Im Juni 2021 hat die EU die Sanktionen gegen Belarus erheblich verschärft (zuletzt u.a. wegen der erzwungenen Landung eines Flugzeugs in Minsk im Mai). Was bedeutet die Verordnung (EU) 2021/1030 des Rates vom 24. Juni 2021 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 765/2006 über restriktive Maßnahmen gegen Belarus für den Handel mit dem Land? Was ist zu beachten?
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Ausgangsfall: Die Firma D aus Deutschland, ein Zulieferer von Motorteilen für Schwerlaster und die Flugindustrie, unterhält langjährige Geschäftsbeziehungen nach Belarus. Dabei beliefert sie u.a. das Unternehmen BELAZ (Belarusski Avtomobilnyi Zavod) sowie die Firmen B1 und B2. B1 tritt dabei häufiger als Zwischenhändlerin von BELAZ auf, über B2 ist nicht bekannt, dass die Güter weitergeliefert werden. Welche Auswirkungen haben die neuen Maßnahmen gegen Belarus? Welche der Geschäftsbeziehungen sind betroffen?
Abwandlung: D ist auch an der Wartung der zivil genutzten Flugzeuge der weißrussischen Airline Belavia beteiligt. Was ist aufgrund der neuen Rechtslage zu beachten?
Die Sanktionen gegen Belarus und ihre Ausweitungen
Vor allem die nicht demokratischen Standards entsprechende Präsidentenwahl im August 2020, die anschließenden Repressionsmaßnahmen des Lukaschenko-Regimes und zuletzt die erzwungene Landung eines Flugzeugs in Minsk zur Verhaftung eines Oppositionellen veranlassten die EU, die bestehenden Sanktionen erheblich auszuweiten. Die aktuellen Belarus-Sanktionen können wie folgt zusammengefasst werden:
Das Vermögen der in Anhang I gelisteten Personen/Unternehmen wird eingefroren mit der Folge, dass ein unmittelbares und mittelbares Bereitstellungsverbot bzgl. Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen besteht. Nur für sehr wenige Ausnahmesituationen ist es möglich, eine Freigabe zu erhalten (u.a. für Grundbedürfnisse, juristische Beratungen, für Dienstleister von Geld/Waren, für zwangsläufige Flüge oder für sogenannte außerordentliche Ausgaben). Vor allem für Altverträge sind Zahlungen an gelistete Personen möglich, wenn diese Gelder auf eingefrorene Konten eingezahlt werden.
Güterbezogen gibt es Exportbeschränkungen für Rüstungs- und Repressionsgüter (für Repressionsgüter Anhang III), für Güter der Kommunikationsüberwachungstechnologie (Anhang IV), für Tabakerzeugnisse (Anhang VI), für Kaliumchlorid-Produkte (Anhang VIII, sog. Pottasche) sowie Einfuhrbeschränkungen für Mineralölerzeugnisse (Anhang VII). Es gilt ein Verbot des Verkaufs von Dual-Use-Gütern für militärische Zwecke oder an militärische Endverwender bzw. an Personen, die im Anhang V gelistet sind. Verboten ist auch die Einräumung von Krediten mit einer Laufzeit von mindestens 90 Tagen gegenüber öffentlichen Einrichtungen in Belarus oder Unternehmen, die in Anhang IX genannt sind. Es gilt ein Versicherungsverbot für öffentliche Einrichtungen in Belarus. Entsprechendes gilt für technische Unterstützungen, Finanzhilfen oder Vermittlungsdiente. Viele dieser Maßnahmen dürften darauf gerichtet sein, dem Lukaschenko-Regime in Belarus keine Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Einige der Finanzsanktionen betreffen bspw. auch die Europäische Investitionsbank, die Auszahlungen und Dienstleistungsverträge über technische Hilfe aussetzen muss.
Zum Fall
BELAZ wurde als juristische Person Nr. 11 am 21. Juni 2021 gelistet durch VO 2021/997 in Anhang I der VO (EG) Nr. 765/2006 aufgenommen. Das Unternehmen steht dem Lukaschenko-Regime nahe. Nach Art. 2 „dürfen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugutekommen“.
D dürfte BELAZ daher keine wirtschaftlichen Ressourcen unmittelbar zur Verfügung stellen. Die Geschäftsbeziehung sollte unterbunden werden. Gleiches gilt für B1, denn diese tritt häufig als Zwischenhändlerin der Gelisteten auf. Dies würde einen Verstoß gegen das mittelbare Bereitstellungsverbot bedeuten. Hinsichtlich B2 ergeben sich jedoch keine Änderungen, solange keine Anhaltspunkte für eine militärische Verwendung oder für eine Weiterlieferung an einen Gelisteten vorliegen. Handlungspflichten werden allerdings dann ausgelöst, wenn D „Grund zu der Annahme“ hat, dass Zwischenhändler an den Gelisteten weiterliefern. Solange dies nicht der Fall ist, könnte D sich (zur Risikominimierung) – hier gegenüber B2 – vertraglich absichern, dass keine Weiterlieferungen an gelistete Personen erfolgen.
Zur Abwandlung
Soweit es sich um die Wartung oder Reparatur von Militärflugzeugen handelt, ist die Erbringung von unmittelbarer und mittelbarer technischer Hilfe verboten. In dem hier vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um ein ziviles Flugzeug, das der staatlichen Fluggesellschaft Belavia gehört. Indem D diese Flugzeuge wartet oder repariert, ist denkbar, dass hier gemäß Art. 2 Abs. 2 VO (EG) Nr. 765/2006 das Verbot der mittelbaren Bereitstellung wirtschaftlicher Ressourcen berührt ist. Vor der Erbringung der entsprechenden Dienstleistungen sollte D daher eine entsprechende Anfrage stellen.
Fazit
Die neuen Sanktionen sollen vor allem die Menschenrechtsverletzungen sanktionieren, indem sie dem Lukaschenko-Regime die finanziellen Mittel nehmen. Das ist sehr zu begrüßen, denn Lukaschenko tritt sämtliche Menschenrechte mit Füßen, wie etwa am Beispiel der oppositionellen Kandidatin Swetlana Tichanowskaja zu sehen war. Die gewählten Mittel scheinen hierfür geeignet zu sein, einen wirtschaftlichen Druck auf das Land ausüben zu können. Ob dies jedoch ausreicht, die politischen Ziele der EU zu erreichen, kann derzeit noch nicht beurteilt werden – es ist aber sehr zu hoffen.
Für Exporteure, die Belarus beliefern wollen, stellen sich praktische Herausforderungen: Wann haben sie „Grund zu der Annahme“, dass ihr Kunde an einen Gelisteten weiterliefert? Und wann fehlt diese Annahme, sodass noch Raum bleibt, die Risiken durch einen entsprechenden Vertrag zur Risikoweitergabe zu steuern? Bei allen Kontakten mit öffentlichen Einrichtungen von Belarus müssen Exporteure prüfen, ob diese Kontakte/Geschäfte genehmigungspflichtig oder verboten sind.
Die Belarus-Sanktionen könnten zu einem Prüfstein dafür werden, ob ein Embargo es schafft, einen Diktator etwas in die Schranken zu weisen. Für den Handel können sich hier schwierige Prüfaufgaben stellen. Es würde sich aber lohnen, wenn dieses Embargo erfolgreich wäre.
Wegen aktueller Hinweise zum EU-Exportrecht vgl. HIER und wegen Hinweisen zum Russland-Embargo vgl. HIER.
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