Oligarchen verfügen häufig nicht nur über große Geldvermögen, sondern auch über Firmenanteile. Was müssen Exporteure beachten, wenn sie feststellen, dass hinter ihrem nicht gelisteten Kunden ein gelisteter Anteilseigner oder Geschäftsführer steht? Welche Fragen und rechtlichen Risiken stecken im mittelbaren Bereitstellungsverbot?

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Ausgangsfall

Firma D in Deutschland plant, für die Montage bzw. Herstellung von Bauten, die speziell für einzelne Kunden konzipiert sind, die serbische Gesellschaft S zu beauftragen, da diese preisgünstiger (als eine vergleichbare deutsche Firma) ist. Für die Montage würde sie S Geld und für die Herstellung Zeichnungen und benötigte Vorprodukte bereitstellen. Darf D den Auftrag an S erteilen, wenn D feststellt, dass S möglicherweise wie folgt „mittelbar gelistet“ ist? Dazu die folgenden Fakten:

• S ist eine 100%-Tochter der R-Group aus Russland, die selbst nicht gelistet ist, aber deren Geschäftsführer der
Oligarch O ist, der in Anhang I der Ukraine-VO gelistet ist.
• Die 100%-Mutter der R-Group, die M-Group, gehört zu 49% dem gelisteten Oligarchen O, der auch Geschäftsführer der M-Group ist.

Abwandlung

Hier steht S zu 100% im Eigentum des gelisteten Oligarchen O. S legt aber Bescheinigungen vor, aus denen sich ergibt, dass O keine Kontrolle über die Geschäfte von S ausübt und dass O insb. keine Vollmacht hat, auf die Konten von S zuzugreifen. Darf D jetzt S das Geld für die Montage bereitstellen?

Das Bereitstellungsverbot

Gelisteten dürfen keine Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen bereitgestellt werden. Bei gelisteten Personen besteht neben dem Einfrieren ihrer Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen ein unmittelbares und mittelbares Bereitstellungsverbot. Danach dürfen gelisteten Personen – weder unmittelbar noch mittelbar – Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Unklar ist, wann von einem mittelbaren Bereitstellungsverbot auszugehen ist. Die zuständigen EU-Verordnungen enthalten hierzu keine Hinweise; vielmehr sind dazu die EU-Sanktionsleitlinien heranzuziehen.

Ein mittelbares Bereitstellungsverbot liegt danach vor, wenn der Kunde im Eigentum oder unter der Kontrolle der gelisteten Person steht. Dies wird dann bejaht, wenn der gelistete Eigner 50% oder mehr der Anteile am nicht gelisteten Kunden hält bzw. wenn er einen beherrschenden Einfluss auf die Geschäfte des nicht gelisteten Kunden ausübt. Vergleichbare Maßstäbe gelten auch für gelistete Geschäftsführer. Über die EU-Sanktionsleitlinien sind Ausnahmen vom mittelbaren Bereitstellungsverbot möglich, wenn festgestellt werden kann, dass die Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen nicht von der gelisteten Person verwendet werden oder ihr zugutekommen: Anhand eines risikobasierten Ansatzes und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ist zu ermitteln, ob vernünftigerweise erwartet werden kann, dass diese Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen vom nicht gelisteten Kunden an den gelisteten Anteilseigner/Geschäftsführer weitergeleitet werden. Hierfür sind u.a. zu berücksichtigen: das Datum des Vertrags, die Relevanz des Tätigkeitsbereichs des nicht gelisteten für das gelistete Unternehmen, die Frage einer möglichen praktischen Verwendung der Gelder/wirtschaftlichen Ressourcen durch das gelistete Unternehmen etc. (vgl. Hohmann, in: Ehlers/Wolffgang [Hrsg.], Recht der Exportkontrolle, Frankfurt 2015, S. 217 ff.).

Lösung Ausgangsfall

Die zentrale Ausgangsfrage ist, ob für S das mittelbare Bereitstellungsverbot gilt. Da der Gelistete O etwas weniger als 50% der Anteile besitzt, hängt dies davon ab, ob man hier davon ausgeht, dass O einen beherrschenden Einfluss auf das Tages- und Exportgeschäft von S ausübt. Sofern man dies bejaht, müsste Folgendes geprüft werden:

Bereitstellung von Geld für die Montage: Da bei Geld grundsätzlich die Gefahr einer Weitergabe an den Gelisteten besteht, wurde in einem konkret beratenen Fall auf die Ausnahmen nach den EU-Sanktionsleitlinien hingewiesen: Erstens waren die Tätigkeitsbereiche vom Kunden S und vom Eigner O sehr unterschiedlich, und zweitens lag eine Bankbestätigung vor, wonach O nicht auf das Konto von S zugreifen könne. Auch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ging – im Rahmen einer Sonstigen Anfrage – davon aus, dass hier keine Gefahr einer Weiterlieferung der Gelder an O bestand, wobei die Frage, ob tatsächlich eine „mittelbare Listung“ besteht, offengelassen wurde.

Bereitstellung von technischen Zeichnungen bzw. von Vorprodukten für die Herstellung: Hier ist die entscheidende Frage, ob die Zeichnungen als wirtschaftliche Ressource anzusehen sind; falls ja, dürften sie S (bei Eingreifen des mittelbaren Bereitstellungsverbotes) nicht zur Verfügung gestellt werden. „Wirtschaftliche Ressourcen“ sind „Vermögenswerte jeder Art, unabhängig davon, ob sie materiell oder immateriell, beweglich oder unbeweglich sind, bei denen es sich nicht um Gelder handelt, die aber für den Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen verwendet werden können“ (vgl. Art. 1e, Ukraine-VO 269/2014).

Nach dem engen Verständnis der überwiegenden Meinung sind Dienstleistungen in der Regel nicht erfasst, weil nicht jede Dienstleistung unmittelbar zum Erwerb von Geldern verwendet werden kann. Wenn man dies auf Zeichnungen überträgt, würde das bedeuten, dass nur solche technischen Zeichnungen als wirtschaftliche Ressource anzusehen sind, die einen handelbaren Marktwert haben, weil sie ohne Weiteres gegen Geldzahlung an Dritte abgegeben werden können. Wenn D nachweisen kann, dass wegen der Unikate der Bauten die Zeichnungen kaum einen solchen handelbaren Marktwert haben, dürften gute Chancen bestehen, das BAFA zu überzeugen, dass hier das mittelbare Bereitstellungsverbot nicht greift.

Zu den Vorprodukten: Sofern die Vorprodukte ebenfalls nur für die Unikate der Bauten verwendbar sein sollten, können sich hier gleiche Fragen stellen. Die Differenzierung danach, ob ein Marktwert besteht oder nicht, wird häufig beim Bereitstellen von Waren nicht geteilt (wir meinen: diese Auffassung sollte überdacht werden). Daher sind hier die Chancen geringer, das BAFA davon zu überzeugen, das mittelbare Bereitstellungsverbot nicht greifen zu lassen.

In einem konkret beratenen Fall wurde allerdings bestätigt, dass das mittelbare Bereitstellungsverbot hier nicht beachtet werden braucht; dies hing allerdings primär damit zusammen, dass das BAFA davon ausging, dass hier die Voraussetzungen für ein mittelbares Bereitstellungsverbot nicht vorlagen. Dies konnte u.a. deswegen erreicht werden, weil Maßnahmen gegen eine Weiterleitung getroffen worden waren.

Lösung Abwandlung

Da der gelistete Oligarch O hier 100% der Anteile hält, greift das mittelbare Bereitstellungsverbot grundsätzlich. Nach den FAQ der Bundesbank gilt das uneingeschränkt dann, wenn der nicht gelistete Kunde außerhalb der EU sitzt und von einem Gelisteten kontrolliert wird. Wenn der Kunde hingegen seinen Sitz in der EU hat, könne – so die Bundesbank – in der Regel davon ausgegangen werden, dass D an das strafrechtlich bewährte Bereitstellungsverbot gebunden sei. Im Zweifel werde er sich an das Bereitstellungsverbot halten, sofern sich nicht aus den Umständen des Einzelfalls etwas anderes ergibt. Das bedeutet, dass selbst bei einem Kunden in der EU noch eine Einzelfallprüfung erforderlich ist.

Da S in Serbien sitzt und Serbien – anders als etwa seine Nachbarstaaten Kroatien und Slowenien – nicht zu den EU-Mitgliedern gehört, ist hier eine umfassende Risikoabwägung aller Umstände des Einzelfalls erforderlich, ob das Risiko einer Weitergabe an den Gelisteten O besteht. Daher empfiehlt es sich, eine Sonstige Anfrage beim BAFA zu stellen, um eine rechtssichere Antwort zu erhalten, ob hier – trotz der vorgelegten Bescheinigungen – dieses Weitergaberisiko greift; zumindest sollte ein Exportanwalt diese Rechtslage begutachten.

Eine andere Frage ist, ob man dies auch dann machen sollte, wenn der Kunde in der EU ansässig ist: Bei einem 100%-Anteil eines Gelisteten ist unseres Erachtens das Risiko sehr hoch, dass der Gelistete O, der seinen Sitz außerhalb der EU hat (wenn er auch innerhalb der EU seinen Sitz hätte, wäre das Vermögen in der EU eingefroren), auf das an S überreichte Geld zugreifen könnte. Dies müssen die Exporteure selbst entscheiden, wobei sie das hohe Risiko eines Sanktionsverstoßes berücksichtigen müssen: Bei einem Verstoß gegen das Bereitstellungsverbot drohen Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren, wenn (bedingter) Vorsatz vorliegt.

Resümee

Das mittelbare Bereitstellungsverbot wird v.a. seit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine immer wichtiger, nachdem zahlreiche Personen in der Ukraine-VO gelistet worden sind: Vor allem die Frage, ob hinter einem nicht gelisteten Kunden ein gelisteter Anteilseigner (z.B. ein Oligarch) steht, enthält immer mehr Brisanz. Nicht nur bei Kunden, Endverwendern und Dienstleistern in Russland sollten die Anteilseigner und Geschäftsführer geprüft werden, sondern möglichst auch in anderen Ländern; die Erfahrung zeigt nämlich, dass auch hinter einem europäischen Unternehmen ein gelisteter Oligarch als Anteilseigner stehen kann.

Wenn das mittelbare Bereitstellungsverbot ausgelöst wird, stellen sich für Exporteure schwierige Rechtsfragen sowie tatsächliche Unsicherheiten bzgl. Anteilseignerschaft, die sie aber beantworten müssen, um eine mögliche Haftstrafe wegen eines Verstoßes gegen das Bereitstellungsverbot zu vermeiden.

Hierzu gehören Fragen wie: Welche Dienstleistungen können als wirtschaftliche Ressourcen angesehen werden? Gilt der Marktwertansatz nur für Dienstleistungen oder möglicherweise auch für Waren? Oder eine andere Frage: Reicht der Umstand, dass der nicht gelistete Kunde seinen Sitz in der EU hat, dafür aus, um das Risiko einer Weiterlieferung von Geld/wirtschaftlichen Ressourcen an den gelisteten Anteilseigner abzulehnen? Wir denken, dass dies nur einer von mehreren Faktoren ist, die im Einzelfall abzuwägen sind.

Wenn hier ein rechtlicher Graubereich verbleibt, sollte der Exporteur aufgrund der hohen möglichen Sanktionen rechtliche Absicherungen vornehmen, z.B. durch ein Anwaltsgutachten oder durch eine Sonstige Anfrage beim BAFA.

Wegen aktueller Hinweise zum EU-Exportrecht vgl. HIER und zum Russland-Embargo vgl. HIER

info@hohmann-rechtsanwaelte.com

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