Mit über 80 Millionen Einwohnern hat die Türkei eine junge, recht gut ausgebildete Bevölkerung und vor allem viele unternehmerisch denkende Menschen, die die Möglichkeiten, die sich der Türkei als Tor zum Mittleren Osten und zu den Stan-Ländern bieten, kreativ ausschöpfen.

Die politischen Turbulenzen in Vorderasien und im Mittleren Osten haben die Complianceherausforderungen beim Export in diesen Wirtschaftsraum in die Höhe geschraubt. Mit IT-Unterstützung lassen sich die Handelsrisiken jedoch managen.

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Bürgerkrieg in Syrien, Einmarsch türkischer Truppen in Nordsyrien, Schlagabtausch zwischen den USA und dem Iran im Irak und in Syrien, iranische Angriffe auf Schiffe in der Straße von Hormoz und auf eine Ölraffinerie in Saudi-Arabien, Stellvertreterkrieg im Jemen – alle diese Ereignisse sind Gift für den deutschen Export. Negativ wirken sich auch die Verlangsamung des Weltwirtschaftswachstums, die Ausbreitung des Coronavirus  und der niedrige Ölpreis aus, der Investitionsvorhaben in den ölproduzierenden Ländern ausbremst.

Tor zum Mittleren Osten

Der Handel mit der Türkei leidet zudem unter der schrumpfenden Wirtschaftsleistung, der hohen Inflationsrate, hohen Zinsen und dem Wertverlust der türkischen Währung. Deutsche Produkte sind dadurch z.T. sehr teuer geworden.

Die Euphorie nach Abschluss der Zollunion zwischen der EU und der Türkei im Jahr 1996 ist längst verflogen. Trotzdem schätzen Experten die mittel- bis langfristigen Exportchancen für deutsche Unternehmen in der Türkei als gut ein.

Das Land mit über 80 Millionen Einwohnern hat eine junge, recht gut ausgebildete Bevölkerung und vor allem viele unternehmerisch denkende Menschen, die die Möglichkeiten, die sich der Türkei als Tor zum Mittleren Osten und zu den Stan-Ländern bieten, kreativ ausschöpfen.

Im konsumfreudigen Mittelstand wächst die Nachfrage nach Qualitätsprodukten und -dienstleistungen. In Industrie und Handel sind innovative Technologien (Maschinen, IT, Infrastruktur, Transportwesen, Medizintechnik) gesucht.

Die EU ist mit Abstand der größte Exportmarkt der Türkei (mit rund 50%), während die Türkei der fünftgrößte Import- und Exportmarkt der EU ist. Unter den deutschen Exportpartnern steht die Türkei auf Platz 15. Letztes Jahr gingen laut türkischem Statistikamt deutsche Waren im Wert von 21,3 Mrd USD in die Türkei. Die Türkei ist außerdem ein wichtiger Produktionsstandort für deutsche Unternehmen und Zulieferer.

Chancen in Arabien

Auch die Exportchancen in Saudi-Arabien werden mittel- und langfristig als gut beurteilt, auch wenn es derzeit nicht rund läuft. Positiv wirken u.a. die internen Reformen im Rahmen der Saudi Vision 2030. Saudi-Arabien ist ein interessanter Absatzmarkt für Maschinen und Anlagen, Fahrzeuge, chemische, elektrotechnische, feinmechanische und optische Erzeugnisse, Pharmaprodukte, Luxusgüter und Lebensmittel. Als problematisch gelten Rüstungsexporte, insbesondere nach dem Mord an dem Journalisten Kashoggi. Saudi-Arabien ist nach den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) Deutschlands zweitwichtigster arabischer Handelspartner, Deutschland seinerseits Saudi-Arabiens viertgrößter Lieferant. 2018 betrugen die deutschen Exporte nach Saudi-Arabien 6,26 Mrd EUR (–4% im Vergleich zum Vorjahr) und die Importe aus Saudi-Arabien nach Deutschland 1,178 Mrd EUR (+46,7% im Vergleich zum Vorjahr).

Die VAE sind Deutschlands größter Handelspartner in der Region und nach der Türkei und neben Saudi-Arabien der wichtigste Absatzmarkt im Nahen und Mittleren Osten sowie Nordafrika, trotz Rückgangs deutscher Ausfuhren seit 2015 (2018: 8,3 Mrd EUR). Wichtigste deutsche Ausfuhrgüter sind Flugzeuge, Pkw, Maschinen sowie elektrotechnische und chemische Erzeugnisse. Auch als Knotenpunkt für den Handel und den Transport nach Ostafrika und den indischen Subkontinent sind die VAE nicht zu unterschätzen.

Der Handel mit dem Irak, Syrien und dem Jemen ist sehr intransparent und bewegt sich kriegsbedingt seit Jahren auf sehr niedrigem Niveau. Hoffnungen auf einen Aufschwung verbinden sich immer mal wieder mit Großprojekten, wie dem Bau neuer Raffinerien und einer Ölpipeline von Basra nach Akaba. Inwieweit sich diese realisieren lassen, bleibt abzuwarten.

Zollunion, aber kein modernes Assoziierungsabkommen

Das seit 1996 bestehende Abkommen der Türkei mit der EU sichert den freien Warenverkehr (keine Ein- und Ausfuhrzölle und Beschränkungen) für Industriegüter und bestimmte landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse. Darüber hinaus werden durch die Zollunion ein gemeinsamer Außenzolltarif für diese Waren festgelegt und die Angleichung des Zollrechts, der Handelspolitik und einiger damit verbundener Wirtschaftsgesetzgebungen sichergestellt.

Allerdings sehen sich Exporteure seit 2011 immer häufiger mit neuen Importbestimmungen, sich ändernden Ein­fuhrkontrollen, Dumping-, Zusatz- und Ausgleichszöllen sowie schwierigen Registrierungs- und Dokumentationspflichten konfrontiert. Dazu gehören auch Ursprungsnachweise in Form eines IHK-Ursprungszeugnisses, einer Lieferantenerklärung oder einer sog. Exporter’s Declaration.

Die im Dezember 2016 begonnenen Verhandlungen über eine Modernisierung des Handelsabkommens – analog zu den Assoziierungsabkommen mit Japan, Kanada und Mexiko – liegen seit Juni 2018 aus diversen politischen Gründen auf Eis.

Abkommen, aber kein Freihandel

Mit Saudi-Arabien, Bahrain, Kuwait, Qatar, Oman und den VAE, den Mitgliedern des Golf-Kooperationsrates – GKR (Gulf ­Co-operation Council – GCC), hat die EU 1989 ein Kooperationsabkommen abgeschlossen. Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen (FHA) wurden 2008 seitens des GKR ausgesetzt und bisher nicht wieder aufgenommen. Der GKR hat allerdings inzwischen ein FHA mit der EFTA und Singapur unterzeichnet. 2014 strich die EU den Mitgliedern des GKR die Zollvergünstigungen für Entwicklungsländer.

Bedeutsam für deutsche Exporteure ist der einheitliche Außenzollsatz im 2008 vom GKR etablierten gemeinsamen Markt (Gulf Common Market), der für die meisten Waren 5% beträgt. Der Warenhandel innerhalb des GKR ist zollfrei. Zollanmeldung und Abgabenerhebung werden grundsätzlich in dem GKR-Mitgliedsstaat durchgeführt, in dem die einzuführende Ware erstmals das Zollgebiet der Zollunion erreicht. Bei der anschließenden Weiterversendung innerhalb der Zollunion sind in der Regel keine weiteren Zollmaßnahmen (Abfertigung, Abgaben) erforderlich.

Im Exportland innerhalb des GKR ist lediglich eine Erklärung für statistische Zwecke auszufüllen, die beim Import in einen anderen GKR-Staat vorgelegt werden muss. Die Zollanmeldungen im Emirat Dubai müssen elektronisch abgegeben werden. Für die Wareneinfuhr in die VAE ist außerdem eine Legalisierung der von der zuständigen IHK bescheinigten Ursprungszeugnisse und Handelsrechnungen durch die Konsularabteilung der Botschaft der VAE erforderlich.

Sanktionsbestimmungen beachten

Mit dem Irak besteht seit dem 1. August 2018 ein nichtpräferenzielles Handels­abkommen, das (auch wenn der Irak noch kein Mitglied der WTO ist) die grundlegenden WTO-Regeln sowie einige wichtige Präferenzklauseln (insbesondere in Bezug auf das öffentliche Beschaffungswesen, Dienstleistungen und Investitionen) enthält. Mit dem Jemen wurde bereits 1998 ein nichtpräferenzielles Kooperationsabkommen abgeschlossen. Beide Länder unterliegen Exportverboten in Bezug auf Rüstungs- und bestimmte Dual-Use-Güter sowie Finanzkontrollen. Die EU-Mitgliedsstaaten sind angehalten, alle Ladungen auf dem Weg nach dem Jemen bei Verdacht einer verbotenen Sendung zu kontrollieren und verbotene Lieferungen zu beschlagnahmen und zu entsorgen. Ein Waffenexportverbot gilt auch für den Libanon.

Der Handel mit Syrien unterliegt seit Beginn des Bürgerkriegs umfangreichen Sanktionsbestimmungen seitens der EU, aber auch der USA. Diese umfassen nicht nur Öl und Ölprodukte sowie Ausrüstung für die Öl- und Gasindustrie, Kraftwerke, Rüstungsgüter, Flugzeugteile, sondern auch Luxusgüter, Maschinen und diverse andere Waren. Unternehmen, die mit ­US-Firmen Handel treiben, sollten sich besonders genau über die Sanktionsbeschränkungen informieren. Das 1977 abgeschlossene Kooperationsabkommen zwischen der EU und Syrien wurde 2011 respektive 2012 teilweise suspendiert. Die Unterzeichnung eines 2008 ausgehandelten Assoziierungsabkommens liegt aus politischen Gründen auf Eis.

Risiken mit IT-Lösung vermeiden

KMUs können sich beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) oder ihrer IHK über die aktuellen Bestimmungen im Handel mit der Türkei und dem arabischen Raum informieren. Bei größeren Warenvolumina und in Anbetracht der volatilen und komplexen

Im- und Exportbestimmungen empfiehlt es sich jedoch, SaaS-IT-Lösungen mit ­kontinuierlich aktualisierter Datenbank einzusetzen. Mit IT-Unterstützung lassen sich multinationale Sanktionslistenprüfungen, Lieferantenerklärungen, komplexe Ursprungsregeln und allfällige Risiken relativ einfach managen, ebenso die Suche nach der richtigen Zolltarifnummer und Exportkontrollgüterlistennummer.

Innovative, ausgefeilte Systeme informieren Unternehmen außerdem, welche Vorschriften bei der Ausfuhr aus Deutschland und der Einfuhr in das Bestimmungsland zu beachten, welche Dokumente notwendig und wie hoch die Zoll- und Mehrwertsteuersätze sind. Sie zeigen dem Nutzer, wo für ihn als Industrie- und Handelsunternehmen oder Logistikdienstleister Risiken bestehen. Und sie dokumentieren firmeninterne Exportkontrollen für Behördennachfragen.

Mit einer solchen Managementsoftware können Exporteure durch die Automatisierung ressourcenintensiver Schritte die Zeit für die Qualifizierung von Waren deutlich reduzieren: Einholung von Lieferanteninformationen, Einhaltung der Ursprungsregeln und Analyse der Stücklisten (Bill of Materials/BOM). So können Verwaltungskosten gesenkt, Zölle und Transportkosten minimiert werden. Auch die Compliance wird verbessert. Da falsche oder nicht gerechtfertigte Ursprungsangaben auf präferenziellen Ursprungsnachweisen nicht nur wirtschaftliche Einbußen zur Folge haben, sondern auch strafrechtliche Zollverfahren für den Exporteur und den Empfänger auslösen können, sollten Firmen alle Prozesse automatisch, auditierbar dokumentieren.

Fazit

Der Export in die Türkei und den arabischen Raum ist in den vergangenen Jahren schwieriger geworden. Neben zolltariflichen und nichttarifären Hürden und Hemmnissen ist die Geschäftskultur eine nicht zu unterschätzende Herausforderung. So fließen beispielsweise kulturelle und religiöse Regeln viel stärker ins Geschäftsleben ein, als das in westeuropäischen Ländern der Fall ist. Ein gutes, IT-gestütztes Trade-Compliance-Management erlaubt Unternehmen trotz Risiken, Chancen in diesem Wirtschaftsraum voll auszuschöpfen.

arnemielken@e2open.com

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