Brasilien ist der größte Kaffeeproduzent der Welt – und setzt bei der Verarbeitung der Bohnen auf europäische Technik. Exporteure greifen dabei häufig auf ECA-gedeckte Bestellerkredite zurück. Doch hier gibt es einiges zu beachten.

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Brasilien ist nicht nur das größte und bevölkerungsreichste Land Südamerikas, sondern auch der größte Produzent und Exporteur von Kaffee weltweit. Rund 40% des Kaffees kommen von hier. Würde man damit Säcke mit je 60 kg füllen, käme man auf stolze 4,3 Millionen Stück, und das allein im Jahr 2020. Der Kaffeeanbau in Brasilien hat eine jahrhundertelange Tradition. Auf fast 2 Mio ha wachsen hier Kaffeepflanzen – das entspricht in etwa der Grundfläche von Hessen oder Sachsen-Anhalt. Der Großteil der Kaffeeplantagen befindet sich in den küstennahen Bundesstaaten Paraná, São Paulo, Minas Gerais, Espírito Santo und Bahia.

Allein Deutschland importierte im vergangenen Jahr rund 400.000 t brasilianischen Kaffee. Die Bundesrepublik setzt auch in vielen anderen Branchen auf eine enge Handelspartnerschaft: Rund 1.600 deutsche Unternehmen sind in Brasilien aktiv, mehr als die Hälfte davon allein in São Paulo. Der Bundesstaat São Paulo gilt als die größte Ansammlung deutscher Firmen außerhalb des eigenen Landes – und auch der Kaffeegeschmack der beiden Kulturen ähnelt sich. Deutsche und Brasilianer bevorzugen frischen Bohnenkaffee, während die USA, Japan, Russland und die Vereinigten Arabischen Emirate gern löslichen Kaffee trinken.

Und auch Letzterer stammt häufig aus Brasilien: Die rohen Kaffeebohnen werden geröstet und gemahlen, danach wird das Mahlgut extrahiert, konzentriert und getrocknet. Dazu braucht es spezielle Anlagen. Auch europäische Maschinenbauer liefern ihre Technik nach Brasilien. Zum Beispiel an einen Kaffeehersteller im Bundesstaat São Paulo, der jährlich mehr als 12.000 t löslichen Kaffee produziert. Er wollte seine Produktionslinien erneuern und sich für die Zukunft aufstellen, immerhin wächst der Markt für löslichen Kaffee jährlich um bis zu 5%. Dazu kommt: Der Preis für löslichen Kaffee unterliegt einem starken Wettbewerb und schwankt deutlich. Daher ist ein hochautomatisierter Produktionsprozess mit entsprechend niedrigen Kosten ein wichtiger Wettbewerbsvorteil.

18-Millionen-Auftrag für dänischen Exporteur

Der Auftrag ging an eine dänische Tochterfirma eines deutschen Technologiespezialisten. Die georderten Maschinen können mehr als 5.500 t gefriergetrockneten Kaffee herstellen statt bislang in der gleichen Zeit rund 3.000 t. Zudem verbrauchen sie ein Viertel weniger Energie. Der brasilianische Kunde bestellte Produktionslinien im Wert von mehr als 18 Mio EUR. Die Landesbank Baden-Württemberg finanzierte das Geschäft mittels eines ECA-gedeckten Bestellerkredits.

Mit einem solchen Kredit finanziert ein Importeur im Ausland, der sogenannte Besteller, Investitions- und Anlagegüter. Bestellerkredite werden direkt an ausländische Abnehmer vergeben, ohne dass eine Bank im Land des Käufers eingeschaltet wird. Möglich werden Bestellerkredite durch Exportkreditversicherungen, sogenannte ECA. Die Abkürzung steht für „Export Credit Agency“, also Exportkreditversicherer.

In Deutschland ist Euler Hermes mit dem Management der staatlichen Exportkreditgarantien betraut und fungiert als Dienstleister des Bundes. Kreditnehmer zahlen für eine Hermesdeckung eine risikoadäquate Prämie. Generell gilt: Je höher Auftragswert und Risiko sind, desto höher fallen die Gebühren aus. In die Berechnung fließen außerdem die Risikolaufzeit, das Länder- und Käuferrisiko, die Selbstbeteiligung und vorhandene Sicherheiten mit ein. In der Regel liegt die Deckungsquote bei 95%, d.h., der Selbstbehalt für politische und wirtschaftliche Risiken liegt für Kreditgeber bei 5%.

LBBW und dänischer Kreditversicherer realisieren das Geschäft

Da das dänische Tochterunternehmen des deutschen Maschinenbauers die Anlagen liefert, sicherte der Kreditversicherer Eksport Kredit Fonden (EKF) das Geschäft ab, das dänische Pendant zu Euler Hermes. Die Zusammenarbeit zwischen dem Kreditversicherer und der Landesbank ist längst etabliert: Gemeinsam haben sie schon verschiedene Finanzierungen realisiert, u.a. Windparks in Asien. In Brasilien war es allerdings die erste EKF-gedeckte Finanzierung der LBBW.

ECA-gedeckte Bestellerkredite sind im Exportgeschäft zwar Routine, dennoch erfordern sie immer wieder maßgeschneiderte Lösungen. Im Fall der Kaffeeproduktionslinie hatte der Importeur neben der Mindestanzahlung von 15% weitere 20% der Auftragssumme als Zwischenzahlung schon vor der Verschiffung der Ware zu leisten. Normalerweise fließt das Geld erst, wenn die Ware auf dem Weg zum Importeur ist und der Exporteur entsprechende Dokumente vorlegt. Auch das konnte die LBBW realisieren und erhielt von EKF für die Finanzierung der Zwischenzahlung eine entsprechende Risikodeckung.

ESG-Faktoren im Fokus

Und noch ein weiterer Punkt sorgte für rauchende Köpfe: die ESG-Prüfung. Sowohl die LBBW als auch EKF haben den Importeur vor Ort besucht, um sicherzustellen, dass auf den Kaffeeplantagen und in den Fabriken keine Menschenrechte verletzt oder Umweltauflagen missachtet werden. Ein unabhängiges Prüfunternehmen in Brasilien wurde beauftragt, das ein mehrtägiges Audit durchführte. Schließlich gaben EKF und die LBBW grünes Licht für den Auftrag.

Die fünf Kolleginnen und Kollegen der LBBW-Repräsentanz São Paulo waren bei der Prüfung dabei und unterstützten bei Fragen zum Auftrag. Die LBBW-Experten sprechen sowohl Deutsch als auch Portugiesisch und können so mit allen Parteien verhandeln, sind also Ansprechpartner für deutsche und südamerikanische Unternehmen. Hier zeigt sich wieder einmal, wie wichtig eine eigene Präsenz der Bank vor Ort ist.

Die ESG-Thematik rückt bei brasilianischen Unternehmen immer weiter nach oben auf der Agenda. Ihnen wird zunehmend bewusst, dass soziale und ökologische Faktoren für die Nachhaltigkeit und den Erfolg ihres Geschäfts bedeutend sind. Brasilien orientiert sich an den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals). So will das Land bspw. bis zum Jahr 2030 80% des Energiebedarfs des Landes aus erneuerbaren Energien speisen, konkret aus Wind- und Wasserkraft, Biomasse und Photovoltaik. Vor allem Windkraft und Photovoltaik haben großes Potenzial, denn sie werden benötigt, um durch Elektrolyse grünen Wasserstoff zu produzieren. Brasilien könnte dieses Potenzial nutzen und ein bedeutender Global Player in diesem Segment werden.

Drehkreuz São Paulo

Die LBBW-Repräsentanz in São Paulo hat sich zum einflussreichen Drehkreuz entwickelt. Als die LBBW 1998 ihre Repräsentanz in São Paulo eröffnete, wollte sie vor allem deutschen Unternehmen helfen, auf dem brasilianischen Markt Fuß zu fassen. Heute unterstützt das Team auch brasilianische Unternehmen dabei, engere Geschäftsbande mit Deutschland und Europa zu knüpfen. Sie informieren über den lokalen Markt und seine Akteure, beraten rund um den Markteintritt und vermitteln Kontakte zu lokalen Behörden, Kammern, Verbänden, Anwälten und Banken.

Die brasilianische Niederlassung fungiert auch als Drehscheibe für die Nachbarländer Argentinien, Chile, Uruguay, Paraguay und Bolivien. São Paulo ist der wichtigste Hub in Südamerika, es lohnt sich, hier präsent zu sein. Immerhin gibt es in São Paulo eine große deutsche Community – und die meisten deutschen Firmen außerhalb der Bundesrepublik.

christina.lutz@lbbw.de

eduardo.herman@lbbw.com.br

www.lbbw.de

 

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