Indien holt auf! Ob Bevölkerung, Wirtschaft oder Integration in die Weltwirtschaft, der Subkontinent ist ein wichtiger Akteur. Deutschen Exporteuren bieten sich viele Chancen, dabei müssen sie noch nicht einmal Neuland betreten. Die richtigen Partner sind schon vor Ort.
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Seit einiger Zeit ist Indien im globalen Ländervergleich der Riese schlechthin: Laut UNO-Berechnungen ist der Subkontinent seit März 2023 mit mehr als 1,4 Milliarden Menschen das bevölkerungsreichste Land der Welt. Insgesamt zählt Indien fast dreimal so viele Bewohner wie die Europäische Union und hat zudem den bisherigen Spitzenreiter China abgelöst. Die indische Bevölkerung wächst kontinuierlich – während die chinesische schrumpft. Der Subkontinent wird den Vorsprung also ausbauen.
Indien hat den größten Binnenmarkt der Welt und eine große Anzahl junger Menschen in arbeitsfähigem Alter. Erwacht ist der Riese volkswirtschaftlich gesehen längst. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Jahres 2022 war Indien mit 3,4 Bio USD – ein Plus von 7,2% im Vergleich zum Vorjahr – die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt, gleich nach den USA, China, Japan und Deutschland. Für die Jahre 2023 bis 2030 erwarten Ökonomen ein Wirtschaftswachstum von 6% jährlich.
Ziel: Mehr wirtschaftliche Integration Indiens
Angesichts ihrer Größe ist die indische Wirtschaft vergleichsweise wenig am internationalen Handel beteiligt. Allerdings gibt es das politische Bestreben nach mehr wirtschaftlicher Integration. So haben sich Olaf Scholz und Narendra Modi bereits mehrfach getroffen. Zuletzt war Scholz im Februar 2023 bei Modi in Neu-Delhi. Mit dabei: eine Delegation aus Wirtschaftsvertretern, darunter u.a. SAP-Chef Christian Klein und Siemens-Vorstandsvorsitzender Roland Busch, der auch Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft ist. Für große deutsche Konzerne ist Indien schon lange kein Geheimtipp mehr. Unternehmen wie Bosch und Siemens sind bereits seit gut hundert Jahren im Land. Viele deutsche Autohersteller haben dort Werke, dementsprechend sind auch ihre Zulieferer vor Ort. Rund 1.800 deutsche Firmen sind in Indien ansässig. Das kann sich im internationalen Vergleich sehen lassen.
Die wirtschaftlichen Kennziffern zeigen, dass die deutsch-indischen Beziehungen auf einem guten Weg sind. So konnte die bilaterale Handelsbilanz zwischen Deutschland und Indien 2023 um 5% auf den Rekordwert von 33 Mrd EUR gesteigert werden. Zum Vergleich: Der Warenwert der bilateralen Handelsbeziehungen Deutschlands mit China lag im gleichen Jahr bei 254 Mrd EUR. Allerdings sanken sowohl das Importvolumen wie auch das Exportvolumen im Handel mit China deutlich. Setzt sich diese Entwicklung fort, sehen wir für Indien langfristig großes Aufholpotenzial. Der Blick auf die globalen Handelsbeziehungen zeigt, dass sich Indien in der Region erfolgreich als Alternative zu China positioniert. Bspw. verlagerte Apple die Produktion des iPhones in den vergangenen Jahren zunehmend nach Indien. Dort produziert der Tech-Gigant für den lokalen Markt und verringert so die Abhängigkeit vom Produktionsstandort China.
Indien will industrielle Wertschöpfung steigern
Nahezu alle Industriebranchen produzieren in Indien. Die Regierung bemüht sich darum, den Anteil der industriellen Wertschöpfung am BIP zu erhöhen. Deshalb sollen Produktionsanlagen vor Ort entstehen. Die Maschinen dazu kommen in vielen Fällen aus europäischen Ländern, auch aus Deutschland. Ein gutes Beispiel ist die Verpackungsindustrie. Als die indische Regierung 2019 ein Verbot für Einwegplastik ab dem Jahr 2022 beschloss, musste diese Branche mit Hochdruck die Produktionsabläufe umstellen. In der Folge investierte ein indischer Hersteller von Folien für die Verpackung von Lebensmitteln z.B. 30 Mio EUR auf dem Subkontinent – davon entfielen 20 Mio EUR allein auf Maschinen aus Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.
Zweistellige Kreditzinsen: keine Seltenheit in Indien
Naturgemäß sind Geschäfte über Ländergrenzen hinweg kein Selbstläufer, das ist auch im Fall Indiens so. Für Unternehmen, die den Markt erschließen wollen, lohnt es sich, die vorhandenen Strukturen und Netzwerke zu nutzen. So raten bspw. die Experten von Germany Trade und Invest (GTAI) dazu, auf langfristige Geschäftsbeziehungen zu setzen und sich auf harte Preisverhandlungen sowie Nachverhandlungen einzustellen.
Auch die Finanzierung der Geschäfte kann herausfordernd sein. Seit die Zinsen wieder gestiegen sind, ist Liquidität für Unternehmen ein hohes Gut geworden. Auf dem Subkontinent können die Finanzierungskosten sogar in den zweistelligen Bereich gehen: Sowohl Leitzins als auch Kreditmargen liegen dort höher als im Euro-Raum.
Finanzierung als Wettbewerbsvorteil
Diese Erfahrung machte ein Kunde der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Der deutsche Exporteur verkaufte seinem indischen Geschäftspartner Maschinen zur Produktion von Verpackungen im Pharma-Bereich. Das Auftragsvolumen von 5 Mio EUR war für beide Geschäftspartner keine kleine Summe. Daher wünschte sich der Importeur ein Zahlungsziel, um zunächst in die Produktion einsteigen zu können. Für den Exporteur würde das bedeuten: Die Produktion und Lieferung wären längst abgeschlossen, die Liquidität ließe allerdings noch auf sich warten.
Hier kommen zwei Trade-Finance-Instrumente ins Spiel: erstens das im Fachjargon der Banken sog. UPAS L/C (Usance Payable at Sight Letter of Credit). Das ist ein bestätigtes Nachsicht-Akkreditiv, das trotz des enthaltenen Zahlungsziels die Bezahlung des Exporteurs bereits nach erfolgter Lieferung/Leistung vorsieht. Dabei eröffnet die Bank des Importeurs ein Akkreditiv zugunsten des Exporteurs. Der Exporteur erhält sein Geld von der bestätigenden Bank in Deutschland, sobald er nachweisen kann, dass die Lieferung vertragsgemäß erfolgt ist. Der Importeur bezahlt erst zu einem festgelegten späteren Zeitpunkt.
Importeur und Exporteur profitieren
Gerade in Zeiten höherer Zinsen werden die Vorteile für beide Seiten nochmals verstärkt: Der Importeur profitiert vom vereinbarten Zahlungsziel, das ihm seine Hausbank zu vergünstigten Konditionen finanziert, weil diese wiederum im Rahmen der Refinanzierung bessere Konditionen der LBBW erhält.
Der Exporteur kann über den Verkaufserlös bereits nach erfolgter Lieferung verfügen und vermeidet so einen möglichen Liquiditätsengpass durch die Gewährung des geforderten Zahlungsziels. Gleichzeitig werden sowohl das Länder- und Transferrisiko als auch die Bonitätsrisiken des ausländischen Handelspartners und seiner Hausbank eliminiert.
Das zweite Instrument ist das sog. Post-Financing, auch Akkreditiv-Nachfinanzierung genannt. Basis ist hierbei ein Sicht-Akkreditiv, für das eine Finanzierungsvereinbarung zwischen LBBW und Auslandsbank geschlossen wird. Dabei können auch unbestätigte Akkreditive finanziert werden. Insb. indische Geschäftspartner kennen und schätzen diese Möglichkeiten. Abhängig von der Bonität der indischen Bank kann die Refinanzierung eine Laufzeit von bis zu drei Jahren umfassen. Eine Finanzierung kann das Zünglein an der Waage sein, damit das Exportgeschäft überhaupt zustande kommt. Besonders im Umfeld eines starken Wettbewerbs ist das ein entscheidendes Argument für den Vertrieb. Exporteure, die ihren Kunden ein Zahlungsziel gewähren und ggf. auch Zugang zu einer Finanzierung anbieten können, verschaffen sich in Preis- und Geschäftsverhandlungen einen deutlichen Wettbewerbsvorteil.
LBBW unterstützt vor Ort
Unternehmen, die die LBBW mit ins Boot holen, profitieren von deren solidem Netzwerk in Indien. Die Repräsentanz der LBBW in Mumbai feiert im Mai ihr 25-jähriges Jubiläum. Um optimale Marktexpertise zu bieten, deckt die Repräsentanz seit 1999 mit mittlerweile vier Mitarbeiten zudem den kompletten indischen Markt ab – von Neu-Delhi über Mumbai und Pune bis nach Bangalore und Kolkata. Die Experten dort und in Deutschland unterstützen Exporteure beim Markteintritt und stehen diesen mit Finanzierungslösungen, Marktkenntnissen und Netzwerkpartnern zur Seite.