Herr Mertlik, Sie sind Betriebswirt und haben nach Jahren im Vertriebsinnendienst in diesem Jahr die Exportleitung bei Murrplastik übernommen. Was hat Sie daran besonders gereizt? Wie ist Ihr Unternehmen international aufgestellt?
Mertlik: Die Murrplastik Systemtechnik GmbH ist weltweit aufgestellt. Wir betreuen von Oppenweiler aus unsere eigenen Auslandsniederlassungen sowie unsere Partnergesellschaften. Besonders gereizt haben mich an der Aufgabe die vielen verschiedenen Schwerpunkte. Neben der Betreuung der Kunden liegt doch ein großer Schwerpunkt meiner Tätigkeit auf der Exportkontrolle und den weiteren rechtlichen Themengebieten. Hier sind heutzutage einfach gute Konzepte gefragt, um das Unternehmen in eine gute Position zu bringen. Auch die operative Abwicklung von Exportsendungen bringt eine gewisse Herausforderung mit sich, da die Anforderungen von Kundenseite wie auch von staatlicher Seite immer weiter wachsen.
Herr Emrich, Sie sind ebenfalls Betriebswirt und haben nach Ihrer Ausbildung zum Bürokaufmann bei Wenzel, einem berufsbegleitenden Studium zum Betriebswirt und einigen Jahren als Sachbearbeiter und Teamleiter die Exportleitung bei Wenzel Präzision übernommen. Wie ist es dazu gekommen, und wie ist Ihr Unternehmen international aufgestellt?
Emrich: Im Zuge meiner beruflichen Entwicklung konnte ich schon direkt nach meiner Ausbildung erste Erfahrungen als Auftragssachbearbeiter in der Export- und Zollabwicklung sammeln. Ich denke, der besondere Reiz war das absolut abwechslungsreiche Aufgabengebiet, beginnend von der vollständigen Versand- bis hin zur anspruchsvollen Ausfuhrabwicklung. Zudem war glücklicherweise direkt nach meinem Abschluss als Betriebswirt eine Vakanz dringend zu besetzen. Über die Jahre hinweg wurde mein Interesse an dieser Aufgabe immer größer, und ich habe mit zunehmendem Engagement und Freude an der kontinuierlichen Optimierung der Zoll-, Versand- und Exportkontrollprozesse bei Wenzel, aber auch an meiner persönlichen Entwicklung gearbeitet.
Die Firma Wenzel Präzision ist ein familiengeführtes Unternehmen mit Hauptsitz in Wiesthal und darüber hinaus einer der weltweit führenden Messmaschinenhersteller. In Wiesthal wird, außer in unserem zweiten Produktionsstandort in Schanghai, ein Großteil unserer Maschinen produziert als auch weltweit vertrieben. In den wichtigsten Märkten sind wir mit eigenen Tochtergesellschaften vertreten und verfügen über ein weltweit gut ausgebautes Vertriebs- und Servicenetzwerk.
Im Export treffen klassische Verkaufs- und Vertriebstätigkeiten auf umfangreiche Regularien und vielfältige Anforderungen der Auslandsmärkte. Was macht aus Ihrer Sicht einen guten Exportleiter aus? Und was sollte ein Exportleiter können?
Mertlik: Es ist schwer zu beurteilen, was einen guten Exportleiter ausmacht, da die Anforderungen in jedem Unternehmen verschieden sind. Es ist jedoch richtig, dass die Tätigkeiten sehr vielfältig sind. Wichtig ist einfach, den Überblick zu behalten und die Dinge ganzheitlich zu sehen. Interessant wird es, wenn Kundenanforderungen (vor allem an eine schnelle Lieferperformance) auf rechtliche Voraussetzungen treffen.
Emrich: Meines Erachtens hängt der Erfolg eines guten Exportleiters gleich von mehreren Faktoren ab. Aufgrund des stetigen Wandels von wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen ist es sehr wichtig, seine Fachkenntnisse durch stetige Recherchen sowie Weiterbildungsmaßnahmen up to date zu halten. Darüber hinaus ist es wichtig, einen guten Informationsaustausch zwischen den einzelnen Geschäftsbereichen und den Entscheidungsträgern zu gewährleisten.
Welche Bedeutung hat die Beobachtung der politischen und wirtschaftlichen Situation der Auslandsmärkte für Ihre Tätigkeit?
Mertlik: Das weltweite politische Geschehen aktiv zu beobachten gehört für mich definitiv zu meiner Tätigkeit. Rechtliche Rahmenbedingungen können sich schnell ändern. Auch können sich solche Veränderungen stark auf die wirtschaftliche Situation in einem Land auswirken. Daher ist es wichtig, abschätzen zu können, in welche Richtung es gehen wird.
Emrich: Die Beobachtung der wirtschaftlichen und politischen Situation ist für mich und in meiner Funktion sehr wichtig. Es gilt, die weltweiten politischen Entwicklungen richtig einschätzen zu können. Dies ist vor allem wichtig, um potentielle Risiken frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig Maßnahmen und strategischen Entscheidungen zu treffen.
Herr Mertlik, Sie haben Ihre Ausbildungs- und Qualifizierungsschritte (Kaufmann, Industriefachwirt, Betriebswirt) vor allem in der IHK absolviert. Welche Weiterbildungsangebote sollte man im Bereich Export nutzen? Reichen die Angebote der IHK?
Mertlik: Die Angebote der IHK sind sehr gut. Speziell in der wirtschaftlich starken Region Stuttgart ist die IHK sehr erfahren im Bereich Export. Daher kann man die Angebote auf jeden Fall empfehlen. Grundsätzlich empfiehlt es sich dennoch, unterschiedliche Angebote zu nutzen. Beispielsweise versuchen wir, die rechtlichen Änderungen eines jeden Jahres durch mehrere Anbieter abzudecken. Mein komplettes Team geht auf diese Veranstaltungen, wobei wir dann immer darauf achten, dass wir eben verschiedene Anbieter nutzen. Grundsätzlich ist es aber so, dass der Bereich Export in der Berufsausbildung noch viel zu wenig Berücksichtigung findet. Das führt dazu, dass viele Mitarbeiter in diesem Bereich Quereinsteiger sind. Hier spielt also zu einem großen Teil auch die Erfahrung eine Rolle, die man sich über Jahre angeeignet hat.
Herr Emrich, Sie haben Ihre Qualifizierungsschritte (kaufmännischer Fachwirt, Betriebswirt) an der Akademie für Unternehmensführung in Würzburg absolviert. War das im Rückblick die richtige Wahl, oder würden Sie jungen Kaufleuten mit Interesse am Export etwas anderes empfehlen? Welche Weiterbildungsangebote sollte man im Bereich Export nutzen? Reichen die Angebote der IHK?
Emrich: Meine Weiterbildung zum kaufmännischen Fachwirt und anschließend zum Betriebswirt war, rückblickend gesehen, für mich persönlich definitiv die richtige. Natürlich bilden die Lehrhinhalte des Fach- und Betriebswirtes eine sehr gute Basis, um die betriebswirtschaftlichen Geschäfts- und Verkaufsprozesse im Unternehmen besser verstehen zu können sowie dafür, sich Führungs- und Marketinggrundsätze anzueignen. Jedoch sind diese Themen für mein Aufgabengebiet als Export- und Versandleiter, fachlich gesehen, leider nicht ausreichend, und ich konnte mich auf diesem Wissen nicht ausruhen. Daher blieb es nicht aus, weiterführende Seminare und Schulungen bei verschiedensten Bildungsträgern unter anderem mit den Schwerpunkten Zoll, Exportkontrolle, Akkreditiv-, Präferenz- und Vertragsrecht zu besuchen.
Es gibt durchaus zielführende Varianten wie z.B. eine mehrmonatige Weiterbildung zum Exportmanager/zur Exportmanagerin (inkl. IHK-Abschluss). Letztendlich können jedoch unterschiedlichste Wege zum gleichen Ziel führen. Die IHKs bieten bereits ein sehr gutes Angebot an Bildungsmöglichkeiten, und auch ich habe schon einige Veranstaltungen besucht. Doch auch andere Bildungsträger bieten sehr gute, zum Teil bessere fachliche und inhaltliche Seminare an.
Die Digitalisierung hat in den vergangenen Jahren auch den Export erreicht. Sind digitale Geschäftsmodelle für Ihr Unternehmen ein Thema, und wie verändern sich dadurch die Anforderungen an die Exportabteilung?
Mertlik: Viele Themen im Bereich des Exports sind bereits digitalisiert – man braucht nur an die Abwicklung der Verzollung über ATLAS zu denken oder die EDI-Anbindung an die Speditionen. Das Zusammenspiel zwischen Kunde, Lieferant, Spediteur und Behörden wird immer mehr digitalisiert. Hier besteht die größte Herausforderung für eine Exportabteilung darin, das Zusammenspiel an den Schnittstellen sauber einzurichten. Die Daten müssen korrekt und zuverlässig übermittelt werden, auch um rechtliche Probleme zu vermeiden. Eine komplett automatisierte Exportkontrolle ist im Moment in meinen Augen noch nicht umsetzbar. Je mehr aber auch die Behörden ihre Digitalisierung vorantreiben, desto eher ist dieses Ziel erreichbar.
Emrich: Die Digitalisierung spielt bei Wenzel allgemein eine wichtige Rolle, und es wurden schon vor Jahren erste vielversprechende und interessante Projekte in diese Richtung gestartet. Einige Maßnahmen tragen bereits erste Früchte und konnten erfolgreich in unsere Geschäftsprozesse, Produkte sowie Vertriebsstrategien integriert werden. Meiner Meinung nach hat die Digitalisierung im Export bereits schon früh begonnen – so gibt es beispielsweise schon seit fast zehn Jahren die elektronische Ausfuhranmeldung, und auch die Antragstellung beim BAFA ist schon mehrere Jahre papierlos über das ELAN-K2-Portal möglich. Auch die weiteren Entwicklungen im Zuge der Digitalisierung bergen durchaus neue Anforderungen für die Exportabteilung, und es gilt sich frühzeitig damit auseinanderzusetzen.
Vielen Dank für das Gespräch.
kristian.mertlik@murrplastik.de
maximilian.emrich@wenzel-cmm.com