Unternehmen werden in letzter Zeit mehr und mehr gefordert, was zoll- und außenwirtschaftliche Anforderungen betrifft. Gerade die Sanktionen gegen Russland haben eine starke Verzahnung zwischen Zollrecht und Außenwirtschaftsrecht aufgezeigt.

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Die EU-Verordnung 833/2014 enthielt in der ursprünglichen Version lediglich Verbote für die Ausfuhr von Dual-Use-Gütern an einen definierten Empfängerkreis und einen Genehmigungsvorbehalt für Güter aus dem Bereich der Erdöl- und Erdgasförderung. Durch den Angriff Russlands auf die Ukraine ist eine Vielzahl neuer Beschränkungen hinzugekommen, bei denen durch eine direkte Referenzierung auf die zollrechtliche Einreihung das Zollrecht in das Außenwirtschafts- bzw. Sanktionsrecht direkt einbezogen wird. Auf den ersten Blick scheint dies für die Wirtschaftsunternehmen einfacher bzw. leichter zu sein, weil sich hierdurch eine eindeutige Betroffenheit bestimmter Waren abzeichnet oder auch nicht. Denn selbst in Zweifelsfällen lässt sich über eine verbindliche Zolltarifauskunft offensichtlich keine 100%ige Rechtssicherheit schaffen.

Der handelsrechtliche Ursprung

Aber auch in weiteren Bestimmungen der Russland-Sanktionen findet sich das Zollrecht wieder. Die Regelungen im Art. 55 ff. des Zollkodex der Union (UZK) zur Bestimmung des handelsrechtlichen Ursprungs sind zur Einhaltung der Sanktionsbestimmungen gefragt, wenn man einmal bspw. Art. 3i, 3j oder 3n der VO 833/2014 betrachtet. Hier kommt es darauf an, dass die sanktionierten Waren ihren (handelsrechtlichen) Ursprung in Russland haben. Da die Sanktionsverordnung selbst keine Definition des Ursprungs beinhaltet, kann hier nur auf die ebenfalls gemeinschaftsrechtliche Definition im UZK geschlossen werden.

Und auch Ausnahmetatbestände der VO 833/2014, die sich auf die Verwendung bestimmter sanktionierter Güter beziehen, sind zollrechtlich problematisch. Medizinische Produkte, die in Art. 2a in Verbindung mit Anhang VII zu finden sind, werden z.B. laut Sanktionstext über eine Zollanmeldung geregelt. Hier muss der Einführer in der Anmeldung über eine vorgegebene Unterlagencodierung rechtsverbindlich erklären, dass seine Waren nicht unter den sanktionierten Warenkreis fallen. In anderen Fällen muss der Zoll-Anmelder unter Anwendung einer entsprechenden Unterlagencodierung nachweisen, dass die importieren Stahlprodukte nicht unter die Sanktionsbedingung von Art. 3g fallen. Zur Vermeidung von bußgeldrechtlichen oder gar strafrechtlichen Sanktionen werden hier aus Sanktionssicht also noch einmal qualitativ höherwertige Anforderungen an die Festlegung des handelsrechtlichen Ursprungs und der zolltariflichen Einreihung gestellt. Aber auch sorgfältiges Arbeiten in diesem Bereich bietet manchmal keine 100%ige Sicherheit.

Nehmen wir einmal ein praktisches Beispiel: Ein Unternehmen importiert aus China eine Abfüllwaage mit KN-Code 8423 3010 mit Teilen (8423 9010) und meldet dies auch so in seiner Importanmeldung an. Als Teil ist u.a. ein Messbecher importiert worden. Da die Zentrifuge und die Teile nicht vom Warenkreis von Art. 3i der Russland-Sanktionen umfasst sind, wurden auch keine Erklärungen betreffend Art. 3g der Russland-Sanktionen getätigt. Bei einer nachträglichen Überprüfung des Importvorgangs kommt die Zollverwaltung zu der Erkenntnis, dass es sich bei dem Messbecher um kein erkennbares Teil einer Waage handelt, sondern um eine Ware der Position 7326. Somit hätte für die Einfuhrfähigkeit des Messbechers eine entsprechende Erklärung vorliegen müssen, dass er nicht russischen Ursprungs ist und nicht aus russischem Stahl gefertigt worden ist.

„Ex“ als weiterer Stolperstein

Einen weiteren Stolperstein stellt die teilweise übergreifende Bezeichnung „ex“ dar. Damit ist gemeint, dass nur ein bestimmter Warenkreis einer Position von den Sanktionen umfasst ist. Art. 3k Anhang XXIII „ex 2804 Wasserstoff und andere Nichtmetalle (ohne seltene Gase)“ stellt bspw. nur eine Teilmenge der Position 2804 „Wasserstoff, Edelgase und andere Nichtmetalle“ dar. Das sog. Luxusgüter-Verbot in Art. 3h Abs. 2a und Anhang XVIII verknüpft einmal die zuvor genannten Teilmengen auch noch mit Wertangaben, die sich auf den Stückpreis je handelsüblicher Verpackung bezieht. Diese Kombination stellt auch wieder erhöhte Ansprüche an die Auswertung auf Basis der Durchführungs-VO.

Auch die Handhabung von Warenzusammenstellungen ist aus Sanktionssicht kritisch zu sehen. Aus zolltariflicher Sicht ist es dagegen nicht bedeutend, wenn bestimmte Waren in Kombination mit anderen geliefert werden, solange alle einem konkreten Zweck dienen. Dann kann die Zusammenstellung der Allgemeinen Vorschrift 3b folgend unter der Warennummer zusammengefasst werden, die dem Ganzen den wesentlichen Charakter verleiht, oder, sofern dies nicht ermittelbar ist, unter die Position eingereiht werden, die nummerisch gesehen im Zolltarif die höchste Nummer der in der Zusammenstellung vertretenen Waren hat (AV 3c).

Dem Regelungscharakter von Sanktionen folgend würde diese Auslegung aber dem Sinn dieser Sanktionen zuwiderlaufen, da man durch das Kumulieren mehrerer nicht sanktionierter Waren mit einer sanktionierten Ware über diese zolltarifliche Regelung den Sanktionszweck ad absurdum führen würde. Allerdings findet sich in den Sanktionsbestimmungen kein Passus, der die Anwendung der allgemeinen Vorschriften bei der Tarifierung von Waren für Sanktionszwecke untersagt.

Die Terminologie des Gesetzgebers

Teilweise kämpft man als Wirtschaftsbeteiligter auch mit der Terminologie des Gesetzgebers. Im achten Sanktionspaket gegen Russland sind über Art. 3c und Anhang XI diverse Produkte sanktioniert. Die Auflistung der betroffenen Waren erfolgt ebenfalls über den KN-Code. In Teil B des Anhangs ist z.B. die Warennummer 9026 0000 aufgeführt, die es aber so nicht gibt. Was bedeutet das nun für die Wirtschaftsbeteiligten? Laut Auskunft des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle bezieht der Verweis auf den KN-Code 9026 0000 alle Güter des Kapitels 9026 ein, da es sich bei „0000“ nach Verständnis des BAFA nur um einen Platzhalter handelt.

Eine weitere Formulierung, die etwas auslegungsbedürftig ist, findet sich in Art. 3i der VO 833/2014. Dort lautet Abs. 1: „Es ist verboten, die in Anhang XXI aufgeführten Güter, die Russland erhebliche Einnahmen erbringen und dadurch die Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, ermöglichen, unmittelbar oder mittelbar zu kaufen, in die Union einzuführen oder zu verbringen, wenn sie ihren Ursprung in Russland haben oder aus Russland ausgeführt werden.“

Drei parallel geltende Verbote: ein Kaufverbot, ein Einfuhrverbot und ein Beförderungsverbot

Man könnte bei dieser Formulierung leicht auf die Idee kommen, dass hier nur Güter oder Geschäftsvorfälle sanktioniert werden sollen, die in irgendeiner Weise mit finanziellen Einnahmen für Russland verknüpft sind. Eine Einfuhr von kostenlosen Gütern, die wie z.B. Waren zur kostenlosen Garantiereparatur zurück an den Hersteller zu gehen scheinen, werden in diesem Umfeld also nicht sanktioniert. Juristisch korrekt ausgelegt handelt es sich aber hier um drei parallel geltende Verbote: ein Kaufverbot, ein Einfuhrverbot und ein Beförderungsverbot. Alle Verbote bestehen unabhängig davon, aufgrund welcher vertraglichen Vereinbarung die Güter eingeführt oder befördert werden. Daher ist es dann nicht möglich, Güter von Anhang XXI zu verschiedensten Zwecken von Russland in die EU zu importieren – losgelöst von der Maßgabe, dass damit ein Geldfluss verbunden ist oder nicht.

Nicht ganz aus den Augen verloren werden sollte auch die Problematik mit dem Ursprung der Waren. Art. 3g, 3i, 3j, 3m und 3n weisen nicht nur ein Verbot für Waren mit russischem Ursprung aus, sondern auch für Waren, die aus Russland ausgeführt werden, auch wenn sie einen nicht russischen Ursprung haben.

Zuletzt sei auch noch Art. 12g der VO 833/2014 angesprochen, mit dem Unternehmen, die absolut keine wirtschaftliche Verbindung mit Russland haben, auf einmal in den Regelungskreis der Russland-Sanktionen gezogen werden. Abs. 1 dieses Artikels lautet: „Beim Verkauf, der Lieferung, der Verbringung oder der Ausfuhr von Gütern oder Technologien, die in den Anhängen XI, XX und XXXV der vorliegenden Verordnung aufgeführt sind, von gemeinsamen Gütern mit hoher Priorität gemäß der Liste in Anhang XL der vorliegenden Verordnung oder von Feuerwaffen und Munition gemäß der Liste in Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 258/2012 in ein Drittland – mit Ausnahme der in Anhang VIII der vorliegenden Verordnung aufgeführten Partnerländer – müssen die Ausführer ab dem 20. März 2024 die Wiederausfuhr nach Russland und die Wiederausfuhr zur Verwendung in Russland vertraglich untersagen.“ Somit sind auf einmal alle Wirtschaftsbeteiligten betroffen, die Artikel der genannten Anhänge in Drittländer, ausgenommen der angeführten Partnerländer, exportieren.

Fazit

Mit schon insgesamt 13 veröffentlichten Sanktionspaketen wird den Unternehmen und den damit befassten Mitarbeitern einiges an Wissen und Prozesssicherheit abverlangt. Erschwerend kommt hinzu, dass wie vorstehend geschildert einige Regelungen schlecht formuliert, stark auslegungsbedürftig sind und sich teilweise sogar widersprechen. Es ist daher nicht unbedingt leicht oder gar unmöglich, hier eine absolute Rechtssicherheit zu erlangen. In vielen Fällen wird hier wahrscheinlich die Rechtsprechung das letzte Wort haben und somit leider erst spät für die nötige rechtliche Klarstellung sorgen.

Kausal werden die Sanktionsmaßnahmen eben mit heißer Nadel gestrickt, ohne sie von Praktikern in den einzelnen Ländern auf Praktikabilität prüfen lassen zu können. Erschwerend kommt noch hinzu, dass bei der Festlegung der Maßnahmen meist ein eher misstrauisches Klima der EU-Staaten untereinander denn ein kon-struktives Miteinander vorherrscht. Manchmal werden sogar Maßnahmen beschlossen, die Ergebnis eines „Kuhhandels“ sind, der nur sekundär mit wirksamen Sanktionsregeln zu tun hat.

Was kann nun europäischen Unternehmen geraten werden? Die Betroffenheit über Art. 12g VO 833/2014 sei an dieser Stelle einmal ausgeklammert. Generell sollten alle Prozesse der allgemeinen Exportkontrolle im Unternehmen vorhanden sein. Russland-Geschäfte ohne eine entsprechende organisatorische Ausprägung im Unternehmen sind fast fahrlässig. In Zweifelsfällen sollte auch eine Beratung durch externe juristische Fachkanzleien hilfsweise herangezogen werden bzw. lieber ein Geschäft abgelehnt werden, als sich der Gefahr eines Sanktionsverstoßes auszusetzen.

Generell sollten auch eine Schulung der betroffenen Mitarbeiter zu den aktuellen Regularien stattfinden und die entsprechenden Prozessschritte dokumentiert werden, z.B. im Rahmen eines Innerbetriebliches Exportkontrollsystems (ICP). Sehr wichtig ist aus den genannten Gründen ein geprüfter Materialstamm v.a. in Hinblick auf die korrekte Einreihung. Spezielle Fälle, wie die Einreihung von Warenzusammenstellungen, können nach der allgemeinen zollrechtlichen Bestimmung korrekt im Materialstamm abgebildet sein, aber nach den Sanktionsbestimmungen ein Fehlverhalten auslösen.

bernd.seemann[at]aesculap.de

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