Die EU-Kommission führte eine öffentliche Konsultation zum Entwurf einer neuen Durchführungsverordnung zur „Foreign Subsidies Regulation“ durch. Auf welche Weise Brüssel künftig Drittstaatensubventionen Herr werden will und was bei öffentlichen Vergabeverfahren sowie M&A-Transaktionen zu beachten ist.
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Die Europäische Union hat Subventionen aus Drittstaaten den Kampf angesagt und dazu die „Verordnung über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen“ (Verordnung [EU] 2022/2560) verabschiedet. Diese trat am 12. Januar 2023 in Kraft und findet ab dem 12. Juli 2023 weitgehend Anwendung. Die Kommission hat nun am 6. Februar 2023 einen Entwurf für eine Durchführungsverordnung vorgelegt, in der die anzuwendenden Vorschriften und das Verfahren im Rahmen der Drittstaatensubventionskontrolle erläutert werden. Das öffentliche Konsultationsverfahren hierzu endete am 6. März 2023.
Die neue Drittstaatensubventionsverordnung bzw. „Foreign Subsidies Regulation“ (FSR) betrifft zum einen öffentliche Vergabeverfahren. Sie wird zum anderen erhebliche Auswirkungen auf M&A-Transaktionen (Fusionen und Übernahmen) haben und den Bürokratieaufwand sowie die Kosten für viele Unternehmen, die im EU-Binnenmarkt tätig sind, deutlich erhöhen. Die damit einhergehenden Anmeldepflichten und Prüfverfahren der neuen Drittstaatensubventionskontrolle treten zu den bekannten Instrumenten der kartellrechtlichen Fusionskontrolle und der außenwirtschaftsrechtlichen Investitionskontrolle hinzu und sind von diesen unabhängig.
Die FSR soll der Europäischen Kommission eine adäquate Kontrolle finanzieller Zuwendungen von Drittstaaten für in der EU tätige Unternehmen ermöglichen und gibt der Kommission die Kompetenz, bei Bedarf die wettbewerbsverzerrenden Auswirkungen durch geeignete Maßnahmen zu beseitigen. Ziel ist es, zwischen sämtlichen – europäischen und außereuropäischen – im Binnenmarkt tätigen Unternehmen Chancengleichheit herzustellen, d.h. für gleiche Wettbewerbsbedingungen zu sorgen („level playing field“).
Näheres zum Hintergrund und zu den Eckpunkten der FSR findet sich in unserem Blogbeitrag vom 12. Januar 2023.
Um chancengleichen Wettbewerb auf dem Binnenmarkt herzustellen, sieht die Drittstaatensubventionsverordnung drei spezifische Prüfinstrumente vor:
1. Anmeldungsbasiertes Instrument für die Prüfung von Zusammenschlüssen und Übernahmen
Für Zusammenschlüsse und Übernahmen sieht Kapitel 3 der FSR neue Regeln vor. Hat das erworbene oder ein an der Fusion beteiligtes Unternehmen im vorangegangenen Geschäftsjahr einen Gesamtumsatz von mindestens 500 Mio EUR innerhalb der EU erzielt und hat eines der beteiligten Unternehmen eine drittstaatliche finanzielle Zuwendung von mindestens 50 Mio EUR innerhalb der letzten drei Kalenderjahre erhalten, muss der geplante Zusammenschluss bzw. die geplante Übernahme vor dem Vollzug bei der Kommission angemeldet werden.
Während die Prüfung durch die Kommission läuft, dürfen angemeldete Zusammenschlüsse und Übernahmen nicht vollzogen werden, es besteht also ein Vollzugsverbot. Dabei knüpft die Anmeldepflicht an drittstaatliche finanzielle Zuwendungen der öffentlichen Hand an, was weiter zu fassen ist als der Begriff der Subvention, sodass es für die formell-rechtliche Anmeldepflicht auf ein begünstigendes Element zunächst nicht ankommt. Diese Anmeldepflicht greift grundsätzlich dann ein, wenn ein Zusammenschluss dadurch bewirkt wird, dass eine dauerhafte Veränderung der Kontrolle stattfindet. Sie gilt losgelöst von den bekannten Pflichten im Zusammenhang mit der EU-Fusionskontrolle.
Nach Ablauf eines Übergangszeitraumes von sechs Monaten wird die Mehrzahl der neuen Vorschriften ab dem 12. Juli 2023 gelten. Dieser Geltungsbeginn ist entscheidend für die Anwendung der Vorschriften der Drittstaatensubventionsverordnung; denn sie finden nur auf solche M&A-Transaktionen Anwendung, bei denen das Signing nach diesem Zeitpunkt erfolgt.
Die neuen Anmeldepflichten und bußgeldbewerten Vollzugsverbote gelten sodann drei Monate nach dem Datum des Geltungsbeginns, d.h. ab dem 12. Oktober 2023.
2. Anmeldungsbasiertes Instrument für die Prüfung von Angeboten in öffentlichen Vergabeverfahren
Bei großen öffentlichen Vergabeverfahren mit einem geschätzten Auftragswert oberhalb der Schwelle von 250 Mio EUR muss ebenfalls ein Anmeldeverfahren durchgeführt werden, wenn der Bieter eine drittstaatliche finanzielle Zuwendung von mindestens 4 Mio EUR erhalten hat. Auch insoweit greift ein Vollzugsverbot, d.h. während die Prüfung durch die Kommission läuft, darf im Rahmen eines öffentlichen Vergabeverfahrens Bietern, die Gegenstand einer Prüfung sind, nicht der Zuschlag erteilt werden.
3. Allgemeines Marktuntersuchungsinstrument
Für alle weiteren Marktsituationen und für Zusammenschlüsse bzw. Gebote in öffentlichen Vergabeverfahren nach Zuschlagserteilung unterhalb der jeweiligen Schwellenwerte sieht die Verordnung ein dem kartellrechtlichen Pendant ähnelndes allgemeines Marktuntersuchungsinstrument für die Fälle vor, in denen die Kommission eine drittstaatliche Subvention vermutet. In diesen Fällen kann Brüssel dann im Ergebnis eine Ad-hoc-Anmeldung verlangen.
Darüber hinaus beinhaltet die Verordnung weitreichende Untersuchungsbefugnisse und die Möglichkeit, ein Zwangs- oder Bußgeld zu verhängen, damit die Kommission ihre Prüfungsbefugnisse durchsetzen kann.
Entwurf der neuen Durchführungsverordnung
In dem am 6. Februar von der Kommission vorgelegten Entwurf für eine Durchführungsverordnung finden sich praktische und verfahrenstechnische Aspekte im Zusammenhang mit der Anwendung der neuen EU-Vorschriften, wenn der Verdacht auf wettbewerbswidrige drittstaatliche Subventionen besteht. Enthalten sind außerdem Vorgaben zur Berechnung von Fristen, für die Akteneinsicht und für die Vertraulichkeit von Informationen. Zudem wurden zwei Formularentwürfe, zum einen für Zusammenschlüsse und zum anderen für öffentliche Vergabeverfahren, veröffentlicht. Diese sind als „Annex I“ (für M&A-Transaktionen) und als „Annex II“ (für öffentliche Vergabeverfahren) bezeichnet.
Die zentralen Bestimmungen des Entwurfs für eine Durchführungsverordnung sowie der Formularentwürfe sind in folgenden Punkten aufschlussreich:
Nach einer Bestimmung des Anwendungsbereichs (Kapitel I) wird der Personenkreis festgelegt, der Anmeldungen von Zusammenschlüssen/Fusionen vorzunehmen bzw. Erklärungen im Rahmen von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge abzugeben hat (Kapitel II). Diese Personen haben im Fall von M&A-Transaktionen das Formularblatt (Annex I) für die Anmeldung von Zusammenschlüssen zu verwenden und der Kommission vorzulegen.
Mitteilungen im Rahmen von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge sind in der durch das weitere Formblatt (Annex II) vorgeschriebenen Weise nicht an die Kommission, sondern an die zuständigen öffentlichen Auftraggeber bzw. die zuständige Vergabestelle zu übermitteln. Diese legt die Formblätter dann gesammelt der Kommission vor.
Leitet die Kommission nach der Übermittlung der Formularblätter eine sog. eingehende Untersuchung ein, veröffentlicht sie eine Zusammenfassung ihrer Entscheidung im Amtsblatt der EU (Kapitel III). Daraufhin kann das betroffene Unternehmen innerhalb von einem Monat ab dem Tag der Veröffentlichung im Rahmen einer Anhörung Stellungnahmen abgeben. Die Kommission kann im Zuge ihrer Untersuchung Unternehmen sowie die öffentlichen Auftraggeber befragen.
Es folgen Regelungen zur form- und fristgemäßen Einreichung von Verpflichtungsangeboten im Rahmen angemeldeter M&A-Transaktionen und öffentlicher Vergabeverfahren, die die Kommission für bindend erklären kann, wenn sie aus ihrer Sicht geeignet und hinreichend sind, die Verzerrung des Binnenmarkts vollständig und wirksam zu beseitigen (Kapitel IV). Das Unternehmen, das Gegenstand der Untersuchung ist, kann sich zu der von der Kommission zu erlassenden Entscheidung schriftlich innerhalb einer bestimmten Frist äußern (Kapitel V). Schließlich enthält der Entwurf Vorgaben zur Behandlung von vertraulichen Informationen (Kapitel VI), zum Akteneinsichtsrecht durch das betroffene Unternehmen (Kapitel VII), zur Fristberechnung (Kapitel VIII), zur formgerechten Übermittlung von Dokumenten (Kapitel IX) und Schlussbestimmungen (Kapitel X).
Neues Anmeldeformular für M&A-Transaktionen (Annex I)
Im vorgelegten Annex I befindet sich der Entwurf eines Anmeldeformulars für Unternehmenszusammenschlüsse bzw. Fusionen. Folgende Angaben sind verpflichtend:
• grundlegende Informationen, die für die Beurteilung aller Zusammenschlüsse erforderlich sind (Beschreibung des Zusammenschlusses, beteiligte Parteien etc.);
• Informationen über die von den Parteien erhaltenen ausländischen Finanzbeiträge (vgl. Art. 20 Abs. 3b FSR);
• Informationen, anhand derer beurteilt werden kann, ob die ausländischen Finanzbeiträge zu dem Zusammenschluss den Binnenmarkt verfälschen können;
• Belegdokumente.
Der Anmeldepflichtige kann dazu freiwillig Informationen über mögliche positive Auswirkungen der ausländischen Subventionen auf die Entwicklung der betreffenden subventionierten Wirtschaftstätigkeiten im Binnenmarkt abgeben. Annex I enthält zu den geforderten Informationen detaillierte Abschnitte, in denen genau beschrieben wird, welche Informationen der Anmeldepflichtige einreichen muss. Dabei wird in Abschnitt 5 definiert, welche ausländischen Finanzbeiträge aufgeführt und der Kommission gemeldet werden müssen (wenn der Einzelbetrag mind. 200.000 EUR und der Gesamtbeitrag der Beträge pro Drittland und Jahr mind. 4 Mio EUR beträgt).
Neues Anmeldeformular für öffentliche Vergabeverfahren (Annex II)
In Annex II findet sich der Entwurf eines Anmeldeformulars für Bieter, die sich an einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge beteiligen. Dieses Formular ist wiederum in verschiedene Abschnitte eingeteilt, zu denen Informationen gemacht werden müssen, insbesondere:
• eine zusammenfassende Beschreibung des Vergabeverfahrens;
• Informationen über die anmeldende(n) Partei(en);
• detaillierte Informationen über die ausländischen Finanzbeiträge;
• Belegdokumente.
Auch Annex II enthält detaillierte Informationen zu den jeweils geforderten Unterlagen. Hierbei wird in Abschnitt 3 definiert, welche Finanzbeträge gelistet werden müssen. Das sind diejenigen, bei denen der Gesamtbetrag in den drei Jahren vor der Anmeldung 4 Mio EUR pro Drittland erreicht oder überschreitet.
Darüber hinaus kann fakultativ eine Erklärung abgegeben werden, warum das Angebot nicht ungerechtfertigt günstig ist. Zudem besteht die Option, mögliche positive Auswirkungen des Zuschusses auf die Entwicklung des geförderten Wirtschaftszweigs sowie die einschlägigen politischen Ziele darzulegen.
Ausblick
Interessierte Wirtschaftsbeteiligte hatten im Rahmen des laufenden öffentlichen Konsultationsverfahrens bis zum 6. März 2023 Zeit, Stellungnahmen zu den Entwurfsdokumenten abzugeben. Die eingehenden Stellungnahmen werden von der Kommission bei der Ausarbeitung der endgültigen Fassung der Durchführungsverordnung berücksichtigt, damit die Vorschriften im zweiten Quartal 2023 vor Beginn der Anwendung der FSR verabschiedet werden können.
Der Entwurf der Durchführungsverordnung sowie die dazugehörigen Anhänge enthalten noch keine Aussage darüber, wie die Kommission bei der Auslegung der Verordnung vorzugehen gedenkt. Der Entwurf entsprechender Leitlinien dafür ist für die kommenden Monate angekündigt.