Das Bureau of Industry & Security (BIS) hat im November 2023 die Export Administration Regulations im Halbleiterbereich ergänzt. Durch diese Änderungen sollen zum einen der Handel mit China, insb. durch die Verhinderung von Umgehungslieferungen, weiter eingeschränkt und zum anderen die Anwendung der Vorschriften erleichtert werden.

Beitrag in der Gesamtausgabe (PDF)

Ausgangsfall: D ist Geschäftsführer einer Gesellschaft, die auf spezielle elektronische Baugruppen spezialisiert ist. Mit deren Hilfe können digitale Computer durch das Zusammenschalten bzw. die Aggregation von Prozessoren eine angepasste Spitzenleistung (Adjusted Peak Performance, APP) von 75 gewichteten TeraFLOPS (WT) erreichen. Die elektronischen Baugruppen werden auf Grundlage einer US-Technologie hergestellt, enthalten aber keine US-Bestandteile. D hat eine Geschäftsverbindung zum Händler T in der Türkei, der ihm diese elektronischen Baugruppen abkauft. D geht, ohne dies sicher zu wissen, davon aus, dass ein Großteil der demnächst anstehenden Lieferung an T für einen Supercomputer auf Zypern bestimmt ist. Von welchem Unternehmen dieser Supercomputer betrieben werden soll, weiß D nicht. Muss D wegen der Benutzung einer US-Technologie die US-Halbleiter-Regelungen beachten?

Abwandlung: Das Geschäft läuft für D so gut, dass er auf dem US-Markt aktiv werden möchte. D will seinem Freund und US-Bürger A eine Position als zweiter Geschäftsführer und Teilhaber anbieten, damit dieser den Vertrieb in den USA übernehmen kann. Wie würde sich diese Beteiligung von A auf die Anwendung der US-Halbleiter-Regelungen auswirken?

Die bisherigen US-Halbleiter-Regelungen im Überblick

Mit den US-Halbleiter-Regelungen vom Oktober 2022 (vgl. unseren Beitrag im ExportManager 9/2022) hat die US-Regierung den Handel mit Gütern beschränkt, die für die Fertigung von integrierten Schaltkreisen (IC) oder für Supercomputer bestimmt sind, sowie mit Gütern im Zusammenhang mit fortgeschrittener Computer-Technologie. Die bisherigen Beschränkungen richteten sich dabei vornehmlich gegen die Volksrepublik China, um die technische Vormachtstellung und eine Nutzung von Hightech-Gütern für Waffen zu verhindern. Erreicht wurde dies durch eine Erweiterung der Entity Liste, die Aufnahme neuer Güter-Listungen in die CCL (Commerce Control List) und neue Regelungskomplexe, v.a. Endverwendungskontrollen für IC-Herstellungsanlagen und Supercomputer, sowie die Ausweitung der FDP-Rules (Foreign Direct Product).

Die wesentlichen Änderungen vom 17. November 2023 im Überblick

Mit den Änderungen verfolgt das BIS das politische Ziel, den Technologietransfer nach China und an die US-Waffenembargoländer (D:5-Länder) weiter einzuschränken und die Anwendung der Vorschriften für betroffene Unternehmen zu erleichtern. Gleichzeitig wurden 13 chinesische Unternehmen auf die Entity Liste gesetzt. Die wichtigsten Änderungen sind:

• Für viele Vorschriften gelten als Zielland (Country Scope) anstelle von China und Macau jetzt alle 24 D:5-Länder zzgl. Macau und teilweise auch D:1- und D:4-Länder. Für manche Vorschriften sind wiederum Länder ausgenommen, bei denen es sich gleichzeitig um A:5- und A:6-Länder handelt.

• Unter Anhang 3 zu 732 EAR (Export Administration Regulations) wurden fünf neue halbleiterspezifische Red Flags aufgenommen, die insb. auch auswärtige Firmen bei der Umsetzung der Halbleiter-Regelungen unterstützen sollen.

• Nachdem zuvor unter den Exportkontroll-Klassifzierungsnummern (ECCN) Positionen 3A090 und 4A090 auf alle anderen Positionen hingewiesen worden ist, bei denen Güter die Leistungsparameter und 3A090 und 4A090 erfüllen können, sind nunmehr für alle in Betracht kommenden Positionen unter dem Buchstaben z eigenständige Unterpositionen eingefügt worden. Betroffene Unternehmen hatten darauf hingewiesen, dass nicht jede Genehmigungspflicht vorher erkennbar war und die Umsetzung der Vorschriften nicht immer gewährleistet werden konnte.

• Der Anwendungsbereich von Position 3A090 wurde präzisiert, um gezielt ICs zu erfassen, die sich für eine Anwendung zum KI-Training eignen. In diesem Zusammenhang wurde die US-Allgemeingenehmigung NAC (Notified Advanced Computing) eingeführt, um den Export von ICs mit bloßem Verbraucherstandard zu erleichtern, auch wenn diese sich grundsätzlich für KI-Training eignen.

• Die End-Use-Beschränkungen von § 744.23 EAR sind um zwei weitere Beschränkungen für sog. Advanced Computing Items erweitert worden. Hierbei geht es um eine Genehmigungspflicht für Güter unter bestimmten ECCN-Positionen, auch bei Kunden außerhalb von D:1-, D:4- und D:5-Ländern, wenn die relevante Muttergesellschaft des Kunden in einem D:5-Land oder in Macau ihren Sitz hat. Damit soll verhindert werden, dass Unternehmen aus China oder anderen D:5-Ländern die Halbleiter-Regelungen umgehen, indem sie Standorte in anderen Ländern eröffnen. Dafür wurde bis Ende 2025 eine temporäre US-Allgemeingenehmigung TGL (Temporary General License) für eine Reihe von Advanced Computing Items hinzugefügt, wenn diese zwar in ein D:1-, D:4- oder D:5-Land (ausgenommen A:5- und A:6-Länder) zzgl. Macau geliefert werden, die Endverwendung aber in einem anderen Land ist, solange der Endverwender bzw. dessen Mutter nicht wiederum seinen Sitz in einem D:5-Land zzgl. Macau hat.

• Die ECCN-Positionen 3B001 und 3B002 wurden überarbeitet und um neue Positionen ergänzt, um den Handel mit Ausrüstung zur Halbleiterherstellung nach China wirksamer einzuschränken. Dabei ist die alte Position 3B090 in 3B001 aufgegangen und wurde entsprechend gelöscht. Außerdem wurden für Unterpositionen, soweit noch nicht vorhanden, und Technologie und Software unter den Positionen 3D001, 3D002, 3D003 und 3E001 die Kontrollgründe NT (National Security), RS (Regional Stability) und AT (Anti-Terrorism) ergänzt.

• Für spezielle Lithografie-Ausrüstung gilt ein De-minimis-Wert von 0%, vorausgesetzt dass die Lithografie-Ausrüstung nicht ebenfalls im Land des ersten Exports gelistet ist, was zumindest für die EU der Fall sein dürfte.

• Es gibt eine neue TGL bis zum 31. Dezember 2025 für bestimmte Halbleiterherstellungsausrüstung, die nur dem Kontrollgrund AT unterfällt, für Lieferungen an Empfänger mit Hauptsitz in den USA oder einem A:5- oder A:6-Land, unabhängig vom tatsächlichen Zielland und Produktions-standort. Damit sollen Auswirkungen auf die Lieferkette bis zum Ablauf der TGL abgefedert werden.

• Für US-Personen verbotene Unterstützungsaktivitäten wurden zur besseren Übersicht in drei (anstatt vorher neun) Fallgruppen zusammengefasst.

Neue Definitionen: Es wurde eine Definition für Extreme Ultraviolet (EUV) hinzugefügt und mit den Definitionen für Supercomputer und Advanced-Node ICs im Abschnitt der EAR für Definitionen untergebracht, um Einzelvorschriften überschaubarer zu gestalten.

Lösung des Ausgangsfalles

Die elektronischen Baugruppen von D unterfallen der ECCN-Position 4A003.c, da mit ihnen Prozessoren so zusammengeschaltet werden können, dass sie eine APP von mehr als 70 WT erreichen. Würden diese elektronischen Baugruppen außerdem selbst Prozessoren enthalten, die Leistungscharakteristiken der Position 3A090 erfüllen, was hier nicht der Fall ist, müsste außerdem die Position 4A003.z.1 berücksichtigt werden, die zu weiteren Genehmigungspflichten führen würde.

Elektronische Baugruppen der Position 4A003 unterliegen der Supercomputer-End-Use-Kontrolle gem. § 744.23 (a) (1) EAR, wenn sie für einen Supercomputer in einem D:5-Land bestimmt sind. Bei Zypern handelt es sich um ein D:5-Land. Zwar ist Zypern gleichzeitig ein privilegiertes A:6-Land, das von vielen Exportbeschränkungen befreit ist, aber die A:6-Länder sind bei der Supercomputer-End-Use-Kontrolle nicht vom Anwendungsbereich ausgenommen worden.

D hat zudem Kenntnis davon, dass seine elektronischen Baugruppen in einem Supercomputer in Zypern verbaut werden sollen. Kenntnis liegt nicht nur bei positiver Kenntnis vor, sondern auch schon dann, wenn die betroffene Person auf Grundlage der ihr bekannten Tatsachen das Bewusstsein haben muss, dass ein Umstand mit hoher Wahrscheinlichkeit vorliegt.

Fraglich bleibt allerdings, ob es sich bei den elektronischen Gütern von D um Güter „unter EAR-Jurisdiktion“ handelt. Bei Gütern, die v.a. gelistete US-Komponenten beinhalten, liegt dies v.a. dann vor, wenn die De-minimis-Grenze überschritten wird. Da hier aber keine US-Bestandteile enthalten sind, kommt dies auch dann in Betracht, wenn eine der FDP-Regelungen aus § 734.9 EAR vorliegen würde.

Nahe liegt zunächst die Anwendung der „Supercomputer“ FDP Rule gem. § 734.9 (i) EAR. Da es sich bei den elektronischen Baugruppen von D um direkte Produkte einer US-Technologie der ECCN-Position 4E001 handelt, ist der Product Scope der Regelung eröffnet. Allerdings stellt der Country-Scope bzw. End-Use-Scope der Regelung nur auf Supercomputer ab, die sich in China oder Macau befinden. Diese Regelung ist also nicht auf die elektronischen Baugruppen von D anwendbar, weil hier an einen Supercomputer in Zypern geliefert wird. Dieses Ergebnis wirkt widersprüchlich, weil der Anwendungsbereich für die Supercomputer-End-Use-Kontrolle auf D:5-Länder erweitert worden ist: D sollte sich darauf einstellen, dass der Anwendungsbereich der „Supercomputer“ FDP Rule beim nächsten halbleiterspezifischen Erlass des BIS ebenfalls auf D:5-Länder erweitert wird.

Denkbar ist auch die Anwendung der Advanced Computing FDP Rule gem. § 734.9 (h). Für diese Vorschrift wäre allerdings erforderlich, dass die elektronische Baugruppe von D sowohl ein direktes Produkt einer US-Technologie unter der Position 4E001 ist als auch selbst einer der unter §734.9 (h) (i) (B) EAR genannten ECCN-Positionen unterfällt; beide Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein. Zwar handelt es sich um ein direktes Produkt einer US-Technologie, allerdings wird unter §734.9 (h) (i) (B) EAR nur die ECCN-Position 4A003.z genannt, deren Anforderungen die elektronische Baugruppen von D nicht erfüllen.

Schließlich kommt die Entity List FDP Rule nach § 734.9 (d) EAR in Betracht. Für das Vorliegen des Product Scope beider Varianten genügt hier ebenfalls, dass es sich um ein direktes Produkt einer US-Technologie unter § 734.9 (d) EAR handelt. Darüber hinaus müsste es um eine Footnote 1 oder Footnote 4 Entity nach der Entity List gehen. Wegen der Definition von „Kenntnis“ unter §772.1 EAR kann sich D nicht einfach darauf berufen, dass er nicht weiß, welches Unternehmen für den Bau des Supercomputers auf Zypern verantwortlich ist. Er müsste insoweit zumindest öffentlich frei verfügbare Informationen berücksichtigen.

Fazit zum Ausgangsfall: Es greift zwar generell die Supercomputer-End-Use-Kontrolle ein; aber das Gut wäre nur dann unter EAR-Jurisdiktion, wenn ein in Fn.1 oder Fn.4 der Entity List gelistetes Unternehmen involviert ist. Dann müsste D eine BIS-Genehmigung für das Geschäft mit T einholen.

Lösung der Abwandlung

Will A als Teilhaber und Geschäftsführer beim Unternehmen von D einsteigen, muss A als US-Person die Vorschriften der EAR selbst in vollem Umfang beachten. Neben der Frage, ob ein Gut aufgrund der halbleiterspezifischen EAR-Regelungen unter EAR-Jurisdiktion steht, ist dann insb. die Vorschrift § 744.6 EAR (Beschränkungen bestimmter Aktivitäten von US-Personen) zu beachten, u.a. § 744.6 (c): Diese Vorschrift gilt ausdrücklich auch für Güter, die nicht unter EAR-Jurisdiktion stehen und verbietet eine Reihe von Unterstützungshandlungen im Zusammenhang mit der Entwicklung oder Herstellung von „Advanced-Node ICs“ oder der Lieferung von Halbleiterherstellungsausrüstung.

Ist einer US-Person bekannt, dass Güter für die Entwicklung oder Herstellung von „Advanced-Node ICs“ in einer Einrichtung in einem D:5-Land zzgl. Macau verwendet werden, darf sie für Güter egal welcher Art keine der genannten Unterstützungsaktivitäten durchführen. Weiß sie nicht, ob es sich bei den in dieser Einrichtung entwickelten oder hergestellten ICs um „Advanced Node ICs“ handelt, darf sie für Güter unter den ECCN-Positionen B, C, D und E der Kategorie 3 keine Unterstützungshandlungen durchführen. Für Halbleiter-Herstellungsausrüstung unter bestimmten Positionen von 3B001, 3B002, 3D001, 3D002, oder 3E001 dürfen von US-Personen unabhängig von der Endverwendung keine unterstützenden Aktivitäten ausgeübt werden, wenn diese Güter für ein D:5-Land zzgl. Macau bestimmt sind.

Resümee

Selbst wenn US-Komponenten in einem Gut enthalten sind, können die US-Halbleiter-Regelungen auch dann eingreifen, wenn die De-minimis-Grenze unterschritten wird, u.a. deshalb, weil es um direkte Produkte bestimmter US-Technologie geht, sodass die FDP Rules greifen. Das kann zu umfassenden Genehmigungspflichten führen, die nicht immer für die Exporteure transparent genug sind. Es ist von daher nicht zu verwundern, dass das BIS eine Reihe von Beschwerden im Hinblick auf die schwierige Anwendung der Halbleiter-Regelungen erhalten hat, und sich mit der Neuregelung darum bemüht, die bisherigen Regelungen klarer zu gestalten. Der Technologietransfer und Handel von halbleiterspezifischen Gütern und Technologien mit China und weiteren waffenkritischen Ländern sollte möglichst effektiv eingeschränkt und dabei sollten gleichzeitig unbeabsichtigte Schäden an der eigenen Industrie möglichst vermieden werden.

Insb. mit der Erweiterung des Country Scope auf alle US-Waffenembargoländer (D:5-Länder) und z.T. auch D:1- und D:4-Länder lotet das BIS damit weiter die Grenzen des Möglichen aus, insb. um Umgehungslieferungen zu unterbinden. Mit den beiden neuen TGLs sollen dabei schwerwiegende Auswirkungen auf die heimische Industrie und ihre Lieferketten abgefedert werden.

Wünschenswert wären auch bei dieser Runde teilweise klarere und konsequentere Regelungen gewesen. Unklar ist u.a., warum der Country Scope für viele der Regelungen unterschiedlich ausfällt. So wird z.B. für die Supercomputer-FDP-Regelung weiterhin ausnahmsweise nur auf China und Macau abgestellt. Bei anderen Regelungen wird teilweise auf alle D:1-, D:4- und D:5-Länder zzgl. Macau und teilweise nur auf D:5-Länder zzgl. Macau abgestellt, während Länder, die gleichzeitig A:5- und A:6-Länder sind, auch nicht in jedem Fall vom Anwendungsbereich ausgenommen sind. Es ist davon auszugehen, dass das BIS auch in diesem Jahr wieder zahlreiche kritische Stellungnahmen von betroffenen Unternehmen zu den neuen Regelungen erhalten wird. Diese Stellungnahmen und die Erfahrungen des BIS mit der Wirksamkeit der Regelungen werden wiederum Anlass zu weiteren Änderungen geben. Das letzte Wort im Halbleitermarkt ist noch nicht gesprochen.

Wegen aktueller Hinweise zum US-Exportrecht vgl. HIER und zum EU-Exportrecht vgl. HIER

Hinweis: D:5-Länder sind die 24 US-Waffenembargoländer Afghanistan, Belarus, Burma, China, Eritrea, Haiti, Iran, Irak, Kambodscha, Kongo, Kuba, Libanon, Libyen, Nikaragua, Nordkorea, Russland, Simbabwe, Somalia, Sudan, Südsudan, Syrien, Venezuela, Zentralafrikanische Republik und Zypern.

info[at]hohmann-rechtsanwaelte.com

www.hohmann-rechtsanwaelte.com

Aktuelle Beiträge

Cookie-Einwilligung mit Real Cookie Banner