Die ecovium-Gruppe hat im Januar dieses Jahres den griechischen Datenanbieter Mantis übernommen. CEO Jasmino Burkic erläutert im Exklusivinterview mit dem „ExportManager“ diesen Zusammenschluss, die Mehrwerte von SCE-Lösungen und die Markenpositionierung.
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Herr Burkic, Ihr Unternehmen ist einer der Vorreiter bei Supply-Chain-Execution(SCE)-Lösungen. Warum finden Sie dieses Geschäftsfeld so spannend?
Jasmino Burkic: In meiner beruflichen Laufbahn habe ich mich schon immer schwerpunktmäßig mit der Transformation technologiegetriebener Geschäftsbereiche befasst. Konkret ging es dabei um die digitale Weiterentwicklung der Unternehmen, oft auf internationaler Ebene. Genau das treibt mich auch bei ecovium an. Wir brauchen stabile Supply-Chains, damit unsere globale Wirtschaft funktioniert. Und es gibt zahlreiche Risiken, die einen reibungslosen Ablauf der Supply-Chains beeinträchtigen: politische Spannungen, wirtschaftliche Sanktionen und Lieferengpässe oder auch Umwelteinflüsse. Effektive digitale Logistiklösungen helfen, diese Risiken abzuschätzen und rechtzeitig abzufedern. Hier intelligente und vor allem auch nachhaltige End-to-End-Ansätze zu entwickeln halte ich für eine sehr reizvolle und vielseitige Aufgabe.
Was sind die konkreten Mehrwerte von SCE-Lösungen für Unternehmen?
Die Digitalisierung hilft Unternehmen, die komplexen logistischen Prozesse der Supply-Chains besser steuerbar zu machen und auf Basis verlässlicher Daten die richtigen Entscheidungen zu treffen. Wir bieten unseren Kunden an jeder Stelle der Lieferkette die passende Lösung an. Dazu arbeiten wir bei ecovium in fünf Divisions: Shipping und Tracking; Customs, also Verzollung, und Compliance; Transportmanagement; Intralogistik und Lager; Hardware. Eine moderne SCE-Lösung ist die Summe all dieser Module, die intelligent über vorbereitete Schnittstellen miteinander verknüpft sind und über eine einheitliche Systemplattform, das Logistik-Cockpit, flexibel gemanagt werden. Dabei geht es uns nicht nur um die Entwicklung smarter IT-Lösungen, sondern auch um ein gelungenes Changemanagement der Logistikprozesse.
Wie kann man sich das vorstellen?
Vieles, was lange gut funktioniert hat, wird im Zuge der Digitalisierung auf den Prüfstand gestellt und muss ggf. verändert werden. Das geht nicht von heute auf morgen. Bei ecovium gehen wir hier den Weg, gemeinsam mit großen Unternehmen „Best Practices“ zu entwickeln und diese danach auch kleineren Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Bei der Arbeit an unseren SCE-Lösungen kooperieren wir außerdem mit verschiedenen Universitäten, in Bereichen wie Predictive Analytics, Big Data, Internet of Things oder Künstliche Intelligenz. Unser Anspruch bei ecovium ist es, Logistiklösungen mit einem Mehrwert sowohl für die Wirtschaft als auch für die Gesellschaft zu entwickeln. Daher beziehen wir immer auch den Nachhaltigkeitsaspekt unserer Arbeit mit ein.
Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?
Ja, die intelligente Kombination und Analyse von Daten entlang der gesamten Supply-Chain, die im Idealfall in Echtzeit vorliegen. Der Überblick hilft Unternehmen, selbst beim internationalen Versand Touren und Zustellzeiten zu optimieren und Leerfahrten zu vermeiden. Werden jetzt noch Informationen aus dem Lager einbezogen, lässt sich die Supply-Chain mindestens CO2-optimal gestalten. Unsere Kunden, die ja bereits die Vorzüge der einzelnen Lösungsmodule kennen, zeigen sich überzeugt von diesem ganzheitlichen SCE-Ansatz. Sie sind übrigens oft selbst Logistikdienstleister, wir arbeiten aber auch für zahlreiche Handels- und Industrieunternehmen. Unser Kundenstamm ist ein Querschnitt durch die gesamte Wirtschaft.
Die ecovium-Gruppe hat sich Anfang des Jahres mit dem griechischen Datenanbieter Mantis zusammengeschlossen. Was waren die Beweggründe für diese Übernahme?
Wir haben bei ecovium nicht nur aktuelle, sondern auch die zukünftigen Marktbedürfnisse im Blick. Wichtige Themen sind dabei die zunehmende Internationalisierung und Komplexität der Supply-Chains. Unternehmen benötigen umfassende, gut integrierbare SCE-Plattformen, die innerhalb kurzer Zeit einsatzbereit sind. Daher setzen sie gern auf Softwarelösungen, die sich bereits in ihren jeweiligen Märkten und heimischen Regionen bewährt haben. Vor diesem Hintergrund haben wir uns mit Mantis zusammengetan, um insbesondere den Unternehmen, die eine globale Abdeckung und Unterstützung suchen, Komplettlösungen anbieten zu können.
Wie ist der Zusammenschluss konkret über die Bühne gegangen? Worauf kam es an?
Unser erklärtes Ziel ist es, ecovium auf internationaler Ebene als Anbieter von nachhaltigen Logistiklösungen zu etablieren. Daher waren uns bei der Suche nach geeigneten Partnern deren globale Ausrichtung und ein gut funktionierendes Netzwerk zu Partnern und Kunden wichtig. Mantis hat sich bereits erfolgreich auf dem Weltmarkt als führender Anbieter für Lagerlogistiksysteme etabliert und sein umfangreiches Fachwissen ergänzt unsere Strategie perfekt. Durch den Zusammenschluss wird ecovium zu einem globalen Software- und Lösungsanbieter mit insgesamt mehr als 400 Mitarbeitern an 21 Standorten weltweit und rund 4.000 Kunden aus den unterschiedlichsten Branchen. Eine Übernahme ist häufig aufgrund unterschiedlicher Kulturen oder Systeme alles andere als einfach.
Wie weit ist die Integration inzwischen fortgeschritten und wo gibt es noch Potenzial?
Unsere Unternehmenskultur ist schon aufgrund unserer Historie von Diversität geprägt. ecovium ist hervorgegangen aus zwölf eigenständigen IT-Unternehmen, die aus unterschiedlichen Logistiksparten stammen und auch geografisch über Europa verteilt sind. Wir sehen die verschiedenen Perspektiven als absoluten Gewinn für die Gruppe und schätzen neben dem unglaublichen Fachwissen und Erfahrungsschatz unseres Teams gerade auch die Vielfalt der Meinungen. Eine vollständige Integration ist natürlich auch aus technischer Sicht eine große Aufgabe und vermutlich nie zu 100% abgeschlossen. In vielen Teilbereichen sehen wir aber jetzt schon die Vorteile, wenn Systeme und einzelne Module unkompliziert miteinander verzahnt werden können.
Welche Schnittpunkte gibt es zwischen ecovium und Mantis, in welchen Bereichen ergänzen sich beide Unternehmen?
Uns verbinden die Kundenzentrierung und die Innovationsfreude. Smarte Lösungen für die Herausforderungen unserer Kunden zu finden steht im Mittelpunkt unserer Arbeit. Außerdem zeichnen sich sowohl Mantis als auch ecovium durch die hohe Technologie- und Industrieexpertise ihrer Teams aus. Unsere Produkte sind führend in den jeweiligen Logistiksparten, denken Sie nur an die Warehouse-Management-Lösung LogControl WHM, die Multicarrier-Versandsoftware V-LOG, das Transroad-Transportmanagementsystem oder auch Lösungen wie die Zollsoftware Z-ATLAS und das Tracking-System Shiptrack, ergänzt durch das Hardwareportfolio von Panda Products. Nun kommt mit der Logistics Vision Suite (LVS) von Mantis noch ein weiteres Supermodul für den Lager- und Distributionsbereich hinzu. Mit diesen Erfolgsgaranten im Rücken arbeiten wir intensiv an der system- und bereichsübergreifenden Integration der Produkte, um unseren Kunden perfekt auf ihre Bedürfnisse abgestimmte SCE-Lösungen zu bieten. Im Hinblick auf die Märkte, in denen wir bisher bereits aktiv sind, ergänzen wir uns hervorragend. Während ecovium sich überwiegend auf den deutschsprachigen Raum konzentriert hat, operiert Mantis in Zentral- und Osteuropa, Nordamerika sowie Asien. Gemeinsam können wir also noch stärker auf dem internationalen Markt auftreten und haben das Ohr dabei immer ganz nah am Bedarf der Kunden. Das ermöglicht uns auch die Entwicklung branchenspezifischer SCE-Lösungen, wie etwa für den stetig wachsenden E-Commerce-Markt.
Wie haben Sie sich in der Führungsriege des neuen Unternehmens aufgestellt und was war dabei die Kernidee?
Wie erwähnt arbeitet ecovium in fünf Divisions entlang der Supply-Chain, um die Kunden genau da abzuholen, wo sie mit ihren Herausforderungen stehen: Customs, Warehouse, Shipping, Transport und Hardware. Divisionsübergreifend arbeiten wir an Business-Intelligence-Lösungen und bieten ganzheitliche Beratung und Services an. In diese Organisationsstruktur wird die Mantis Group unter dem Dach der ecovium Holding nahtlos integriert. Wir setzen auf unsere vereinte Logistikexpertise, die auf langjähriger Entwicklungs-, Beratungs- und Projektmanagementerfahrung basiert. So entwickeln wir ein End-to-End-Portfolio für Supply-Chain-Excellence, das integrierte Software und Hardware ebenso wie die dazugehörige Infrastruktur umfasst.
Welche strategischen Ziele verfolgen Sie in den nächsten Jahren mit der Marke ecovium?
Unser Ziel bei ecovium ist die Entwicklung nachhaltiger und wirtschaftlicher SCE-Lösungen für die gesamte internationale Logistikwertschöpfungskette. Unsere Kunden sollen sich auf funktionierende Lieferketten verlassen können und dabei im Idealfall Ressourcen einsparen, angefangen bei der Zeit bis hin zu Umweltressourcen. In vielen Bereichen bedeutet das, dass wir Bestehendes hinterfragen und neue Lösungswege einschlagen. Wir können die Herausforderungen der Lieferkette nicht zwingend alle beseitigen, aber Softwarelösungen werden durch die intelligente Verknüpfung von Daten entlang der Supply-Chain in der Lage sein, Probleme frühzeitig zu erkennen und – das ist der entscheidende Punkt – geeignete Alternativen vorzuschlagen. Wir sprechen in diesem Zusammenhang bei ecovium von der 360-Grad-Logistik, d.h., alle relevanten Parameter der Supply-Chain werden berücksichtigt, also auch Daten von partnerschaftlich verbundenen Unternehmen wie z.B. Lieferanten oder Speditionen. Um diese Parameter dann auch übersichtlich darzustellen, entwickeln wir das Logistik-Cockpit, das als Frühwarnsystem dient und rechtzeitig Handlungsalternativen anbietet. Eine spannende Rolle bei der Logistik-optimierung dürften auch Cloud-Lösungen spielen, die die Sammlung und Analyse verfügbarer Daten erleichtern.
Inwiefern?
Die Digitalisierung kann die vielschichtigen Prozesse der Logistik schneller und einfacher steuerbar machen. Die große Kunst besteht darin, aus dem hochkomplexen Datengeflecht eine Lösung zu gestalten, die den Menschen die Arbeit wirklich erleichtert. Dafür müssen alle Prozesse der Supply-Chain im Hintergrund zuverlässig ablaufen, während die Softwarelösung ihre Komplexität herunterbricht und auf übersichtliche und gut bedienbare Weise für die Anwender darstellt. Wir haben dafür den Begriff der „SimpleChain“ geprägt – eine SCE-Lösung, die völlig unabhängig vom jeweiligen Standort oder irgendwelchen Schnittstellen auf Knopfdruck alle relevanten Daten, Prozesse und Softwaremodule bereitstellt.
Lassen Sie uns bitte an Ihren konkreten Marketingschritten teilhaben. Wie gehen Sie genau vor?
Wir positionieren uns als End-to-End-Anbieter, der bei seinen Kunden nicht nur einzelne Module installiert, sondern entlang der gesamten Supply-Chain beratend und mit der Entwicklung geeigneter Lösung präsent ist. Daher arbeiten wir gemeinsam mit unseren Kunden intensiv daran, unsere Produkte der einzelnen Divisionen noch besser miteinander zu verzahnen und kunden- und branchenspezifische, komplett integrierbare SCE- bzw. „SimpleChain“-Lösungen daraus weiterzuentwickeln. Wir setzen mit unseren „SimpleChain“-Lösungen alles daran, dass unsere Kunden nachhaltiger agieren können. Eine so große Aufgabe lässt sich in Partnerschaften am besten meistern. Daher halten wir im Rahmen einer dezidierten Partneroffensive nach geeigneten Anbietern Ausschau, um potenziell in allen Bereichen Kooperationen zu starten.
Planen Sie bzw. Ihr Hauptinvestor weitere Akquisitionen?
Wir werden uns auch weiterhin darum bemühen, das Angebot von ecovium und die internationale Kundenbasis zielführend auszubauen. Wenn ein erneuter Zukauf das Angebot der ecovium-Gruppe signifikant stärken kann, schließen wir nicht aus, weitere interessante Partner und Lösungen hinzuzugewinnen.