Banken und Kapitalmarkt stürzen sich auf das Megathema Nachhaltigkeit. Ob all das ESG-Geld die Unternehmen wirklich nachhaltiger macht, ist fraglich. Intelligente Anreizsysteme sind gefragt.

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Kapitalmarkt sucht immer mehr nachhaltige Anlagemöglichkeiten, auch die Banken setzen voll auf den Trend ESG (Environment, Social, Governance). Das klingt gut, aber die entscheidende Frage lautet: Handeln Unternehmen nachhaltiger, weil sie mit ESG-Geld finanziert werden? Dabei geht es nicht um den Vorwurf, dass Unternehmen mit der Finanzierung Greenwashing betreiben, sondern dass sie aus ganz anderen Gründen nachhaltiger werden und die Finanzierungen das nur widerspiegeln, aber nicht treiben. „Nachhaltige Aktivitäten gehen vom Unternehmen aus und vieles hat sich sehr positiv entwickelt“, sagt Marcus Thiel, der bei der Deutschen Bank für das nachhaltige Kreditgeschäft verantwortlich zeichnet. „Unternehmer selbst, Kunden und Lieferanten, Mitarbeiter, Politik und Regulatorik treiben den Fortschritt.“

Druck kommt aber auch vom Aktienmarkt, also von der Eigentümerseite. Allerdings sieht ESG-Investmentguru James Hulse dort ebenso wie im Anleihemarkt derzeit noch „mehr Geld als Wissen im Markt“. Auch die Kreditgeber versuchen ihren Teil beizusteuern: Nachhaltige Finanzierungen sind um einige Basispunkte billiger, manche Finanzierungen belohnen das Erreichen nachhaltiger Ziele und ESG-konforme Anleihen finden leichter neue Investoren. Aber noch werden auch fast alle konventionellen Zwecke finanziert und die Einsparung ist zu gering, um Investitionsentscheidungen zu beeinflussen. Immerhin tragen Banken das Thema in die Finanzabteilung: „Wir sind beim Kunden manchmal Moderator zwischen den Nachhaltigkeitsexperten und dem Treasury“, berichtet Thiel. „Wir sprechen beide Sprachen.“

Markt und Politik vereint

Künftig könnte der Druck der Treasurer steigen: „Wenn der Margenunterschied zu deutlichen Ersparnissen führt, wird auch aus der Finanzabteilung ein Impuls in das Unternehmen gesendet“, glaubt Thiel. Das ist noch ein weiter Weg, der aber durch Regulierung beschleunigt werden könnte. Finanzierungskosten an Nachhaltigkeit zu koppeln ist allerdings kein logischer Selbstläufer: Der Zins spiegelt im Wesentlichen das Ausfallrisiko des Kreditgebers wider – und das hat mit Nachhaltigkeit nur bedingt zu tun. Warum sollen die Eigentümer einer Bank die Belohnung für nachhaltiges Verhalten ihrer Kreditnehmer finanzieren? Oder umgekehrt davon profitieren, wenn die Kunden die Ziele verfehlen?

Die Steuerung muss von der Politik kommen. Ein Ansatz ist das „Green Asset Ratio“: Die Banken werden zur Offenlegung ihres nachhaltigen Exposures verpflichtet, was irgendwann in höhere Eigenkapitalkosten für „braune“ Assets münden könnte. Ein anderer Ansatz sind die Förderbanken: Sie könnten in alle Finanzierungen integriert werden und den Bonus für Nachhaltigkeit finanzieren, aber auch den Malus für Verstöße kassieren.

Belohnung und Strafe

Will der Finanzmarkt wirklich Einfluss nehmen, ist das System von Zuckerbrot und Peitsche unausweichlich. Bekannt ist der Ansatz bei Krediten bereits durch die sogenannten Margin-Grids, die ein verbessertes Rating mit einem verringerten Zinssatz belohnen – oder im negativen Fall bestrafen.

Nachhaltigkeitsratings sind allerdings wenig tauglich, weil sie zu ungenau sind. Bewährt haben sich dagegen spezifische nachhaltige Unternehmensziele (KPIs). Ob sich Unternehmen wegen der Finanzierung allerdings auf ambitioniertere Ziele einlassen oder sich nur auf die ohnehin geplanten verpflichten lassen, ist schwer zu sagen. Wichtig ist aber: Nicht der Ist-Zustand wird belohnt, sondern die Entwicklung. Wer bereits „State of the Art“ ist, hat wenig zu gewinnen; die Nachzügler erhalten die Anreize. Das unterscheidet den Finanzmarkt positiv von den anderen Treibern wie Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern.

Auch durch seinen Wissensdurst könnte der Finanzmarkt positiv wirken: „Investoren verlangen detailliertere und transparentere Informationen zum Thema Nachhaltigkeit als andere Stakeholder“, sagt Thiel. Die geforderte Datenqualität zwingt die Unternehmen, sich mit vielen Themen auseinanderzusetzen und sie anzupacken. Und wenn die ESG-Transformation der Wirtschaft zu langsam verläuft, dürfte die Politik in gewohnter Manier das Finanzsystem über Regulatorik in die Pflicht nehmen – Finanzierungen für die „falschen“ Zwecke werden unangenehm teuer oder gar nicht mehr erhältlich sein. Spätestens dann wird die Macht des Finanzmarktes wirksam.

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Bank. Den dazugehörigen Link finden Sie HIER.

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