Das südasiatische Land mit seinen rund 227 Millionen Einwohnern leidet unter einer multiplen Krise – wirtschaftlich, finanziell, sozial und politisch –, die sich von Monat zu Monat verschlimmert und in der Zahlungsunfähigkeit des Landes münden könnte. Ohne tiefgreifende Reformen und erhebliche finanzielle Unterstützung wird Pakistan nicht in der Lage sein, sich aus dem Teufelskreis von IWF-Programmen und immer neuen ausländischen Krediten zu befreien.

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Pakistan blickt auf eine lange Geschichte von IWF-Programmen und Rettungsmaßnahmen zurück: Das aktuelle Dreijahresprogramm des Internationalen Währungsfonds – bereits das 23. seit 1950 – begann im Juli 2019 zu denselben Bedingungen wie sonst. Sein Ziel ist es, Zahlungsbilanzungleichgewichte zu beheben, den öffentlichen Haushalt zu konsolidieren und Devisenreserven aufzubauen. Die Bedingungen des Programms verdeutlichen die strukturellen Schwächen Pakistans: eine hohe Abhängigkeit von Importen, unzureichende Exporte, desolate öffentliche Finanzen, ein hochverschuldeter und ineffektiver Energiesektor sowie ein schlechtes Investitionsklima aufgrund chronischer politischer Instabilität. Hinzu kommen fehlende politische Kontinuität und schlechte Regierungsführung.

Nach der Covid-19-Pandemie der Jahre 2020 und 2021 wurde die ohnehin geschwächte pakistanische Wirtschaft 2022 von den Folgen des Ukraine-Kriegs schwer getroffen. Starke Preissteigerungen – Pakistan hatte im Februar eine Inflationsrate von 31,5%, was die dritthöchste in Asien nach Sri Lanka und Laos bedeutete – sowie ein sprunghaft angestiegenes Leistungsbilanzdefizit aufgrund verteuerter Lebensmittel- und Brennstoffimporte waren die beiden offensichtlichsten Folgen. Pakistan ist in hohem Maße von importierter Energie (mehr als 25% der Wareneinfuhren) und Weizen abhängig und daher von den explodierenden Preisen infolge des Ukraine-Kriegs stark getroffen. Dies wird durch die Wechselkursentwicklung noch verstärkt. Die pakistanische Rupie ist gegenüber dem US-Dollar auf einen historischen Tiefstand gestürzt, sodass diese lebenswichtigen Importe in Landeswährung erheblich teurer sind – und so die Inflation im Land noch weiter anheizen.

Zahlungsbilanzkrise verschärft soziale Dimension der Wirtschaftskrise

Die Zahlungsbilanzkrise hat – trotz rekordhoher Überweisungen aus den Golfstaaten, die etwa die Hälfte der pakistanischen Leistungsbilanzeinnahmen ausmachen – die soziale Dimension der Wirtschaftskrise verschärft. Hohe Lebenshaltungskosten und knappe Waren des täglichen Bedarfs haben zu Protesten der Bevölkerung geführt. Die externe Liquidität des südasiatischen Staates hat sich seit Herbst 2021 kontinuierlich verschlechtert. Da Importe in Devisen bezahlt werden müssen, führte dies zu drastischen Einfuhrbeschränkungen (u.a. für Treibstoff) und regelmäßigen Stromabschaltungen. In dieser ohnehin desolaten Lage verwüsteten die Überflutungen der Monsunsaison 2022 rund ein Drittel des Landes. Neben Infrastruktur traf es insb. wichtige Agrar-Exportgüter wie landwirtschaftliche Erzeugnisse und Baumwolle zur Textilherstellung. Dies war ein Schlag, der Pakistan von einer prekären in eine unlösbare Situation brachte.

Angesichts der angeschlagenen Wirtschaft, die im Fiskaljahr 2023 sogar schrumpfen könnte, und fehlender Devisenreserven zur Importfinanzierung sind die Behörden nicht in der Lage, den Wiederaufbau im Umfang von geschätzten 30 Mrd USD zu stemmen. Daher haben internationale Geldgeber rund 10 Mrd USD zugesagt, China und die MENA-Partner verpflichteten sich ebenfalls zu Hilfsmaßnahmen. Der IWF hat sein laufendes Programm im August 2022 wieder aufgenommen und es bis Juni 2023 verlängert.

Leitzins trotz 20% unter Inflationsrate

Finanzielle Härten sind dennoch unvermeidlich. Aktuell verhandelt die Regierung mit dem IWF über die Auszahlung einer weiteren Tranche. Ende Januar wurde der Wechselkurs der pakistanischen Rupie freigegeben, worauf diese gegenüber dem US-Dollar um rund 14% abwertete. Auch die Subventionen für Kraftstoffe wurden gestoppt und Steuererhöhungen beschlossen. Bei zunehmender Güterknappheit könnten diese Maßnahmen die Inflation weiter steigen lassen. Die pakistanische Zentralbank SBP hat daher am 2. März den Leitzins auf 20% angehoben. Dieser liegt jedoch immer noch deutlich unterhalb der Inflationsrate.

Auch wenn Islamabad alle verfügbaren Optionen ausschöpft, um Zeit zu gewinnen, steht Pakistan erneut am Rande des Staatsbankrotts. Die öffentlichen Finanzen des Landes sind extrem prekär, die Staatsverschuldung lag im Fiskaljahr 2022 bei 77,8% des BIP und bei knapp 650% der Staatseinnahmen, für Zinszahlungen muss die Regierung fast 40% der Staatseinnahmen aufwenden (der dritthöchste Wert weltweit nach Sri Lanka und Ghana). Mit anderen Worten: Staatsverschuldung und Zinslast sind zu hoch, die Staatseinnahmen zu niedrig. Ohne drastische Reformen und einen umfassenden Schuldenerlass, der die Staatsverschuldung auf einen nachhaltigen Pfad bringt, ist die Lage mittel- bis langfristig untragbar.

Erhöhes Risiko für Zahlungsunfähigkeit

Die gesamte Staatsverschuldung Pakistans ist zu 38% extern, 75% dieser Verpflichtungen bestehen gegenüber bilateralen und multilateralen Gläubigern. In den vergangenen Monaten hat sich das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit Pakistans erhöht, da der Schuldendienst die geringen Devisenreserven weit übersteigt und die Zinssätze hoch sind. Islamabads Hoffnung hängt an zwei wichtigen Akteuren: dem IWF und China.

Ein umfangreicherer IWF-Rettungsschirm ist angesichts der schwierigen politischen Lage kurzfristig nicht realistisch, während die erforderlichen Sparmaßnahmen zu vermehrten sozialen Unruhen und Stillständen in der Wirtschaft führen dürften. Dies verstärkt wiederum die ohnehin große politische Instabilität. Jedes Hilfsprogramm erfordert eine Umstrukturierung der Staatsverschuldung, die Auswirkungen sowohl auf inländische (Bankensektor) als auch auf ausländische Gläubiger hat. Die Haltung des größten bilateralen Gläubigers China (80%) ist aktuell unverändert. Das Land bleibt bei den üblichen Instrumenten wie zusätzlichen Krediten, ausländischen Direktinvestitionen (ADI) und der Umschuldung bzw. der Verlängerung von Laufzeiten.

Exportschub bleibt vorerst aus

Ebenso wenig kann Islamabad in absehbarer Zukunft mit einem Exportschub rechnen, der den Liquiditätsengpass nach den schweren Überflutungen ausgleichen könnte. Denn diese hinterließen Schäden an Wirtschaft und Infrastruktur. Natürlich werden die multilateralen Institutionen, China und die USA Pakistan nicht im Stich lassen, wenn es darum geht, dieses große, mit Atomwaffen ausgestattete und strategisch wichtige Land in der Region zu stabilisieren. Um jedoch die Staatsverschuldung mittel- und langfristig tragbar zu gestalten, bedarf es mehr als neuer Auslandskredite und Laufzeitverlängerungen. Dies wird angesichts der Auswirkungen des Klimawandels noch deutlicher: Falls es nicht gelingt, genaue und umfassende Anpassungen vorzunehmen, besteht die Gefahr, dass sich extreme Naturkatastrophen wie die Überschwemmungen aus dem vergangenen Jahr wiederholen und die pakistanische Wirtschaft strukturell komplett von externer finanzieller Unterstützung abhängig wird.

Außer in den Fiskaljahren 2021 und 2022 ist die Auslandsverschuldung Pakistans – hauptsächlich öffentliche Schulden – seit 2016 stetig gestiegen. Grund sind vor allem chinesische Darlehen sowie die Aufnahme neuer Kredite zur Finanzierung des gestiegenen Schuldendienstes für Auslandsverbindlichkeiten. Auch für das Fiskaljahr 2023 wird nach der Aufnahme neuer Auslandsdarlehen ein weiterer Anstieg der Schuldenquote erwartet.

Die sprunghafte Zunahme der pakistanischen Auslandsverschuldung in den Jahren 2016 bis 2020 ist vor allem auf den riesigen „China-Pakistan Economic Corridor (CPEC)“ mit einem Volumen von 65 Mrd USD zurückzuführen, dem Flaggschiff der chinesischen „Belt and Road“-Initiative (BRI). Durch das Programm wurde China innerhalb weniger Jahre zum wichtigsten Gläubiger Pakistans, auf den rund 30% der gesamten Auslandsschulden entfallen.

Schuldendienst übersteigt Devisenreserven bei Weitem

Pakistans umfangreicher Außenfinanzierungsbedarf schwoll infolge der externen Schocks noch weiter an. 2020/2021 erhielt das Land dank des Schuldenmoratoriums im Rahmen der G-20-Initiative zur Aussetzung des Schuldendienstes (DSSI) vorübergehend Erleichterungen. Allerdings übersteigt der Schuldendienst für kurzfristige und ausländische Kredite bei Weitem die Devisenreserven des Landes. Im Dezember 2022 erreichten diese bereits nur noch eine Importdeckung von weniger als einem Monat. Seither hat sich die Situation noch verschlechtert.

Die folgende Devisenknappheit hat die Behörden veranlasst, die Einfuhren von Waren des Grundbedarfs vorrangig zu behandeln. Hohe Energiepreise und der starke US-Dollar verteuern die Erdölimporte, für den Wiederaufbau werden importierte (Investitions-)Güter benötigt und bevorstehende Rückzahlungen von Krediten bedrohen die Zahlungsfähigkeit des Landes. Die Liquidität bleibt weiterhin unter Druck.

Bei möglichen Verhandlungen über eine Umschuldung könnten diese Risiken in einem politisch instabilen Kontext noch zunehmen. Unterstützung dürfte Pakistan von multilateralen Institutionen, v.a. von der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB), sowie bilateralen Gläubigern erhalten.

Politisches Risiko herabgestuft

Die Aufnahme kommerzieller Kredite hingegen kommt aufgrund unerschwinglicher Renditen langfristiger Staatsanleihen (15%) nicht mehr infrage. Ein Rettungspaket und eine Umstrukturierung der Staatsschulden, die helfen könnten, die Tragfähigkeit der pakistanischen Staatsverschuldung zu verbessern, sind derzeit zwar noch nicht auf dem Tisch. Das ist aber wohl nur eine Frage der Zeit. Credendo hat das mittel- bis langfristige politische Risiko Pakistans auf 7/7 herabgestuft.

Die innenpolitische Lage in Pakistan ist sehr angespannt. Dazu beigetragen haben die Entmachtung des populären ehemaligen Premierministers Imran Khan im April 2021 durch das Parlament sowie dessen Kundgebungen mit Forderungen nach vorgezogenen Wahlen, ebenso die stark steigenden Lebenshaltungskosten sowie Engpässe bei zahlreichen Gütern des Grundbedarfs. All dies führte zu regelmäßigen Massenprotesten gegen die Regierung.

Obwohl Premierminister Shehbaz Sharif diesem Druck bisher standgehalten hat, könnte Khan die nächsten Wahlen gewinnen – dies wahrscheinlich in einem noch schlechteren und schwierigeren sozioökonomischen Umfeld. Es bleibt abzuwarten, wie die mächtige Armee angesichts der angespannten Beziehung darauf reagieren wird. Mit Blick auf die Zukunft dürften die anhaltenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten und politischen Spannungen weiterhin für Instabilität sorgen.

Häufigere Terroranschläge

Das allgemeine innenpolitische Umfeld wird durch interne Sicherheitsrisiken erschwert, die für Islamabad wieder zu einem zentralen Anliegen geworden sind. Seit der Rückkehr der Taliban an die Macht in Afghanistan im Jahr 2021 hat die politische Gewalt stark zugenommen, darunter zunehmende Terroranschläge der TTP (Pakistans wichtigste islamistische militante Gruppe und Verbündete Kabuls) in den Stammesgebieten und in der westlichen Unruheprovinz Belutschistan, aber zunehmend auch im Rest des Landes.

Die Zunahme der Gewalt fällt mit dem Ende des Waffenstillstands zusammen, nachdem lange Verhandlungen der TTP mit der Regierung zu keinem Ergebnis geführt hatten. Der jüngste Terroranschlag Anfang Februar – der schlimmste seit Jahren – auf Sicherheitskräfte in der nördlichen Stadt Peshawar unterstreicht die Gefahr eines erneuten Aufstands der TTP.

Es steht daher zu befürchten, dass Pakistan zu einer Zeit der Unruhe und Gewalt wie in den 2010er Jahren zurückkehrt. Erst 2016 wurde der islamistische Aufstand durch eine Militäroffensive beendet. Dennoch könnte eine Wiederwahl Khans auch den Weg für neue Verhandlungen mit der TTP sowie ein Friedensabkommen ebnen – womöglich eines, das breiter in der Scharia verankert ist. Dadurch könnte die politische Gewalt zurückgehen. Diese Entspannungstendenzen werden jedoch durch den Widerstand der Armee gegen ein Abkommen mit der TTP und ihr entschlossenes Vorgehen gegen die in Afghanistan untergetauchten TTP-Kämpfer getrübt.

Annäherung an die Großmächte

Während sich die Beziehungen zu Afghanistan verschlechtert haben, hat sich der politische Kontakt mit Indien stabilisiert, was sich mit den aktuellen Prioritäten Pakistans erklären lässt. Dies kann sich jedoch vor dem Hintergrund ständiger Konfliktpunkte – insb. in Bezug auf Kaschmir und den Zugang zu Wasser – jederzeit ändern. Positiv wirkt die stabile und enge Zusammenarbeit Pakistans mit seinem Verbündeten China. Darüber hinaus profitiert Islamabad angesichts der angespannten Beziehungen zu Kabul von den verbesserten transaktionalen Beziehungen zu den USA, die auch nach dem chaotischen Abzug aus Afghanistan weiterhin in der Region aktiv sind. Dies lässt sich vor dem sicherheits- und geopolitischen Hintergrund erklären, da Pakistan als Atommacht im Prozess zum Aufbau einer neuen Weltordnung von strategischer Bedeutung in Asien ist.

k.koch@credendo.com

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