Am 9. September 2021 ist die Neufassung der Dual-Use-VO (VO 2021/821) in Kraft getreten. Was bedeutet diese Neufassung für die Umsetzung der Exportkontrolle in der Praxis? Nachfolgend wird dies in Thesen beleuchtet.

Beitrag in der Gesamtausgabe (PDF)

These 1: Weite Auslegung der Prüfpflichten nach Art. 5 DUV („Güter für digitale Überwachung“)

Nach Art. 5 DUV ist die Ausfuhr von Gütern für die digitale Überwachung, die nicht im Anhang I der DUV gelistet sind, genehmigungspflichtig, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Güter zumindest z.T. für eine Verwendung im Zusammenhang mit interner Repression und/oder der Begehung schwerer Menschenrechtsverstöße bestimmt sein könnten.

Hierbei ist der Begriff der „Güter für digitale Überwachung“ sehr weit auszulegen. Nach dem BAFA umfasst er – unter Ausschluss rein kommerzieller Anwendungen – nicht nur Intrusion-/Überwachungssoftware, Überwachungsausrüstung, Vorratsdatenspeichersysteme, Überwachungszentren, Abhör- und Überwachungsausrüstung für Fest-, Mobilfunk- und IP-Netze, Ausrüstung für Datenanalyse sowie zur IT-Forensik per Fernzugriff, sondern auch „alle Bestandteile, Zubehör, Software und Technologie für diese Güter“. Letzteres ist u.E. nur vertretbar, wenn diese Bestandteile besonders konstruiert sind für digitale Überwachung.

Auch die Prüfpflicht nach Art. 5 DUV ist weit auszulegen: Sofern Ihre Güter darunterfallen könnten, sollten Sie ein dreifaches Screening vornehmen. Sie müssen überprüfen und schriftlich dokumentieren, ob beim Gut, beim Endbestimmungsland oder beim Endverwender „Red Flags“ für Menschenrechtsverstöße bestehen. Sollten das Gut oder das Empfangsland in der EU-Watchlist (vgl. Art. 5 Abs. 6 DUV) aufgenommen sein, muss eine sehr sorgfältige Prüfung erfolgen, und im Zweifel müssen Sie dann für Ihr Gut einen Nullbescheid beantragen, weil hier eine Genehmigungspflicht bestehen könnte.

These 2: Eventuell weite Prüfpflichten nach Art. 10 DUV

Nach Art. 10 DUV ist die Ausfuhr von nicht im DUV Anhang I gelisteten Dual-Use-Gütern unter zwei Voraussetzungen genehmigungspflichtig, wenn

  • ein anderer Mitgliedstaat diese Güter national listet und die Kommission diese nationalen Kontrolllisten veröffentlicht und
  • der Ausführer vom BAFA darüber unterrichtet wird, dass diese Güter zumindest z.T. für Verwendungen bestimmt sein könnten, die im Hinblick auf die öffentliche Sicherheit (inkl. Terrorverhütung) oder aus Menschenrechtserwägungen bedenklich sind.

Selbst wenn diese Genehmigungspflicht nur durch eine BAFA-Unterrichtung ausgelöst wird, sollte sich der Ausführer nicht nur darauf beschränken abzuwarten, ob es zu einer solchen Unterrichtung kommt. U.E. sollte der Ausführer zumindest dann, wenn Anhaltspunkte für Menschenrechtsverstöße bestehen, wieder das dreifache Screening (Gut, Endverwender, Bestimmungsland) bzgl. Menschenrechten durchführen und dokumentieren, um zu verhindern, dass er von dieser BAFA-Unterrichtung überrascht wird.

These 3: Ausweitung der Catch-all-Klausel um Menschenrechte

Die bisherige Catch-all-Klausel, die bei nicht gelisteten Dual-Use-Gütern die Genehmigungspflicht davon abhängig macht, ob Anhaltspunkte für sensitive Verwendungen (im Kontext mit ABC-Waffen/Trägern weltweit, mit militärischer Verwendung in EU-Waffenembargoländern oder mit Nuklearanlagen in nuklear-sensitiven Ländern) bestehen, wird u.E. im Ergebnis um eine weitere sensitive Verwendung erweitert: Anhaltspunkte für Menschenrechtsverstöße weltweit.

Denn die Menschenrechtsprüfpflichten sind so umfassend in der DUV enthalten, dass es kaum möglich ist, ihnen zu entkommen. Sie sind zwingend nicht nur für „Güter für digitale Überwachung“, Rüstungs- und Repressionsgüter, sondern auch für die Nutzung der Allgemeingenehmigungen EU 005, EU 007 oder EU 008 sowie im Fall von Einzeleingriffen des Staates (Art. 9 DUV) oder beim Tatbestand von Art. 10 DUV. Vor allem wenn der Ausführer nicht davon überrascht werden will, dass ihn wegen möglicher Menschenrechtsverstöße ein Einzeleingriff des Staates oder eine Unterrichtung nach Art. 10 DUV trifft, sollte er vorher das Menschenrechtsscreening durchführen.

These 4: Ausweitung der Prüfpflichten bei Vermittlungen, Durchfuhren, technischer Unterstützung

Während bisher eine Genehmigungspflicht für Vermittlungen (Art. 6 DUV) und Durchfuhren (Art. 7 DUV) vor allem dann bestand, wenn Anhaltspunkte für eine Verwendung gelisteter Dual-Use-Güter im Kontext mit ABC-Waffen/Trägern weltweit bestanden, muss jetzt zusätzlich geprüft werden, ob Anhaltspunkte für eine militärische Verwendung in EU-Waffenembargo-Ländern bestehen; zusätzlich sind die nationalen Regelungen (§§ 44 ff. AWV) zu prüfen.

Entsprechendes gilt auch für die technische Unterstützung, wobei diese erstmals in die EU-Regelung aufgenommen wird (Art. 8 DUV). Nach Art. 8 DUV besteht eine Genehmigungspflicht, wenn es um gelistete Güter geht, bei denen Anhaltspunkte für diese sensitive Verwendungen bestehen, während es nach den nationalen Regelungen (§§ 49 ff. AWV) allein um die sensitiven Verwendungen – unabhängig von einer Güterlistung – geht. Hierdurch kann es zu zusätzlichen Genehmigungspflichten kommen.

These 5: Die Verwendung der AGG EU007 ist u.E. sehr aufwendig

Die allgemeine Genehmigung AGG EU007 erlaubt einen konzerninternen Technologietransfer an Töchter/Schwestern in 17 Ländern unter engen Voraussetzungen. U.E. sind diese Voraussetzungen etwas zu eng, u.a. deswegen, weil es nur um einen Technologietransfer von einer Mutter in der EU an eine ausländische Tochter- bzw. Schwestergesellschaft in einem der 17 Länder gehen darf, wobei eine nur mehrheitliche Kontrolle der Mutter im Zweifel nicht ausreicht. Es darf nur um Entwicklungstechnologie (und nicht um Herstellungs- oder Verwendungstechnologie) gehen. Die ausgeführte Software/Technologie inkl. aller daraus abgeleiteten Produkte muss unter der vollständigen Kontrolle des Ausführers bleiben. Hinzu kommt die Notwendigkeit einer sehr weitgehenden Garantieverpflichtung der Mutter bei der Registrierung. Wir denken, dass diese Anforderungen künftig etwas liberalisiert und der Kreis der Empfangsländer ausgeweitet werden sollte.

Resümee

Die Ausführer sollten beachten, dass die Prüfung bzgl. Menschenrechtsverstößen nicht nur bei Gütern für digitale Überwachung, Rüstungs- und Repressionsgütern und bei der Verwendung von drei AGG erforderlich ist – hier ist sie zwingend erforderlich. Wenn sie nicht von staatlichen Eingriffen oder einer Unterrichtung nach Art. 10 DUV überrascht werden wollen, sollten sie immer dann, wenn mögliche Anhaltspunkte für Menschenrechtsverstöße bestehen könnten (z.B. bei Lieferungen in eindeutige Repressionsländer), ein dreifaches Screening bzgl. Menschenrechten vornehmen. Bei Vermittlungen und Durchfuhren kann es zu zusätzlichen Prüfpflichten kommen und bei der technischen Unterstützung zu neuen Genehmigungspflichten. Die Anforderungen der wichtigen AGG EU 007 sollten künftig liberalisiert und der Länderkreis erweitert werden.

Wegen aktueller Hinweise zum EU-Exportrecht vgl. HIER  und zum US-Exportrecht vgl. HIER. Zum Thema erscheint auch eine Langfassung des Beitrags in der AW-Prax.

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