Huthi-Angriffe am Roten Meer zwangen große Reedereien zuletzt immer wieder zu Ausweichmanövern. Dadurch sind auch die Frachtraten wieder deutlich gestiegen. Doch auch die angrenzenden Länder sind direkt oder indirekt von den Gefahren betroffen.

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Die im Jemen ansässige und vom Iran unterstützte Huthi-Miliz greift seit November regelmäßig Schiffe im Roten Meer an, vorgeblich als Vergeltung für die israelischen Militäroperationen im Gazastreifen. Bereits vor dem Konflikt kam es auf dieser Route immer wieder zu Huthi-Angriffen, doch die Zahl der Attacken ist gestiegen.

Als Reaktion auf das gestiegene Risiko für die Schifffahrt im Roten Meer, insb. im Bereich der Meerenge Bab al-Mandab, die den Jemen von Eritrea und Dschibuti trennt, haben die USA, die bereits über Seestreitkräfte in der Region verfügten, eine Marineallianz mit internationalen Partnern gebildet, um künftige Angriffe abzuwenden und die Schifffahrt zu schützen. Darüber hinaus greift eine von den USA und Großbritannien angeführte Militärallianz seit Januar Stellungen der Huthi im Jemen an, um deren Fähigkeit zur Ausführung weiterer Attacken zu schwächen. Die Gruppe setzt ihre Angriffe im Roten Meer jedoch unvermindert fort.

Meerenge Bab al-Mandab, das Rote Meer und Suezkanal werden gemieden

Während der Ausbruch des Konflikts zwischen Israel und der Hamas und die damit verbundenen regionalen Spannungen bereits seit Oktober vergangenen Jahres zu einem deutlichen Anstieg der Versicherungsprämien für Schiffe auf der Route durch das Rote Meer geführt haben, entscheiden sich inzwischen immer mehr Reedereien aus Sicherheitsgründen dazu, die Meerenge Bab al-Mandab, das Rote Meer und den Suezkanal – zumindest vorübergehend – zu meiden. Hierzu zählen insb. große Containerreedereien – A. P. Moller-Maersk, Hapag-Lloyd, CMA CGM und MSC – sowie einige Ölkonzerne.

Anhaltender Stillstand könnte erhebliche Auswirkungen auf den Welthandel haben. So laufen Schätzungen zufolge ca. 30% des globalen Containerverkehrs über die Suezkanalroute. Die oben genannten Containerreedereien haben an diesem Verkehr einen bedeutenden Anteil. Entscheidender ist allerdings, dass diese Wasserstraße die wichtigste Seehandelsroute zwischen Europa/MENA (Middle East and Northern Africa) und Asien bildet. Die von den Reedereien gewählte Alternativstrecke führt um das südafrikanische Kap der Guten Hoffnung, verlängert den Transport allerdings um viele Tage und erhöht die Frachtraten. Es gibt weitere Alternativen, die jedoch weniger auf der Hand liegen. So ist der Landtransport zwischen Europa und Asien, einschließlich des Schienengüterverkehrs, komplex und zeitraubend, da die Strecke durch Staaten mit einem erhöhten Sicherheitsrisiko führt, die zudem möglicherweise mit Sanktionen belegt sind. Der Luftfrachtverkehr ist für die meisten Produkte nicht rentabel. Für den Transport zwischen Asien und dem amerikanischen Kontinent machen Niedrigwasser und Trockenheit die Route durch den Panamakanal zu einer eher unwahrscheinlichen Alternative.

Lieferverzögerungen und höhere Frachtraten als Folge

Fest steht, dass heute deutlich weniger Schiffe den Suezkanal durchqueren als zuvor: Meldungen zufolge betrug die Zahl der Durchfahrten in der ersten Woche dieses Jahres lediglich 50% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die wichtigsten Auswirkungen der Umleitung der Schiffe sind Lieferverzögerungen, die die Lieferketten beeinträchtigen, sowie höhere Frachtraten. Der Transport asiatischer Autos nach Europa gehört zu den am stärksten betroffenen Bereichen, da Autotransport­reedereien ohnehin schon geringe Kapazitäten hatten. Auch beim Transport asiatischer Fahrzeugteile für europäische Automobilhersteller wurden Verzögerungen gemeldet, die zu Stillständen an den Fertigungslinien führten.

Die Automobilbranche ist aufgrund des Just-in-time-Prinzips der Lieferketten für solche Situationen besonders anfällig. Auch Branchen, die mit verderblichen Waren arbeiten (Nahrungsmittel und Lebendvieh), befinden sich in einer schwierigen Lage, während Lieferverzögerungen für die meisten anderen Branchen keine allzu großen Komplikationen verursachen. Allerdings sind Kostensteigerungen für alle Sektoren ein Problem, da einige Reedereien ihre Frachtraten aufgrund der aktuellen Situation verdoppelt haben. Gleichwohl liegen die Raten immer noch weit unter dem Niveau, auf das sie während der Pandemie geklettert waren (vgl. Grafik).

Kosten für einen Containertransport von Schanghai nach Rotterdam. Foto: Drewry Shipping Consultans Ltd

Auf den Öl- und Gasmärkten ist eine begrenzte Preissteigerung zu verzeichnen, die auf „geopolitische Risikoprämien“ zurückgeht, da das Rote Meer auch für diese Branchen eine wichtige Transportroute ist. Schwerwiegende Beeinträchtigungen wurden jedoch bisher nicht festgestellt. Die Störung der Passage durch den Suezkanal könnte darüber hinaus die wirtschaftlichen Auswirkungen des Hamas-Israel-Konflikts auf die MENA-Region, insb. Ägypten, verschärfen. Bereits vor dem Ausbruch des Konflikts hatte das Land mit erheblichen Liquiditäts- und Wirtschaftsproblemen zu kämpfen. Die steigende Gefahr eines Wegbrechens der wichtigsten Leistungsbilanzeinnahmen (aus dem Tourismus und dem Suezkanal) wird den Liquiditätsdruck nur noch verstärken.

Hinweis: Dieser Artikel beruht auf am 30. Januar 2024 verfügbaren Informationen.

j.schnorrenberger@credendo.com

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