Erhebliche Kosteneinsparung
Wer im Export tätig ist, weiß um die Vielzahl der dafür benötigten Dokumente. Banken, Zollbehörden, Spediteure und Versicherungen fordern zahlreiche Nachweise und Formulare. Vor allem die zunehmende Regulierung im Finanzsektor macht sich im Aufwand bemerkbar. Die Banken stehen daher in den Startlöchern für eine Digitalisierung der Handelsfinanzierung. Im neuen Jahresbericht der Internationalen Handelskammer (ICC: Global Trade: Securing Future Growth) geben über 60% der befragten Banken an, technische Lösungen für die Digitalisierung der Handelsfinanzierung einzusetzen oder den Einsatz vorzubereiten. Doch nur 9% geben an, dass sich dadurch die Kosten und der Aufwand verringert hätten. Die Internationale Handelskammer schätzt den Aufwand einer einzelnen Transaktion auf über 100 Seiten Papier und rechnet mit 4 Mrd Seiten an umlaufenden Dokumenten. Nach einer Schätzung der Boston Consulting Group könnte eine Digitalisierung die Kosten der Handelsfinanzierung um 6 Mrd USD über einen Zeitraum von 3 bis 5 Jahren verringern.
Konkurrierende Plattformen
Die Herausforderung der Digitalisierung liegt zum einen im Aufbau sowie in der Etablierung von Plattformen und zum anderen in der Entwicklung einheitlicher Datenformate und Schnittstellen. Erste Plattformen für Handelsfinanzierung sind bereits aktiv. So haben einige Geschäftsbanken bereits Transaktionen auf den gemeinsamen Plattformen durchgeführt und arbeiten an der Integration von ERP-Systemen. Über die Plattform Batavia wurden Exporte von Autos und Rohmaterialien innerhalb der EU finanziert. Auch eine Getreidelieferung zwischen Schwellenländern war bereits Gegenstand einer digitalen Handelsfinanzierung mit einer Blockchain. Neben „Batavia“ sind aktuell die Plattformen „We.Trade“ und „Marco Polo“ auf dem Markt aktiv.
Handelsfinanzierung bleibt Vertrauenssache
In der Handelsfinanzierung werden zumeist Daten abgebildet, die im Unternehmen für andere Zwecke bereits vorliegen. Eine durchgängige digitale Datennutzung würde die Geschwindigkeit der Transaktionen erhöhen und Kosten senken. Doch für die Unternehmen stellt sich die Frage, ob sie die vorhandenen Daten – insbesondere die ihrer Kunden – in einen digitalen Prozess einspeisen sollten. Eine missbräuchliche Verwendung würde ein nicht unerhebliches Risiko darstellen. Daher dürften die meisten Unternehmen zunächst abwarten, welche Erfahrungen mit den ersten Transaktionen gesammelt werden und wie die Kunden auf die neuen Angebote reagieren.