Ob Möbel, Schokolade oder Lederhandtaschen – für die Herstellung zahlreicher Waren werden Bäume abgeholzt, viele in den Regenwäldern der Erde. Die Europäische Kommission will u.a. den Import dieser Waren verbieten und darüber hinaus auch Abfallexporte stärker regulieren.
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Die Europäische Kommission hat am 17. November 2021 zwei neue Verordnungsentwürfe vorgestellt, die den Handel mit bestimmten Gütern betreffen und dem Bereich „Environmental, Social, Governance“ (ESG) zuzuordnen sind. Wenn die Verordnungen in dieser Form vom EU-Gesetzgeber verabschiedet werden, wird dies erhebliche Auswirkungen insbesondere für europäische Importeure und Exporteure haben.
Ziel der sog. Entwaldungsverordnung (Regulation on the making available on the Union market as well as export from the Union of certain commodities and products associated with deforestation and forest degradation – kurz: Regulation on deforestation-free products) ist eine entwaldungsfreie Lieferkette. Der Import von waldzerstörerischen Waren soll weiter reguliert werden, um gegen die Entwaldung vorzugehen, die aufgrund der Nachfrage durch EU-Unternehmen weltweit verursacht wird. Die neue Abfallverbringungsverordnung (Regulation on shipments of waste) soll insbesondere die illegale Ausfuhr von Abfällen und die Verlagerung der Abfallproblematik in außerhalb der EU gelegene (Entwicklungs-)Länder verhindern.
Die beiden Gesetzesinitiativen stehen im Zeichen des „Europäischen Grünen Deals“ (European Green Deal), d.h. eines Konzepts, das vor knapp zwei Jahren von der Kommission vorgestellt wurde: Mit diesem Konzept will die EU den Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft schaffen, die bis 2050 keine Netto-Treib-hausgase mehr ausstößt, ihr Wachstum von der Ressourcennutzung abkoppelt, und niemanden, weder Mensch noch Region, „im Stich lässt“.
Nach den Worten des für den Grünen Deal zuständigen Kommissionsvizepräsidenten Frans Timmermans kommt die EU mit der Entwaldungsverordnung den Forderungen der Bürgerinnen und Bürger nach, den europäischen Beitrag zur Entwaldung zu minimieren und nachhaltigen Verbrauch zu fördern. Die neuen Vorschriften für die Abfallverbringung sollen die Kreislaufwirtschaft fördern und sicherstellen, dass Abfallausfuhren der EU auch anderswo weder der Umwelt noch der menschlichen Gesundheit schaden. Die beiden Gesetzesentwürfe liegen derzeit nur in englischer Sprache vor. Im Folgenden werden die entsprechenden deutschen Begrifflichkeiten verwendet (die in künftigen EU-Verordnungen freilich abweichen können).
Neue Entwaldungsverordnung
Die geplante Entwaldungsverordnung soll die derzeit gültige sog. EU-Holzhandelsverordnung ersetzen (Verordnung [EU] Nr. 995/2010 über die Verpflichtungen von Marktteilnehmern, die Holz und Holzerzeugnisse in Verkehr bringen – auch bekannt als „EU Timber Regulation“ bzw. EUTR). Die EU-Holzhandelsverordnung verbietet bereits jetzt das Inverkehrbringen von Holz aus illegalem Einschlag von EU-Drittländern und sieht sog. Sorgfaltspflichtregelungen („due diligence system“) für Markteilnehmer vor, die erstmals Holzprodukte auf den EU-Binnenmarkt bringen. Außerdem verpflichtet sie die Händler, die diese Holzprodukte ankaufen bzw. verkaufen, entlang der Lieferkette ihre Lieferanten und Abnehmer benennen zu können.
Die EU-Holzhandelsverordnung wird in Deutschland durch das Holzhandels-Sicherungs-Gesetz (HolzSiG) ergänzt. Das HolzSiG regelt etwa die Sanktionsmaßnahmen im Falle eines Verstoßes gegen das in der EU-Holzhandelsverordnung enthaltene Verbot, z.B. drohen Geldbußen oder die Beschlagnahme der Lieferung. Für die Überprüfung von Marktteilnehmern und Händlern ist in Deutschland die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) zuständig.
Die geplante Entwaldungsverordnung orientiert sich an der Struktur und Regelungssystematik der EU-Holzhandelsverordnung. Sie geht allerdings in mehrfacher Hinsicht darüber hinaus: Die Entwaldungsverordnung erweitert den sachlichen Anwendungsbereich um weitere Produkte und verpflichtet nun auch größere Händler, Sorgfaltspflichtregelungen zu erfüllen. Außerdem werden zahlreiche Vorschriften präzisiert.
Die Kommission zielt mit dem Vorschlag darauf ab, den Verbrauch von Waren, die aus Lieferketten stammen, die mit Entwaldung oder Waldschädigung in Verbindung stehen, auf ein Minimum zu reduzieren, mithin die EU-Nachfrage nach und den Handel mit legalen und entwaldungsfreien Rohstoffen und Produkten zu steigern. Gleichzeitig wird versucht, Schwierigkeiten, die aufgrund der Anwendung der EU-Holzhandelsverordnung bekannt sind, zu lösen und Regelungslücken zu schließen.
Während die EU-Holzhandelsverordnung nur das Inverkehrbringen von bzw. den Handel mit Holz und Holzerzeugnissen (z.B. Brennholz, Sägeholz, Platten, Furniere, die meisten Holzmöbel, Rundholz, aber auch Zellstoff und Papier) regelt, erfasst die Entwaldungsverordnung zahlreiche weitere Güter: Art. 1 Abs. 1 nennt neben Holz nun auch Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja und Rind („relevant commodities“) und verweist zudem auf die in ihrem Anhang I im Einzelnen gelisteten (Verarbeitungs-)Produkte, die aus den vorgenannten Gütern hergestellt werden („relevant products“), z.B. Leder oder Schokolade.
Neue Pflichten für Marktteilnehmer und Händler
Art. 3 enthält das zentrale Verbot der Entwaldungsverordnung: Es ist untersagt, die von der Verordnung erfassten Waren auf dem Unionsmarkt in den Verkehr zu bringen oder bereitzustellen oder aus der Union auszuführen, wenn nicht die folgenden Bedingungen erfüllt sind:
- a) Die Waren müssen entwaldungsfrei („deforestation-free“) sein, d.h., sie dürfen nicht auf entwaldeten oder geschädigten Flächen erzeugt werden.
- b) Die Waren sind im Einklang mit den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes hergestellt, etwa in Bezug auf Landnutzungsrechte, Umweltschutz, Rechte Dritter, Handels- und Zollbestimmungen.
- c) Das Unternehmen hat eine Sorgfaltserklärung abgegeben („due diligence statement“).
Inverkehrbringen („placing on the market“) ist dabei definiert als jedes erstmalige Bereitstellen der Waren auf dem Markt („making available on the market“), d.h. jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe einer Ware zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Unionsmarkt im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit (Art. 2 Abs. 10 und 11). Das Verbot richtet sich an Marktteilnehmer („operator“) sowie Händler („trader“), soweit Letztere keine kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sind (also nur „große“ Händler). KMU werden in der Richtlinie 2013/34/EU näher definiert in Abhängigkeit von der Bilanzsumme, den Nettoumsatzerlösen und der durchschnittlichen Zahl der während des Geschäftsjahres Beschäftigten des betreffenden Unternehmens. Marktteilnehmer sind die Unternehmen, welche die relevanten Waren erstmals auf dem Unionsmarkt in Verkehr bringen oder diese aus der EU exportieren (Definition nach Art. 2 Abs. 12). Als Marktteilnehmer gelten zudem in der EU ansässige Unternehmen, die relevante Waren von Nicht-EU-Unternehmen gekauft oder in Besitz genommen haben, die von den letztgenannten Unternehmen erstmals auf dem Unionsmarkt in Verkehr gebracht wurden (Art. 7). Händler hingegen sind diejenigen in der Lieferkette, die (ohne Marktteilnehmer zu sein) relevante Waren auf dem Unionsmarkt bereitstellen, d.h. Waren, die bereits von anderen in den Verkehr gebracht worden sind (Definition nach Art. 2 Abs. 13). Händler, die KMU sind, betrifft das Verbot nach Art. 3 nicht unmittelbar: Sie sind „nur“ – wie auch bereits nach der EU-Holzhandelsverordnung – verpflichtet, ein Verzeichnis ihrer Lieferanten und Kunden zu führen und diese Informationen mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.
Das Kriterium, dass die Waren „entwaldungsfrei“ hergestellt sein müssen – siehe oben Buchstabe a) –, hält die Kommission für eine der wichtigsten Neuerungen der vorgeschlagenen Verordnung im Vergleich zur EU-Holzhandelsverordnung. Denn wenn in dem Vorschlag – wie bislang in der Holzhandelsverordnung – nur vorgesehen wäre, dass die Erzeugnisse im Einklang mit den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften hergestellt werden – siehe oben Buchstabe b) –, könnte ein Anreiz für Erzeugerländer bestehen, z.B. Umweltstandards zu senken, um den Zugang ihrer Erzeugnisse zur EU zu erleichtern.
Sorgfaltspflichtregelungen – Due Diligence
Im Rahmen der Sorgfaltserklärung – siehe oben Buchstabe c) – bestätigt das Unternehmen den zuständigen nationalen Behörden, dass die Ware, die es auf dem Unionsmarkt in den Verkehr bringen oder bereitstellen bzw. aus der EU exportieren wird, den EU-Vorschriften entspricht. Für die Waren, die gemäß dem Verfahren in Art. 201 Unionszollkodex (Verordnung [EU] Nr. 952/2013) in den zollrechtlich freien Verkehr überführt oder gemäß dem Verfahren nach Art. 269 Unionszollkodex ausgeführt werden, muss in der Zollanmeldung auf diese Sorgfaltserklärung verwiesen werden. Somit soll eine enge Zusammenarbeit zwischen den Zollbehörden und den für die Umsetzung der Entwaldungsverordnung zuständigen Behörden ermöglicht werden.
Zu dem in der Sorgfaltserklärung dokumentierten Ergebnis kann der Marktteilnehmer bzw. „große“ Händler erst nach Durchführung des in der Entwaldungsverordnung näher geregelten Sorgfaltspflichtverfahrens kommen, das es im Wesentlichen auch schon in der EU-Holzhandelsverordnung gibt. Die Sorgfaltspflichtregelungen sollen sicherstellen, dass das Risiko, nicht regelkonforme Waren in den Verkehr zu bringen, bereitzustellen oder auszuführen, vernachlässigbar ist. Zu diesem Zweck sammeln die Markteilnehmer und „großen“ Händler relevante Informationen, die im Einzelnen in Art. 9 präzisiert sind, wie etwa die Beschreibung der entwaldungsfrei produzierten Ware, die Menge, die Daten der Lieferanten des Erzeugungslandes oder geografische Informationen. Die umfassende Informationssammlung ist der erste Schritt, den die Sorgfaltspflichtregelungen vorsehen. Auf der Grundlage dieser Informationen soll in einem zweiten Schritt das Risiko ermittelt und bewertet werden, ob die Ware möglicherweise nicht im Einklang mit der Entwaldungsverordnung steht. In einem möglichen dritten Schritt kann aufgezeigt werden, dass das Risiko durch geeignete Maßnahmen zumindest auf ein vernachlässigbares Maß verringert worden ist.
Risikoniveau der Länder und mögliche Sanktionen
Mithilfe eines Benchmarking-Systems will die Kommission Länder bewerten in Bezug auf das Risiko der Entwaldung und Waldschädigung. Jedem Land soll eines von drei möglichen Risikoniveaus zugeordnet werden („low risk“, „standard risk“, „high risk“). Beim Import bzw. Export von Waren, die in einem als risikoarm eingestuften Land hergestellt worden sind, entfällt die Verpflichtung, den zweiten Schritt (d.h. die Risikobewertung) und den dritten Schritt (d.h. die Risikominderung) des Sorgfaltspflichtverfahrens durchzuführen („simplified due diligence“ nach Art. 12). Die Kommission erhofft sich insbesondere hierdurch, dass Erzeugerländer ihre Gesetzgebung in Bezug auf die Wälder verbessern. Erzeugerländer sollen dabei auch Unterstützung und Finanzhilfen der EU erhalten. Als mögliche Sanktionsmaßnahmen bei Verstößen der Wirtschaftsbeteiligten gegen die Entwaldungsverordnung sind Bußgelder, die Beschlagnahme der Waren bzw. die Einziehung der Einnahmen hieraus sowie ein zeitweiser Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren vorgesehen (Art. 23). Mangels Kompetenz der Union im Bereich der Sanktionen müssen diese – wie bislang im HolzSiG – im Einzelnen durch die EU-Mitgliedstaaten geregelt werden.
Aktualisierung der EU-Vorschriften über den Abfallhandel
Die derzeit gültige Verordnung über die Verbringung von Abfällen (Verordnung [EG] Nr. 1013/2006) ist seit dem Jahr 2006 in Kraft. Der nun von der Kommission vorgelegte Vorschlag enthält neue Vorschriften für die Ausfuhr von Abfällen aus der EU, legt neue Maßnahmen zur besseren Bekämpfung des illegalen Abfallhandels fest und vereinfacht den Transport von Abfällen zum Recycling oder zur Wiederverwendung in der EU.
So sollen die Ausfuhren von Abfällen in Länder außerhalb der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nur unter der Bedingung zugelassen werden, dass die Drittländer zur Abnahme bestimmter Abfälle explizit bereit sind und nachweisen, diese auch nachhaltig bewirtschaften zu können. Das entsprechende Land muss dies bei der Kommission offiziell beantragen; von der Kommission wird sodann eine Liste der Länder erstellt, die zur Einfuhr von Abfällen aus der EU zugelassen sind.
Alle EU-Unternehmen, die Abfälle aus der EU ausführen, sollen außerdem verpflichtet werden sicherzustellen, dass die Anlagen, die ihre Abfälle empfangen, einer unabhängigen Prüfung unterliegen. Weiterhin will die Kommission Kriterien festlegen, um bei bestimmten Produkten besser zwischen Gebrauchtwaren und Abfall unterscheiden zu können und damit Umgehungen der Abfallregelungen zu vermeiden. Dies betrifft insbesondere Gebrauchtwagen, Batterien und Textilien.
Zur Abschreckung sollen die geltenden Vorschriften für Verwaltungssanktionen beim illegalen Abfallhandel verschärft werden. Zur besseren Durchsetzung der Regelungen will die Kommission außerdem in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (Office de Lutte Anti-Fraude – OLAF) Untersuchungen der Mitgliedstaaten zu grenzübergreifender Kriminalität unterstützen.
Die Kommission geht davon aus, dass die neuen Vorschriften zu einer nachhaltigeren Behandlung direkter Abfallströme führen und den Übergang zu neuen Geschäftsmodellen einläuten. Gleichzeitig plant sie weitere Gesetzesvorhaben, um das Abfallaufkommen in der EU insgesamt zu verringern, etwa in Bezug auf die Gestaltung von Verpackungen.
Fazit
Die aufgezeigten Gesetzgebungsvorhaben fügen sich in einen ESG-geprägten Regulierungsrahmen auf europäischer und nationaler Ebene ein. Sie bringen weitreichende neue Anforderungen für Wirtschaftsbeteiligte mit sich, wenn sie entsprechend umgesetzt werden. Der für Umwelt, Meere und Fischerei zuständige Kommissar Virginijus Sinkevičius erklärte: „Wenn wir von unseren Partnern eine ehrgeizigere Klima- und Umweltpolitik erwarten, sollten wir damit aufhören, unsere Umweltverschmutzung zu exportieren und die Entwaldung voranzutreiben. Die Entwaldungs- und die Abfallverbringungsverordnung, die wir vorbringen, sind die ehrgeizigsten gesetzgeberischen Ansätze zur Bewältigung dieser Probleme weltweit.“
Die Verordnungen sind bislang lediglich Gesetzesvorschläge der Europäischen Kommission, die während des Gesetzgebungsverfahrens unter Beteiligung des Rats der Europäischen Union (d.h. der Vertreter der Mitgliedstaaten) und des Europäischen Parlaments freilich noch Änderungen unterliegen können, bevor sie als Gesetz verabschiedet werden. Als EU-Verordnungen werden sie dann jedoch unmittelbare Geltung in den Mitgliedstaaten entfalten. Daher sollten sich Wirtschaftsbeteiligte, die in den dargestellten Bereichen tätig sind, bereits auf die zukünftigen Anforderungen einstellen und vorbereiten.
Es ist außerdem zu erwarten, dass die Europäische Kommission weitere innovative Gesetzgebungsvorhaben im Bereich ESG und zur Umsetzung des Grünen Deals vorantreibt. In diesen Kontext gehört auch der seit Langem angekündigte Richtlinienentwurf der Kommission zur nachhaltigen Unternehmensführung („Sustainable Corporate Governance“ – SCG, letztlich das EU-Lieferkettengesetz). Während die Entwaldungsverordnung bestimmte Produktlieferketten reguliert, setzt die SCG-Initiative – wie auch das deutsche Lieferkettengesetz – auf einen sektorübergreifenden Ansatz und soll Sorgfaltspflichten für größere Unternehmen in Bezug auf die Vermeidung von Umweltschäden und die Verletzung von Menschenrechten vorsehen.