Die Sanktionen gegen Russland beschäftigen derzeit viele Unternehmen. Vier Vertreter zweier Anwaltskanzleien haben auf einem vom „ExportManager“ veranstalteten Webinar über die Maßnahmen der Europäischen Union sowie der Vereinigten Staaten, aber auch Russlands diskutiert und Fragen beantwortet. Worauf es jetzt ankommt.

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Zum Äußersten, einem EU-Energieembargo gegen Russland und kompletten Ausfuhrverbot, kam es bisher zwar noch nicht. Die von der Europäischen Union und den USA verhängten Sanktionen haben es aber dennoch in sich. Darüber und über die russischen Vergeltungsmaßnahmen diskutierten Nicholas Galbraith und Clinton K. Yu – beide Partner bei der US-amerikanischen Anwaltskanzlei Barnes & Thornburg LLP – sowie Tanja Galander und Marian Niestedt von der Hamburger Kanzlei GvW Graf von Westphalen auf dem vom „ExportManager“ veranstalteten Russland-Forum mit über 170 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

Sowohl Barnes & Thornburg als auch Graf von Westphalen haben einen internationalen Fokus genau wie viele ihrer Mandanten, die sich nach den umfassenden Sanktionsregimes gegen Belarus und Russland mit nie dagewesenen Fragen konfrontiert sehen. Martin Brückner, Moderator und Herausgeber des  „ExportManagers“, eröffnete das Webinar am 30. März mit dem Hinweis, dass der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft noch Mitte Februar für 2021 einen Rekordhandel mit einem Volumen von über 500 Mrd EUR mit Osteuropa bekannt gegeben hatte. „Russland war demnach unter den 29 Ländern der drittwichtigste Handelspartner für deutsche Unternehmen mit Exporten in Höhe von 27 Mrd EUR.“

Und jetzt?„Full stop. Der schreckliche Krieg in der Ukraine hält nun schon über einen Monat an“, sagte Brückner: „Die EU, die USA und viele andere Länder auf der Welt haben Sanktionen gegen Russland verhängt, die sich auf den Warenhandel sowie Finanztransaktionen beziehen oder die gegen bestimmte Personen wie Oli-garchen gerichtet sind.“

Die aus den US-Sanktionen hervorgehenden Strafen, die vor allem in den sogenannten Export Administration Regulations (EAR) verankert sind, betreffen nicht nur amerikanische Exportfirmen, wie B&T-Partner Yu zu Beginn deutlich machte. Vielmehr könnten alle Unternehmen, die Produkte, Software und Technologien mit amerikanischem Ursprung ausführen, von US-Exportkontrollen tangiert werden, ergänzte Galbraith. Das Ziel von Strafen seien überwiegend US-Personen – unabhängig davon, wo sie sich aufhielten und ihre Aktivitäten betrieben. Aber auch Nicht-Amerikaner könnten sanktioniert werden, wenn sie Güter oder Dienstleistungen an gelistete Personen und Unternehmen lieferten oder in bestimmte Aktivitäten involviert seien, so Galbraith weiter – z.B. solche, die das demokratische System unterliefen.

So betreffen die US-Sanktionen gegen Russland bspw. auch Lizenzgeber in den Bereichen IuK-Technologien, Informationssicherheit, Luftfahrt, Marine und Luxusgüter. Natürlich seien auch nahezu alle Militärgüter für Endnutzer sowie der Finanz-, Verteidigungs- und Energiesektor im Visier der Behörden. In den USA gebe es bereits einen (teilweisen) Importstopp für russisches Öl, Flüssiggas, Kohle, Meeresfrüchte, Alkohol und Diamanten. Man könne auch bestimmte Privilegien verlieren, erklärte Yu: „Europäische Unternehmen können zum Ziel von sogenannten US-Sekundärsanktionen werden.“

Die vier Sanktionsrunden der EU

Nach der Übersicht über das US-Sanktionsregime thematisierten die GvW-Partner Tanja Galander und Marian Niestedt die Maßnahmen der EU. Bisher habe es im Zuge des Ukraine-Krieges vier Sanktionsrunden gegeben, berichtete Niestedt: „Aber daran kann sich praktisch jeden Tag etwas ändern.“ Nach Russlands Annexion der Krim im Jahr 2014 hätte die EU bereits erste Sanktionen verhängt, z. B. im Energiesektor. „Diese sind nun erheblich ausgeweitet worden.“

Die meisten Maßnahmen seien neu hinzugekommen, etwa die Exportverbote bei hochentwickelten Technologien und Luxusgütern mit einem Wert von regelmäßig mindestens 300 EUR. Hier sei sogar bereits der Verkauf untersagt. „Das Verbot gegen einzelne Sektoren beinhaltet auch Dienstleistungen und finanzielle Hilfen, die mit den Produkten und Technologien in Verbindung stehen. Lediglich bei Luxusgütern sind solche Dienstleistungen und finanzielle Hilfen nicht erfasst; dafür gibt es bei den Luxusgütern keine Ausnahmen“, erklärte Niestedt, der auf Außenwirtschaftsrecht und Zoll spezialisiert ist.

Galander, die bei GvW u.a. Russland, die Ukraine, Belarus und Kasachstan abdeckt, ging danach auf das umfassende Embargo gegen den russischen Finanzsektor ein. So dürften hiesige Banken keine Einlagen von Russinnen und Russen bzw. von in Russland ansässigen bzw. niedergelassenen Personen oder Unternehmen mehr annehmen, die 100.000 EUR übersteigen. Der Handel mit bestimmten russischen Banken ist komplett untersagt, so die GvW-Rechtsanwältin. Weiterführende Sanktionen sind bspw. das Verbannen russischer Flugzeuge aus dem europäischen Luftraum, ein Sendeverbot für die russischen Staatsmedien RT und Sputnik in der EU sowie die Suspendierung von Russlands WTO-Status als „Most Favoured Nation (MFN)“.

Nach den Experten-Vorträgen startete der Roundtable mit vielen Fragen zu den unterschiedlichsten Thematiken, darunter zur Rolle des Ausschusses für Auslandsinvestitionen in den Vereinigten Staaten (CFIUS), des US-Außenministeriums oder auch zum kommenden EU-US Trade and Technology Council, der Mitte Mai in Frankreich das nächste Mal zusammenkommt. Wird dort die Agenda von Russland dominiert werden? Davon gingen alle vier Rechtsexperten auf dem Russland-Forum fest aus.

Komplexe Due-Diligence-Prüfung

An Informationen rund um die Sanktionen vonseiten der Behörden und anderen Organisationen mangelt es nicht. Es kamen zuletzt viele FAQs dazu, die u.a. von der EU oder vom Bundeswirtschaftsministerium bereitgestellt werden. „Ein Blick darauf ist sicherlich hilfreich“, so Niestedt. „Man sollte aber nichtsdestotrotz aufpassen, weil die Antworten nicht immer deckungsgleich sind.“ Das mache die Due-Diligence-Prüfung derzeit so komplex.

Die wohl am häufigsten in Richtung der Anwaltskanzleien gestellte Frage im Zuge der Russland-Sanktionen ist denn auch, welche Pflichten die Unternehmen haben. „Diese können umfassend und detailliert sein, aber eine grobe Richtschnur gibt es schon“, sagte Niestedt. Natürlich müsse man seine Vertragspartner checken – und alle Parteien, die in eine Transaktion involviert sind, z.B. mit einem Screening-Tool. „Damit ist es aber nicht getan, damit man gelisteten Unternehmen oder auch Oligarchen, die nicht gelistete Firmen kontrollieren, nicht unter Umständen verbotenerweise indirekt wirtschaftliche Ressourcen bereitstellt.“

Man sollte neben dem Screening auch eine Internetrecherche betreiben und auf die Webseiten der Unternehmen gehen, um zu erfahren, wie die Eigentumsverhältnisse aussähen. „Das ist das Mindeste“, so der GvW-Partner. Das Problem mit Blick auf Russland seien allerdings häufig komplizierte Beteiligungsstrukturen mit Gesellschaften etwa auf Zypern oder den British Virgin Islands.

„Dies geht zwar nicht so weit, dass man etwa mittels eines Privatdetektivs vor Ort Nachforschungen anstellen muss, aber einige Hintergrundchecks sind unabdingbar“, unterstrich Niestedt. „Die Anforderung an die Sorgfaltspflichten gehen aufgrund der unsichtigen Beteiligungsstrukturen meines Erachtens in der Praxis weiter als bei anderen Sanktionen, etwa die gegen den Iran.“ Seine Kollegin Galander ergänzte, dass es mittlerweile Webseiten gebe, die russische Unternehmen listeten und mehr Informationen bereithielten. „Auf der Homepage der russischen Steuerbehörden werden etwa auch Auszüge aus dem Handelsregister und weitere Infos bereitgestellt, allerdings nur in russischer Sprache.“

Russlands Gegenmaßnahmen

Russland hat Anfang März mit Gegenmaßnahmen auf die Sanktionsregimes geantwortet, die sich auch auf ausländische Firmen auswirken. „Sie wurden hauptsächlich verhängt, um die Kapitalmärkte in Russland zu schützen und zu verhindern, dass ausländische Devisen in großem Stil abfließen“, berichtete Galander: „Die Maßnahmen beinhalten aber auch ein Exportverbot für rund 200 Posten wie technische Ausstattung, Medizintechnik oder Fahrzeuge. Teilweise gibt es aber auch Ausnahmen.“ Die russischen Sanktionen sind gegen sogenannte unfreundliche Staaten gerichtet, zu denen alle EU-Mitglieder, die USA oder Kanada gehören – also v.a. solche, die Russland zuvor wegen des Ukraine-Krieges sanktioniert haben. Auch das Dekret, das die Bezahlungen der Gaslieferungen in Rubel verlangt, zählt dazu. Zuletzt verhängte die russische Regierung nach Exportverboten für Holz, Getreide und Zucker auch noch einen Exportstopp für Raps und Sonnenblumenkerne zum 1. April.

Wie es mit den Sanktionen der EU und den USA künftig weitergeht, darauf wollten sich die vier Rechtsexperten des Russland-Forums verständlicherweise nicht festlegen. Das seien politische Entscheidungen, die vom weiteren Kriegsverlauf abhingen. Einig war man sich auch in der Einschätzung, dass US- und EU-Behörden ihre künftigen Maßnahmen auch weiterhin sehr eng abstimmen würden.

Hinweise: Die Aufzeichnung des Russland-Forums und die dazugehörigen Präsentationen können Sie HIER abrufen. In der folgendenRubrik Liefern finden Sie zwei weitere Beiträge zum Thema. Der eine analysiert die einzelnen EU-Sanktionen ausführlich, der andere präsentiert neben Praxisbeispielen einen Vergleich zu den US-Sanktionen.

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