Für die Banken ist Inflation Segen und Fluch: Auf der einen Seite sorgen steigende Zinsen und die dadurch höhere Nachfrage nach derivativen Absicherungsprodukten für mehr Ertrag, auf der anderen Seite steigt auch das Ausfallrisiko bei vielen Firmenkunden, die ihre Inflationskosten nicht weiterreichen können. So oder so müssen sich Unter-
nehmen auf teurere Kredite einstellen.
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Corona-Krise, Lieferkettenkrise, Ukraine-Krise, Inflation – und nun steigende Zinsen: Seit nunmehr zweieinhalb Jahren kommt die Weltwirtschaft in kein ruhiges Fahrwasser. Eine Krise jagt die nächste, die Finanzabteilungen von Unternehmen sind im Dauerstress. Galt es in der Corona-Krise v.a., sich Liquidität und Überbrückungshilfen zu sichern, steht nun ein breiteres und strukturelleres Problem vor der Tür: Inflation. 7,9% betrug laut Statistischem Bundesamt die mittlere Teuerungsrate in Deutschland im August. Insb. die Energiepreise schossen im Zuge des Russland-Ukraine-Konflikts in die Höhe. „Anders als die Corona-Krise trifft das Preissteigerungsthema zunächst einmal fast alle Unternehmen“, sagt Sandra Heinrich, die das deutsche bilaterale Lending-Strukturierungsgeschäft der Deutschen Bank leitet. Und die inflationsbedingten Lohnpreissteigerungen stehen den Unternehmen erst noch bevor.
Je nachdem wie gut oder schlecht Unternehmen die gestiegenen Rohstoff- und Energiepreise an ihre Kunden weiterreichen können, werden sie kurz- oder mittelfristig margenseitig unter Druck geraten – und das hat Folgen für die Finanzierungskonditionen. „Wenn absehbar ist, dass ein Kunde die Inflationskosten nicht weitergeben kann, können sich seine Bonität und sein Rating verschlechtern und dann kann die Finanzierung teurer werden“, sagt Heinrich. Denn Banken müssten risikoadjustiert bepreisen, der Kredit sollte dann teurer werden, sofern keine risikoentlastenden Maßnahmen möglich sind.
Eine breite, inflationsbedingte Rating-Verschlechterung beobachtet die Deutsch-Bankerin bislang noch nicht. „Ratings laufen aber auch oft ein Stück weit hinterher“, räumt Heinrich ein – z.B. dort, wo automatisiert auf Bilanzzahlen in den Ratings zurückgegriffen werde. Dass Finanzierungen für Unternehmen wegen der Inflation teurer werden, hat aber noch andere Gründe. Neben der individuellen Bonität sowie der Finanzierungs- und Sicherheitenstruktur hängt der Preis für einen Kredit auch von der Entwicklung der allgemeinen Kapitalmarktzinsen und von den individuellen Refinanzierungskosten der Bank ab.
Comeback der Zinsen
Zunächst zu den Zinsen: Die für das Kreditgeschäft relevanten Refinanzierungszinsen sind hier v.a. der 3-Monats-Euribor, der 5-Jahres-Swap-Satz und der 10-Jahres-Swap-Satz. Ein Swap (englisch für „tauschen“) ist ein derivatives Finanzinstrument, bei dem zwei Parteien Zahlungsströme austauschen – die eine bezahlt einen fixen Wert, die andere einen variablen. Swaps werden von Finanzabteilungen gern eingesetzt, um sich gegen Rohstoffpreis-, Währungs-, Zins- oder eben Inflationsrisiken abzusichern.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat zuletzt mit zwei Zinserhöhungen auf die Inflation reagiert. „Die Erwartungshaltung im Markt ist aber, dass es zu weiteren Zinsschritten kommen wird“, sagt Moritz Dörnemann, der das Zins- und Währungsgeschäft der Deutschen Bank mit Firmenkunden in der DACH-Region verantwortet. Der Kapitalmarkt nehme diese Entwicklung bereits vorweg, wie an den Zinsanstiegen abzulesen sei.
Der kurzfristige 3-Monats-Euribor, v.a. aber die Preise für 5- und 10-jährige Swaps haben in diesem Jahr schon früher stark zugelegt. Der 5-Jährige ist seit Jahresbeginn um rund 350 Basispunkte auf rund 3,0% gestiegen, gleiches gilt für den 10-Jährigen. Beide könnten künftig noch mehr anziehen. Auch mit weiteren EZB-Zinserhöhungen ist zumindest bis zum kommenden Jahr zu rechnen: Der aktuelle Leitzins liegt nach den beiden Erhöhungen aktuell bei 1,25%. In nächster Zeit dürfte ihn die EZB weiter anheben. „Im historischen Vergleich sind die Zinsen immer noch auf einem relativ günstigen Niveau“, relativiert Heinrich.
Nun zu den Refinanzierungskosten der Banken. Auch sie können den Kredit für Firmenkunden verteuern. Banken, die ihr Neugeschäft jetzt langfristig refinanzieren, tun dies zu deutlich höheren Kosten als noch vor sechs Monaten. „Sie haben einen entsprechend hohen Druck, den Preisanstieg an Unternehmen weiterzugeben“, sagt Frank Gerhold, Gründer des Debt Funds Akquivest.
Banken haben Zinsweitergabedruck
Für die Banken selbst hat das Inflationsrisiko laut Dörnemann eher nachgelagerte Bedeutung. Zwar steigen auch für die Banken inflationsbedingt die Kosten, bspw. durch steigende Löhne. Banken hätten aber eine durchleitende Funktion und Verbindlichkeiten, die den entsprechenden Krediten gegenüberstünden. Das Risiko, dass heute verliehenes Geld bei der Rückzahlung durch Inflation weniger wert ist, trägt die Refinanzierungsquelle – und das sind im Wesentlichen die Sparer mit ihren Einlagen und die Gläubiger am Kapitalmarkt, bei denen Banken die Liquidität aufnehmen.
Das schlagende Risiko für die Banken ist laut Dörnemann das sog. Gegenparteirisiko. Wenn die inflationsbedingten Kostensteigerungen Firmenkunden so stark zusetzen, dass sich deren Bonität deutlich verschlechtert, steigt für die kreditgebende Bank das Ausfallrisiko des Kunden. Banken haben also ein nicht uneigennütziges Interesse daran, dass ihre Firmenkunden die Herausforderung steigender Zinsen und Inflation meistern.
Pokern oder absichern?
Der Finanzierungsbedarf der Firmenkunden hat sich im vergangenen halben Jahr verändert. „Wir beobachten, dass Kunden derzeit viel Working-Capital-Finanzierungen, dafür weniger langfristige Finanzierungen nachfragen“, sagt Heinrich. Wegen Corona hätten viele Unternehmen Investitionen in längerfristige Anlagegüter (Capex-Investitionen) aufgeschoben, doch irgendwann müsse man einfach wieder investieren. Heinrichs Tipp: Frühzeitig mit den Finanzierungspartnern über die Struktur sprechen, um auch öffentliche Fördermittel und Zuschüsse nutzen zu können. Um den gestiegenen Working-Capital-Bedarf zu decken, kommen der Bankerin zufolge auch alternative Finanzierungsformen wie Factoring oder Supply Chain Finance zum Einsatz.
Bei langfristigen Finanzierungen stellt sich für die Finanzabteilungen von Unternehmen nun die Frage, wie sie mit dem Risiko steigender Zinsen und der Inflation umgehen: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich abzusichern – z.B. über eine derivative Zinsbindung (Zins-Swap). Der Firmenkunde tauscht beim Swap variable gegen feste Zinsen und kann dadurch seine Zinsmeinung absichern. „Der Preis für die Absicherung hängt am Kapitalmarktzins“, sagt Dörnemann.
Absicherung über spezielle Inflations-Swaps
Der Banker beobachtet, dass viele Firmenkunden im aktuellen Marktumfeld auch kurz- oder mittelfristige Kredite langfristig absichern. „Ein 5-jähriger Kredit kann theoretisch mit einem 10-jährigen Swap gesichert werden, denn nach fünf Jahren muss der Kredit in der Regel refinanziert werden“, sagt Dörnemann. Firmenkunden könnten sich aber auch über spezielle Inflations-Swaps absichern, der Referenzwert sei hierbei nicht der 3-Monats-Euribor, sondern die europäische Inflationsentwicklung. Laut Dörnemann könnten diese Absicherungsform bspw. für Firmenkunden infrage kommen, deren Mietverträge an die Inflation gekoppelt sind.
Die Alternative zur Swap-Absicherung sind einfache Kredite mit festgeschriebenen Zinsen, deren Zinsfestschreibungszeit verhandelbar ist. Laut Heinrich sind diese Kredite nach zehn Jahren gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung auch vor Ablauf der Zinsbindung rückzahlbar. „Unternehmen, die davon ausgehen, dass die Zinsen in den nächsten Jahren steigen werden, die ihre Finanzierung aber frühzeitig zurückführen möchten – für sie dürfte in der Regel ein mit einem Swap abgesicherter variabler Kredit vorteilhafter sein“, sagt Dörnemann. Die Entscheidung liegt bei den Unternehmen. Ob sie richtig war, wird sich erst rückblickend beurteilen lassen.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Bank. Den dazugehörigen Link finden Sie HIER.