Dieser Beitrag wirft einen Blick auf die bedeutendsten Entwicklungen im Bereich Zoll und Welthandel im vergangenen Jahr und macht einige Prognosen für das Jahr 2024. Diese Übersicht stellt indes keine vollständige Liste der Anliegen im Jahr 2024 dar. Die Prioritäten variieren je nach Branche. Es dürfte ein sehr ereignisreiches Jahr werden.

Beitrag in der Gesamtausgabe (PDF)

Im Jahr 2023 wurden in der Europäischen Union (EU) zahlreiche Gesetzesänderungen eingeführt, die erhebliche Auswirkungen auf Unternehmen haben. Dies führte zu einer Vielzahl neuer Verantwortlichkeiten und Verwaltungsaufgaben, die entweder bereits 2024 oder in den kommenden Jahren bewältigt werden müssen.

Einführung des Carbon Border Adjustment Mechanism

Die bedeutendste Gesetzesänderung in der EU ist die Einführung des Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM). Diese Initiative entstand aus dem Bestreben der EU, im Rahmen des Fit-for-55-Pakets die grüne Transformation voranzutreiben. Seit dem 1. Oktober 2023 umfasst die Umsetzung des CBAM die Erfassung und Berichterstattung von CO₂-Emissionen, die bei der Produktion von bestimmten Produkten entstehen. Dabei handelt es sich um Produkte aus den Sektoren Eisen und Stahl, Zement, Düngemittel, Aluminium, Strom und Wasserstofferzeugung. Die CBAM-Regeln werden auch für bestimmte Vorprodukte und nachgelagerte Produkte gelten – und zwar für Güter, die in der Wertschöpfungskette vor oder hinter den vom CBAM erfassten Produkten liegen. Der erste Bericht war Ende Januar 2024 fällig. Zwischenzeitlich hat das Vereinigte Königreich angekündigt, ebenfalls den CBAM einzuführen. Daher wird dieses Thema künftig von entscheidender Bedeutung sein und der Kreis der betroffenen Produkte könnte sich noch erweitern. Unternehmen, die betroffen sind, müssen mehrere CBAM-Berichte einreichen.

Reform der EU-Zollunion

Im Mai 2023 hat die EU-Kommission für viel Aufmerksamkeit gesorgt, weil sie das bisher größte Paket zur EU-Zollreform veröffentlicht hat. Diese Reform ziele darauf ab, die aktuellen Herausforderungen des EU-Zolls anzugehen, darunter den starken Anstieg des Handelsvolumens, insb. im E-Commerce, die zunehmende Anzahl von EU-Standards, die an der Grenze überprüft werden müssen, sowie sich verändernde geopolitische Bedingungen. Diese Reform, die einen datengesteuerten Ansatz verfolgen soll, wird in den nächsten 15 Jahren schrittweise umgesetzt. Der EU Data Hub wird im Jahr 2028 eingeführt. Änderungen wurden bereits vom Europäischen Parlament vorgeschlagen. In diesem Jahr ist damit zu rechnen, dass es weitere Diskussionen und Änderungsvorschläge seitens der Industrie und des Europäischen Parlaments geben wird.

ICS2 Phase 2 (2023) und 3 (2024)

Die EU hat mit der Einführung der zweiten Phase des Import Control Systems (ICS) einen wichtigen Schritt in der E-Zoll-Reform unternommen. Das Sicherheits- und Schutzprogramm greift vor der Ankunft und wird effektive risikobasierte Zollkontrollen ermöglichen und gleichzeitig den reibungslosen Ablauf des legalen Handels in der gesamten EU erleichtern. Seit März 2023 müssen alle Waren, die per Luftfracht in Post-, Express- und Stückgutsendungen transportiert werden, zusätzlich zu den bereits bestehenden Anmeldepflichten vor dem Verladen auch vollständige ENS-Daten vor der Ankunft bereitstellen.

Ab dem 3. Juni 2024 müssen Unternehmen, die Güter per Seeweg, Binnenwasserstraßen, Straßen oder Schienen transportieren, im Rahmen von Phase 3 einen vollständigen Datensatz der Entry Summary Declaration (ENS) an ICS2 übermitteln. Dies betrifft sowohl Post- und Expressdienstleister, die Waren mit diesen Transportmitteln befördern, als auch andere Parteien wie Logistikdienstleister, die ihren Kunden Transportdokumente ausstellen. Unter bestimmten Umständen müssen auch in der EU ansässige Endempfänger ENS-Daten an ICS2 übermitteln. Unseren Leitfaden zu ICS2 – Phase 3 finden Sie HIER.

Russland-Sanktionen

Im Juni 2023 wurde das 11. EU-Sanktionspaket gegen Russland verabschiedet, das sich am Vorbild des Vereinigten Königreichs orientierte. Es beinhaltete ein erweitertes Einfuhrverbot für Stahl- und Eisenprodukte aus russischen Ausgangsmaterialien. Um EU- und Nicht-EU-Unternehmen bei der Einhaltung der neuen Rechtsvorschriften und der Erkennung von Umgehungsversuchen zu unterstützen, haben wir umfangreiche FAQs und Leitfäden zur Ausstellung von „Mill Certificates“ bereitgestellt. Das 12. EU-Sanktionspaket, das im Dezember 2023 verabschiedet wurde, ist zum Jahresbeginn 2024 in Kraft getreten. Es beinhaltet neue Listungen sowie handelsbeschränkende Maßnahmen.

CPTPP: Erstes UK-Handelsabkommen außerhalb der EU

Auch das, was im Vereinigten Königreich geschieht, sollte für Unternehmen der Europäischen Union von Interesse sein. Am Sonntag, 16. Juli 2023, um 2:30 Uhr britischer Zeit, unterzeichnete das Vereinigte Königreich in Neuseeland offiziell den Vertrag über den Beitritt zur Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership (CPTPP). Die Unterzeichnung war die formelle Bestätigung des Einverständnisses der UK-Regierung, der Gruppe beizutreten, nachdem die Verhandlungen Anfang 2023 im Wesentlichen abgeschlossen worden waren. Die britische Regierung befindet sich nun im Prozess der Ratifizierung des Abkommens, das u.a. eine Kontrolle durch das britische Parlament beinhalten wird.

Die CPTPP-Länder werden ihre Gesetzgebungsverfahren abschließen. Man kann daher davon ausgehen, dass dieses Handelsabkommen in diesem Jahr in Kraft tritt und Unternehmen dann in der Lage sein werden, von seinen Vorteilen zu profitieren. In der Zwischenzeit haben britische Exporteure die Möglichkeit, die Vorteile einer Mitgliedschaft in der CPTPP zu analysieren. Sie können sich die branchenspezifischen Vorteile ansehen und auf den CPTPP-Rechtstext zugreifen, einschließlich der äußerst wichtigen CPTPP-Ursprungsregeln.

UK Border Target Operating Model

Das UK Border Target Operating Model (BTOM) wurde im August 2023 vorgestellt. Es präsentiert die endgültigen UK-Pläne für einen neuen Ansatz bei der Einfuhr von Waren nach Großbritannien, der seit Ende Januar 2024 schrittweise eingeführt wird. Die erste Stufe beinhaltet die Einführung neuer veterinärer, sanitärer und phytosanitärer Kontrollen (SPS) an den Grenzen seit dem 31. Januar 2024 für Risikokategorien und die Vorlage von Export Health Certificates (EHCs). Ab dem 30. April 2024 stehen Kontrollen an sog. Border Control Posts (BCPs) an.

Windsor-Rahmen für Nordirland

Das Abkommen über den Windsor-Rahmen für Nordirland wurde als Meilenstein für die Neugestaltung der Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich nach turbulenten Jahren betrachtet. Im vergangenen Jahr wurden neue, vorteilhafte Systeme eingeführt, wie das UK Internal Market Scheme (UKIMS), das Duty Reimbursement Scheme, das Customs Duty Exemption Program und das Northern Ireland Retail Movement Scheme.

Einführung des Customs Declaration Service (CDS) für den Export

In den vergangenen Jahren hat sich viel verändert in Bezug auf die Zollanmeldungen. Voraussichtlich im März 2024 werden britische Exporteure endlich von CHIEF auf CDS umsteigen. Diese Reform wird auch in der EU vorangetrieben und die Mitgliedstaaten passen ihre Systeme dem UZK-Datensatz an.

Gesetz der EU zur Verhinderung von Entwaldung

Eine bedeutende Frage, die man sich 2024 stellen sollte, sofern man beabsichtigt, Waren in die EU zu exportieren, lautet: „Ist meine Lieferkette frei von Entwaldung?“ Im Jahr 2025 wird ein neues Gesetz zur Verhinderung von Entwaldung in Kraft treten, das Importeure dazu verpflichtet, strengen neuen Vorschriften zu folgen.

Zwangsarbeitsrecht in der EU

In Anlehnung an die USA wird auch die EU über ein Gesetz zur Bekämpfung von Zwangsarbeit abstimmen und es verabschieden. Dieses Gesetz wird vorschreiben, dass Lieferketten frei von Zwangsarbeit sein müssen.

MC13 bei der Welthandelsorganisation (WTO)

Im Februar 2024 wird die Welthandelsorganisation (WTO) im Rahmen ihrer alle zwei Jahre stattfindenden Ministerkonferenz erneut im Fokus stehen. Besondere Aufmerksamkeit sollte dabei der Verlängerung des Moratoriums für die Erhebung von Zöllen auf elektronische Übermittlungen gewidmet werden. Sollte dieses Moratorium nicht verlängert werden, besteht die Gefahr, dass bald Zölle auf E-Commerce-Transaktionen erhoben werden. Es ist an der Zeit, den Druck zu erhöhen.

Zoll- und Welthandelspolitik im Zeichen von Wahlen

In diesem Jahr wird es zudem eine Vielzahl von Wahlen geben, angefangen von den Europawahlen im Juni 2024 bis zu den US-Präsidentschaftswahlen am 24. November. Möglicherweise werden auch im Vereinigten Königreich im Laufe des Jahres Wahlen durchgeführt. Der Ausgang dieser Wahlen hat das Potenzial, die Zoll- und Welthandelspolitik maßgeblich zu beeinflussen. Des Weiteren stehen in Russland Präsidentschaftswahlen an. Dort ist jedoch ein Führungswechsel bereits jetzt definitiv auszuschließen. Sanktionen und Krieg dürften also weitergehen.

Fazit und abschließende Gedanken

Das Jahr 2023 war geprägt von erheblichen Turbulenzen und Veränderungen in der Gesetzgebung, Politik und den Leitlinien. Es war ein bedeutendes Jahr, da es das Ende des „traditionellen Zollmanagers“ markierte, der sich ausschließlich mit der Klassifizierung, Bewertung und Herkunft von Zolltarifen sowie möglicherweise mit Importen und Exporten aus rein zollrechtlicher Sicht befasste. Der neue, moderne Zollmanager muss über diese Kernbereiche hinausgehen. Der CBAM, Abholzung, Zwangsarbeit und viele andere Themen und Politikbereiche sind neue Aufgabenfelder, in denen Zollexperten ihre Kompetenzen erweitern müssen.

arne.mielken@customsmanager.com

www.customermanager.org

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