monaten um ganze 80% bzw. 3,8 Mrd USD im Vergleich zum gleichen Vorjahreszeitraum. Des Weiteren ist Vietnam wegen seiner strate­gischen Lage und weiterer Handelsabkommen ein attraktiver Standort für internationale Exporteure und Hersteller.

Finanzierungslösungen

Die Bankenlandschaft ist geprägt von vier großen Staatsbanken und wird durch zahlreiche Privatbanken ergänzt. Traditionell werden Importe aus der EU über eher kurzfristige Akkreditive abgewickelt. In einzelnen Bereichen werden jedoch auch Laufzeiten von bis zu drei Jahren in Anspruch genommen. Teilweise erfolgen Finanzierungen über sogenannte UPAS-Finanzierungen unter Akkreditiven (Usance-L/C Payable at Sight). Dabei werden üblicherweise Finanzierungslaufzeiten von 90 bis 360 Tagen dargestellt. Hierbei erhält der Exporteur die Zahlung nach erfolgter Lieferung bei Dokumentenvorlage, der Importeur leistet die Zahlung jedoch erst nach Ablauf der Finanzierung. Daneben kommen in jüngerer Zeit auch ECA-gedeckte Finanzierungen zur Anwendung. Hierdurch wird die Inanspruchnahme von Mitteln über eine Laufzeit von mehreren Jahren ermöglicht. So können bei langlebigen Kapitalgütern mit größeren Investitionswerten Finanzierungen über Zeiträume von fünf bis zehn Jahren und darüber in Anspruch genommen werden.

Europäische Exportunternehmen müssen sich bei ihren Verhandlungen auf andere Gepflogenheiten vorbereiten. Die Zahlungsbedingungen müssen oft individuell gestaltet und den Erwartungen angepasst werden, um allen Anforderungen zu entsprechen und Abschlüsse zu erzielen.

Ein verlässlicher lokaler Partner ist in diesem Zusammenhang sehr hilfreich. ODDO BHF ist seit 1987 in Vietnam tätig und seit 1993 als eine der ersten deutschen Banken mit einer Repräsentanz vertreten. Die jahrzehntelange Präsenz ermöglicht es der Bank, Geschäfte bestmöglich abzuwickeln und Unternehmen sowie deren Tochterunternehmen die großen Marktchancen zu erschließen, die Vietnam bietet. Selbstverständlich stellt ODDO BHF auch den in Vietnam bereits ansässigen Firmen bei ihren Verhandlungen gerne ihre Expertise zur Verfügung.

Lutz.Dunker@oddo-bhf.com

www.oddo-bhf.com

 

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