Der südostasiatische Staat steckt in einer Wirtschaftskrise. 2021 ist die Volkswirtschaft in eine verschärfte Rezession gefallen. Dies ist verbunden mit einer hohen Inflation, u.a. ausgelöst durch eine drastische Abwertung der heimischen Währung. Eine Schuldenkrise ist programmiert. Schuld ist nicht die Pandemie, sondern ein Militärputsch, der die Wirtschaft in kürzester Zeit international isoliert hat.

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Mit einem Putsch ergriff das Militär im Februar 2021 die Macht in Myanmar. Es stürzte die Regierung von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, deren Partei NLD (Nationale Liga für Demokratie) die Parlamentswahlen 2020 gewonnen hatte. Begründet wurde das Vorgehen mit angeblichem Wahlbetrug – ein Vorwurf, der von internationalen Beobachtern zurückgewiesen wurde. Bis dahin war NLD-Vorsitzende Suu Kyi Staatsberaterin. Gem. Art. 59 der Verfassung konnte sie nicht Präsidentin werden, da ihr 1999 verstorbener Ehemann britischer und somit ausländischer Herkunft war. Zum Zeitpunkt des Putsches war vielmehr Win Myint Präsident. Er hatte das Amt seit 2018 inne und war das erste Staatsoberhaupt seit mehr als fünf Jahrzehnten, das nicht dem Militär angehörte. Myint wurde durch einen Militärloyalisten ersetzt. Die 77-jährige Suu Kyi, seit der Junta-Machtübernahme inhaftiert, wurde im Rahmen mehrerer Prozesse zu insgesamt 33 Jahren Haft verurteilt.

Sanktionen vonseiten der Europäischen Union und der USA

Die Machtübernahme des Militärs führte zu großen Protesten, bei denen bis dato schätzungsweise 12.000 Menschen inhaftiert und über 2.000 getötet wurden. Im Sommer 2022 richtete das Militär vier prominente Demokratiebefürworter hin – die erste Anwendung der Todesstrafe in Myanmar seit Jahrzehnten. Beim jüngsten Luftangriff Anfang April 2023, bei dem Militärjets Bomben in eine Menschenmenge abwarfen, starben bis zu 100 Zivilisten. Die Junta bestätigte den Angriff, Ziel seien bewaffnete Rebellen gewesen. Diese Vorfälle, die von der internationalen Gemeinschaft scharf kritisiert wurden, haben zu einer fortschreitenden Isolierung Myanmars auf internationaler Bühne geführt. Nach dem Staatsstreich kündigten sowohl die USA als auch die Europäische Union Sanktionen an. So wurden burmesische Konten im Ausland eingefroren, Geschäfte mit vom Militär geführten Unternehmen verboten und Entwicklungshilfe eingestellt. Im Dezember 2021 vertagten die Vereinten Nationen ihre Entscheidung über die Vertretung des Landes, da die meisten Staaten die neue Führung nicht anerkennen.

Die politische Krise wirkt sich auch auf die Beziehungen zu den ASEAN-Staaten aus. Obwohl sie das Land nicht aus dem Staatenbund verbannten, gaben sie im August 2022 bekannt, dass sie die regierenden Generäle Myanmars von den Treffen der Gruppe ausgeschlossen haben. Darüber hinaus haben die engen Beziehungen zu Russland das Land seit Beginn des Kriegs in der Ukraine noch mehr vom Westen entfremdet. Russland ist nicht nur der wichtigste Waffenlieferant der Junta, sondern auch eine Quelle für vergünstige Kraftstoffe.

Wirtschaftlicher Stillstand

Nach einem starken Rückgang der Wirtschaftsleistung im Haushaltsjahr 2021 (Oktober 2020 bis September 2021) um 17,9% zum Vorjahr aufgrund des Staatsstreichs und der Pandemie sowie einem Wachstum von 2,0% im vergangenen Jahr, wird sich das Bruttoinlandsprodukt 2023 weiter nur langsam erholen. Coface rechnet mit einem Wachstum von 3,3% gegenüber 2022. So werden die negativen Auswirkungen des Militärputsches auf die Wirtschaft, insb. durch die zunehmenden Konflikte zwischen der Junta und den bewaffneten Widerstandsgruppen sowie die internationalen Sanktionen, weiter anhalten. Zudem bleiben auch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die nach dem Krieg in der Ukraine aufgetreten sind, bestehen. Die Inflationsrate, die im vergangenen Jahr bei durchschnittlich 16,2% lag, wird sich zwar abschwächen, dürfte aber deutlich höher bleiben als in den vergangenen Jahren. Dadurch wird der Konsum der privaten Haushalte, seit dem Militärputsch durch einen Anstieg der Arbeitslosigkeit ohnehin beeinträchtigt, weiter eingeschränkt.

Eine wichtige Rolle für die Inflation spielt auch die Bewertung der Währung, da aufgrund einer Abwertung Importe teurer werden und somit die heimische Preissteigerung zusätzlich beschleunigen. Selbst wenn neue Maßnahmen der Zentralbank zur Begrenzung der Abwertung des Kyat (MMK) und damit der importierten Inflation in Kraft treten sollten, wären ihre Auswirkungen doch sehr begrenzt. Im September 2022 hatte die Währung seit dem Staatsstreich bereits 36% ihres Wertes verloren. Der offizielle Kurs betrug 2.100 MMK/USD, während er auf dem Schwarzmarkt sogar bei 3.400 bis 3.600 lag.

Vieles spricht gegen eine straffe Geldpolitik

Die Politik der Zentralbank scheint ineffizient zu sein, was die Eindämmung der Abwertung angeht. Denn sie ist mit den Auswirkungen der politischen Unruhen, der wirtschaftlichen Umstände und der weltweiten Finanzverknappung konfrontiert, die sie schwer bis gar nicht beeinflussen kann. Durch das Wegfallen anderer offizieller internationaler Finanzierungsquellen – z.B. über einen starken Export, um Devisen zu erhalten, oder Liquiditätslinien des Internationalen Währungsfonds – ist die Begleichung der Staatsverschuldung ebenfalls in Gefahr. Allerdings ist diese umso einfacher, je stärker die heimische Währung abwertet, was auch gegen eine straffe Geldpolitik der Zentralbank von Myanmar und die damit verbundene Bekämpfung des Inflationsdrucks spricht.

Der Agrarsektor, verantwortlich für 23% des BIP, rund 30% der Exporte und die Hälfte der Arbeitsplätze, wird daher weiterhin unter den höheren Input- und Energiepreisen sowie der gefährlichen Sicherheitslage in den ländlichen Gebieten leiden. Trotz der Eröffnung der Eisenbahnlinie Myanmar–China im vergangenen Jahr, die die Warenausfuhr in das wichtigste Exportland Myanmars ankurbeln sollte, könnten die Exportaussichten weiterhin durch Devisen- und Handelsbeschränkungen beeinträchtigt werden. Ein weiterer wichtiger Wirtschaftszweig sind Kraftstoffe. Angesichts der global höheren Energiepreise sollte das Land eigentlich hiervon profitieren, schließlich sind sie mit 21% des Gesamtvolumens das zweitwichtigste Exportgut. Jedoch spielt auch hier die politische Unsicherheit im Land mit hinein, sodass sich mehrere ausländische Unternehmen wie TotalEnergies, Eneos oder Chevron aus Myanmar zurückgezogen haben. Die Weltwirtschaftslage könnte sich auch auf die Nachfrage nach Bekleidung auswirken, ebenfalls ein zentrales Exportgut Myanmars.

Der Dienstleistungsbereich wird ebenfalls eingeschränkt bleiben – im Besonderen, da die Einnahmen aus dem Tourismus vorerst unbedeutend sind. Schließlich dürften die politischen und wirtschaftlichen Umstände auch die privaten Investitionen weiterhin bremsen. Myanmar erhält allerdings nach wie vor chinesische Investitionen im Rahmen der Neuen Seidenstraße.

Externer Liquiditätsstress

Seit dem Militärputsch sind die Staatseinnahmen im Zuge des wirtschaftlichen Abschwungs zurückgegangen, da durch die geringeren Einnahmen der Unternehmen und privaten Haushalte sowie der gesunkenen Gewinne der staatlichen Energieunternehmen die Steuerzahlungen gesunken sind. Obwohl auch die Ausgaben verringert wurden, hat sich das öffentliche Haushaltsdefizit ausgeweitet und dürfte auch im Jahr 2023 mit 7,2% des BIP hoch bleiben. Dies wird zu einem Anstieg der Staatsverschuldung führen. Letztere wuchs zuletzt von weniger als 40% des BIP im Jahr 2020 auf über 60% in den Folgejahren als Resultat der Wirtschaftskrise und der immensen Abwertung des Kyat an. Vor der Krise waren 30 bis 40% der öffentlichen Schulden Auslandsverschuldung.

Die myanmarische Leistungsbilanz weist traditionell ein Defizit auf. Die Wirtschaft ist von der Einfuhr von Investitions- und Konsumgütern sowie von Materialien für Infrastrukturprojekte und medizinischen Geräte abhängig. Dieses Defizit wurde üblicherweise durch ausländische Direkt­investitionen und chinesische Kredite finanziert. Seit dem Staatsstreich deutet der Rückgang ausländischer Investitionen in das Land daraufhin, dass das Leistungsbilanzdefizit wohl nicht vollständig finanziert werden kann. Das führt zu einer Erschöpfung der internationalen Reserven. Diese reichten im März 2021 immerhin noch aus, um die Kosten des Einfuhrbedarfs von sechs Monaten zu decken. Inzwischen dürften sie jedoch drastisch geschrumpft sein, was zu Liquiditätsproblemen führt. Im Sommer 2022 wies die Zentralbank Myanmars daher lokale Unternehmen und Banken an, die Rückzahlung ausländischer Kredite auszusetzen und umzuschulden, um die ausländischen Devisen im Land zu halten.

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