Bolivien und Ecuador sind zwei interessante Andenländer, die die Nachhaltigkeit sogar in ihrer Verfassung verankert und in puncto Erneuerbare viel zu bieten haben. Das Lateinamerika-Team von Oddo BHF wirft einen Blick darauf.

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Nicht zuletzt dank ihres Reichtums an fossilen Rohstoffreserven haben Bolivien und Ecuador in den vergangenen Jahren einen beachtlichen Wirtschaftsaufschwung verzeichnet, viele Millionen Menschen aus der Armut geholt und auch die Pandemie am Ende gut in den Griff bekommen. Nun stehen die Länder vor der Herausforderung, inmitten einer Zeit globaler Umbrüche und innenpolitischer Spannungsfelder die energie- und wirtschaftspolitischen Weichen für die postfossile Ära richtig zu stellen.

Ecuador – vom Erdölproduzenten zum Wasserstofflieferanten

Ecuador ist mit einer Fläche von 283.561 km2 und einer Bevölkerung von rund 17 Millionen Menschen das kleinste Andenland. Bodenschätze und milliardenschwere Entwicklungs- und Hilfsprogramme machen die Südamerikaner zu einem attraktiven Investitions- und Handelspartner. Die vergleichsweise sehr gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur stellt den Waren- und Personenverkehr im relativ dezentral organisierten Ecuador sicher.

Das Land verfügt über große Bestände natürlicher Ressourcen, darunter auch Erdöl, auf das in den vergangenen Jahren zwischen 14 und 20% des Bruttoinlandsprodukts, ca. die Hälfte der Exporterlöse und rund 20 bis 30% der Staatseinnahmen entfielen. Gleichwohl kann Ecuador noch nicht die gesamte Wertschöpfungskette abdecken und muss weiterhin viele raffinierte Ölprodukte aus dem Ausland importieren. In diesem Zusammenhang ist auch die weite Verbreitung des US-Dollar in der Wirtschaft (Dollarisierung) zu erwähnen, die internationalen Firmen Planungssicherheit an der Währungsfront gibt.

Am 30. September 2020 genehmigte der Internationale Währungsfonds (IWF) ein Programm in Höhe von 6,5 Mrd USD (Extended Fund Facility). Ziel ist es, Ecuador bei der wirtschaftlichen Bewältigung der Pandemie, der Verbesserung der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen und der nachhaltigen Schaffung von Arbeitsplätzen zu unterstützen. Weitere Programme i.H.v. rund 6 Mrd USD werden dem Land von der Development Bank of Latin America, der Inter-American Development Bank (IADB), der Europäischen Investitionsbank (EIB), dem Latin American Reserve Fund (FLAR) sowie der Weltbank zur Verfügung gestellt.

Die neue Regierung, die seit dem 24. Mai 2021 durch den neuen Präsidenten Guillermo Lasso geleitet wird, hat viele neoliberale Reformen angekündigt, hängt bei der Realisierung aber auch von den Stimmen der Opposition ab, die die Mehrheit im Parlament besitzt. Dadurch kommt es immer wieder zu sehr hitzig geführten Diskussionen.

Um die Abhängigkeit von der Ölindustrie abzubauen und die Wirtschaftsleistung des Landes auf eine breitere Basis zu stellen, werden Reformen und Investitionsprogramme präferiert, die den Privatsektor stärken und die Fiskalsituation des öffentlichen Sektors verbessern. Neben der Gewinnung von Erdöl sollen deshalb der Agrarsektor und der Ausbau erneuerbarer Energien (Stichwort: Wasserstoff) konsequent vorangetrieben werden. Schon heute ist Ecuador der größte Bananenexporteur der Welt; Kaffee, Kakao, Holz, Schnittblumen und Garnelen gehören zu wichtigen Exportprodukten.

Bolivien – ohne Lithium keine Verkehrswende

Trotz hoher Wachstumsraten in der letzten Dekade zählt Bolivien, das sich im Herzen Südamerikas von den Anden bis ins Amazonasbecken erstreckt, noch immer zu den ärmsten Ländern der Welt. Mehr als die Hälfte der rund 12 Millionen Einwohner sind Indigenas, also Nachfahren der Urbevölkerung, die größtenteils in ländlichen Regionen leben und dabei jahrhundertealte Traditionen fortführen. Politisch ist das Land tief gespalten, hat aber nach dem Regierungswechsel 2020 wieder ruhigeres Fahrwasser erreicht. Die mittelfristigen Wachstumsaussichten bewegen sich aber mangels einer wirtschaftspolitischen Agenda, die private und ausländische Investitionen ermöglicht, nur im Bereich von 2,5 bis 3,5% pro Jahr.

Bolivien verfügt über so große Rohstoffvorkommen, dass es in den vergangenen 30 Jahren ein Netto-Energieexporteur mit hoher positiver Energieexportbilanz war. Bis zu einem Drittel der Staatseinnahmen wurden aus dem Export fossiler Rohstoffe an die Nachbarstaaten generiert. Aktuell geraten jedoch die erschlossenen Mega-Gasfelder an ihre Grenzen, sodass Bolivien im April 2022 erstmals wieder Netto-Energieimporteur geworden ist. Gleichzeitig ist die Regierung dabei, die Karten in der Energiefrage neu zu mischen, und möchte bis 2025 diverse alternative Energiequellen entwickeln, um die Energieerzeugung zu diversifizieren. Es besteht noch erhebliches Potenzial für Fotovoltaik, Windkraft und Geothermie, das bisher kaum ausgeschöpft wurde. Das Andenhochland soll weltweit zu den besten Standorten für Solarenergie zählen.

Die größten Lithium-Reserven der Welt als Treiber

Zukünftiger Treiber für Industrialisierung und Wirtschaftswachstum des Binnenlandes sollen die größten Lithium-Reserven der Welt in der 10.000 km2 großen Salzwüste Salar de Uyuni auf dem Dach der Anden werden. Als Schlüsselelement für den wachsenden Markt der Elektromobilität wird das leichteste aller Metalle auch in den kommenden Jahren weiterhin eine explodierende Nachfrage auf den Weltmärkten erleben und weltweit große Investitionsprojekte zur kommerziellen Förderung anstoßen. Zwischen 2012 und 2021 hat sich der jährliche Durchschnittspreis pro Tonne bereits um 306% erhöht (auf über 20.000 USD), da immer mehr Staaten sich ambitionierte Ziele setzen, die klassischen Verbrennungsmotoren von ihren Straßen verschwinden zu lassen und durch Elektroautos zu ersetzen. Auch der Bedarf an mobilen und stationären Stromspeichern wächst rasant.

Während die Rohstoffbooms der vergangenen Jahrzehnte wenig zu Boliviens Entwicklung beigetragen haben, hat die Regierung von Präsident Luis Arce die historische Gelegenheit erkannt, nicht mehr nur Rohstofflieferant für die Welt zu sein, sondern die Wertschöpfungskette im eigenen Land zu halten und zum Wohle der Bolivianer zu nutzen. Vor Kurzem wurden ein Forschungszentrum sowie eine erste Produktionsanlage für Lithiumbatterien eingeweiht. Es wäre eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte, wenn es der Regierung gelänge, trotz der politischen Vielschichtigkeit die richtigen Weichen zu stellen und den Lebensstandard der Bevölkerung zu verbessern.

Wenngleich Lithium in Form von Batterien für Elektroautos oder Stromspeichern letztlich der Einsparung von Emissionen und dem globalen Kampf gegen den Klimawandel dienen soll, nimmt Bolivien seinerseits schwere ökologische Konsequenzen in Kauf. Das Schmelzen der Andengletscher, die seit Jahrtausenden die wichtigste Wasserressource in der Region darstellen, ist schon jetzt alarmierend. Deshalb sind der enorme Wasserverbrauch bei der Förderung von Lithium und mögliche Auswirkungen auf das Grundwasser gewichtige Kritikpunkte, die erhebliches Konfliktpotenzial mit der indigenen Bevölkerung rund um den Salzsee bergen. Deren Lebensgrundlage besteht größtenteils in Landwirtschaft und Viehzucht und hängt somit direkt mit den Wasserreserven zusammen.

Revolutionäre technologische Lösungen gefragt

Um fragile Ökosysteme wie den Salar de Uyuni zu schützen, sind revolutionäre technologische Lösungen gefragt, die Bodenschätze wie Lithium so umweltschonend wie möglich und idealerweise klimaneutral gewinnen. In Deutschland gibt es hierfür schon erste Testprojekte. Zudem ist der Aufbau eines Kreislaufsystems essenziell, in welchem die in der Produktion verwendeten Rohstoffe am Ende des Lebenszyklus rückgewonnen und wiederverwendet werden können.

Oddo BHF verfügt nicht nur in den Andenländern, sondern in zahlreichen Staaten Mittel- und Südamerikas über etliche Kooperationspartner im Bankensektor, Vor-Ort-Erfahrung, Zugänge zu laufenden Projekten sowie gute Beziehungen zu Auslandshandelskammern. Damit bietet die deutsch-französische Privatbank kompetente Unterstützung für Investoren und exportorientierte Unternehmen, die Chancen und Risiken auf dem Kontinent sondieren möchten.

ingo-dieter.tuchnitz@oddo-bhf.com

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