Art. 12g der Russland-Embargo-VO 833/2014 dürfte einen umfassenden Beratungsaufwand erfordern, da zur Verhinderung von Umgehungsgeschäften mit Russland vertragliche Reexport-Verbote mit allen Ländern der Welt (außer mit EU-Mitgliedern und Partnerländern) erforderlich sind. Wie sollte diese Norm ausgelegt werden, damit die Handhabung pragmatisch und rechtskonform ist?

Beitrag in der Gesamtausgabe (PDF)

Ausgangsfall: Elektronikhersteller D aus Deutschland schließt mit seinem langjährigen Kunden B in Brasilien im Januar 2024 einen Kaufvertrag sowohl über Funknavigationsgeräte mit der Zolltarifnummer (ZTN) 8526 91 als auch über elektronische integrierte Schaltungen (Speicher) mit der ZTN 8542 32. Aufgrund des hohen Auftragsvolumens wird die Ausfuhr frühestens im April 2024 erfolgen. Treffen D Pflichten nach dem Russland-Embargo?

Abwandlung: Wie verhält es sich, wenn D diese Güter im April 2024 an Kunden in den Rest-EFTA Staaten Island und Liechtenstein oder in der Schweiz liefern möchte?

Die wichtigsten Regelungen

Der zentrale Inhalt von Art. 12g: Bei Verkauf, Lieferung, Ausfuhr oder Verbringung von bestimmten gelisteten Gütern in ein Drittland (ein Nicht-EU-Land) – mit Ausnahme in ein Partnerland nach Anhang VIII – müssen die Ausführer gem. Abs. 1 ab dem 20. März 2024 die Wiederausfuhr nach Russland und die Wiederausfuhr zur Verwendung in Russland vertraglich untersagen. Hierbei geht es um die folgenden gelisteten Güter:

• Güter nach Russland-Anhang XI (Luft- und Raumfahrzeuge sowie Teile davon)
• Güter nach Russland-Anhang XX (Flugturbinenkraftstoffe und Kraftstoff-Additive)
• Feuerwaffen (nach Russland-Anhang XXXV oder nach Anhang I der Feuerwaffen-VO)
• Güter nach Russland-Anhang XL (Güter mit hoher Priorität)

Die Altvertragsklausel nach Abs. 2 bedeutet: Verträge, die vor dem 19. Dezember 2023 geschlossen wurden, werden nicht erfasst, sofern sie bis zum 20. Dezember 2024 erfüllt werden. Nach Abs. 3 müssen die Ausführer sicherstellen, dass die Vereinbarung mit dem Partner aus einem Drittland für den Fall eines Verstoßes „angemessene Abhilfemaßnahmen“ enthält. Nach Abs. 4 muss der Ausführer der zuständigen Behörde seines Landes unverzüglich melden, wenn der Partner gegen diese Verpflichtung verstößt.

Lösung Ausgangsfall

Beide Güter gehören zum Anwendungsbereich der „No Russia Clause“, da sie von Russland-Anhang XL gelistet werden. Und da Brasilien nicht zu den Partnerländern nach Russland-Anhang VIII gehört, wird hier die Verpflichtung ausgelöst, einen Vertrag mit entsprechenden Reexport-Verboten abzuschließen. Die Altvertragsklausel ist hier nicht anwendbar, da der Vertrag nach dem 19. Dezember 2023 abgeschlossen wurde.

Allerdings gilt diese Verpflichtung noch nicht für den Verkauf, der im Januar 2024 stattfindet, weil diese Pflicht erst für Geschäfte ab dem 20. März 2024 gilt. Da aber die Ausfuhr nach diesem Datum liegt, wird für diese Ausfuhr die Verpflichtung ausgelöst, einen Vertrag mit solchen Reexport-Verboten abzuschließen. Und wie sich aus dem Wortlaut von Abs. 3 („angemessene Abhilfemaßnahmen“) entnehmen lässt, reicht hierfür nicht aus, eine bloße Klausel mit einem Russland-Reexport-Verbot aufzunehmen: Um wirksam Russland-Umgehungsgeschäfte zu verhindern, ist es erforderlich, einen umfassenden Vertrag aufzusetzen, der so wirksam wie nur möglich solche Reexporte nach Russland verhindert. Hierzu dürften u.E. auch Schadenersatz und Vertragsstrafen zählen. Evtl. sind diese in Drittländern nur eingeschränkt vollstreckbar.

Lösung Abwandlung

Die Partnerländer nach Anhang VIII sind die folgenden neun Länder: USA, Kanada, Neuseeland, Australien, Japan, Südkorea, Großbritannien, Norwegen und die Schweiz. Dies ist eine erstaunliche Parallele zu den zehn EU001-Ländern, allerdings mit dem Unterschied, dass die EU001 auch für Island und Liechtenstein (aber nicht für Südkorea) genutzt werden kann; die beiden Ländergruppen sollten künftig harmonisiert werden.

Da die Schweiz zu den Partnerländern gehört, ist für Verkauf und Lieferung in die Schweiz keine solche vertragliche Absicherung notwendig. Anders sieht es hingegen bei Lieferung dieser Güter nach Island und Liechtenstein aus: Hier ist eine vertragliche Absicherung notwendig, da diese zwei Länder derzeit nicht zu den Partnerländern gehören.

Resümee

Die Vorschrift von Art. 12g der Russland-VO wird einen gewaltigen Umsetzungs- und Beratungsaufwand erzeugen, da (bei Eingreifen der genannten Güterkategorien) solche vertraglichen Absicherungen erforderlich sind, wenn es um Handel mit/Ausfuhren in alle Länder der Welt – abzüglich des Handels mit EU-Mitgliedern und mit neun Partnerländern – geht. Es wäre u.E. vorzugswürdiger gewesen, dies nur für Handel mit/Ausfuhren in bestimmte Russland-Umgehungsländer vorzusehen – und diese exakt in einem Anhang zu benennen. Welche Firma wird davon ausgehen, dass sie z.B. beim Handel mit Brasilien das Russland-Embargo beachten muss? Das wird dazu führen, dass dass es hier umfassend zur Nichtbeachtung kommen könnte. Bei einem Abstellen auf Russland-Umgehungsländer hätte sich das im Zweifel vermeiden lassen.

Hinzu kommt, dass die Vorschrift von Art. 12g etwas vage ist: Ihr Wortlaut könnte so verstanden werden, als ob nur eine Klausel mit einem Reexport-Verbot aufgenommen werden müsste; stattdessen dürfte ein umfassender Vertrag erforderlich sein, was zu entsprechendem Beratungsaufwand führt. Zudem ist nicht ganz klar, welche Prüfpflichten der Ausführer nach einer solchen vertraglichen Absicherung hat und ob das Unterlassen dieser vertraglichen Absicherung bereits ausreicht, um einen strafbaren Embargoverstoß anzunehmen. Gibt es evtl. Umstände, unter denen das Unterlassen der vertraglichen Absicherung gerechtfertigt werden kann? Auch das sollte künftig klargestellt werden.

Und wie hängt Art. 12g mit weiteren außenwirtschaftlichen Pflichten und insb. dem Hinweispapier des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz zur Sanktionsumgehung vom 20. Dezember 2023 zusammen? Nach diesem kommt es darauf an, umfassend alle Risikofaktoren (zum Kunden, zum Gut und zum Land) zu analysieren, um zu entscheiden, ob hier Sorgfaltspflichten bestehen, die zur Verhinderung einer Sanktionsumgehung verpflichten.

Art. 12g könnte den Eindruck erwecken, dass die dort genannten Pflichten zum Treffen vertraglicher Absicherungsmaßnahmen abschließend sind. Art. 12g befreit Unternehmen aber gerade nicht von weiteren Pflichten: So könnte die vorvertragliche Risikoanalyse zu zusätzlichen Pflichten zur Verhinderung eines Umgehungsgeschäftes führen.

Wegen aktueller Hinweise zum Russland-Embargo vgl. HIER

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