Kredite haben sich in den vergangenen Monaten stark verteuert. Aber welche Faktoren genau treiben Kreditkosten eigentlich? Und wie können Unternehmer ihre eigenen Konditionen verbessern? In diesem Beitrag werden die Preiselemente von Bankkrediten stärker unter die Lupe genommen.

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Eine Faustregel hat im Finanzwesen seit Jahrhunderten Bestand: Wenn die Zinsen steigen, stärkt das tendenziell die Rentabilität von Kreditgeschäften – fallen sie, passiert das Gegenteil. Dieser Mechanismus greift auch jetzt wieder: Die weltweite Wende bei den Leitzinsen, die auch die Kapitalmarktzinsen mit nach oben gezogen hat, spiegelt sich in den Geschäftszahlen der Banken wider: Viele von ihnen haben im vergangenen Geschäftsjahr besser abgeschnitten als zuvor erwartet. Die Kehrseite davon ist, dass viele Unternehmen einen deutlichen Anstieg ihrer Finanzierungskosten verzeichnen – und in der Tendenz auch schwierigere Gespräche mit ihren Kreditgebern, wenn es um neue Finanzierungen geht. Aber ist es wirklich so, dass ein nennenswerter Teil des Zinsanstiegs in die Taschen der Banken fließt? Oder sind andere Kräfte am Werk, die die Banken nur weiterreichen?

Euribor: Anstieg um rund etwa 400 Basispunkte

Welche Kraft konkret am Werk ist, erkennt man sofort, wenn man sich den Drei-Monats-Euribor ansieht. Dies ist der Referenzzinssatz, auf dem viele variabel verzinste, längerfristige Unternehmenskredite beruhen, z.B. syndizierte Kredite und/oder Betriebsmittellinien. Denn am Euribor orientieren sich auch die Kosten der Banken für ihre eigene Kapitalbeschaffung. Anfang 2022 lag der Drei-Monats-Euribor noch bei minus 0,6%, Mitte des Jahres standen schon rund 3,5% zu Buche – ein Anstieg um fast 400 Basispunkte, der sich auch bei allen anderen Referenzzinssätzen zeigt. „Der allergrößte Teil der Zinsanstiege, die Unternehmen bei ihren Krediten erleben, ist auf diese starke Bewegung beim Euribor zurückzuführen“, erklärt Stephan Beil, Leiter des Geschäfts mit Akquisitionsfinanzierungen bei der Deutschen Bank.

Die Entwicklung des Euribors spiegelt sich 1:1 in den Zinskosten aller Kreditnehmer wider, unabhängig von ihrer individuellen Bonität. Bemerkenswert: Auf den beginnenden Zinsanstieg haben viele Unternehmer im vergangenen Jahr rasch reagiert. Als spätestens Ende Februar mit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs absehbar wurde, dass Inflation und Energiepreise steigen werden, zogen offenbar viele Unternehmen ihre Finanzierungsaktivitäten vor und sicherten sich benötigte Liquiditätsreserven. Darauf deuten Zahlen der KfW hin, wonach das Kreditneugeschäft der Banken mit Unternehmen und Selbstständigen in Deutschland im vergangenen Jahr einen Boom erlebte. Allein im dritten Quartal betrug der Anstieg gegenüber Vorjahr satte 36%.

Danach begannen die Unternehmer aber, das Kreditvergabeverhalten der Banken zunehmend als restriktiv wahrzunehmen, wie ein weiterer KfW-Kreditindikator zeigt. Die gestiegenen Zinskosten hielten Deutschlands Mittelstand aber auch in der Folge nicht davon ab, Kredite zu ziehen, zu wachsen und Investitionen zu tätigen, zumal einige Unternehmen sich gegen das steigende Zinsniveau mit Zinsderivaten schützten. Relativ zu anderen Kostensteigerungen wird der Zinsanstieg teilweise als Normalisierung nach einer langen Phase extrem niedriger Zinsen kommentiert.

Kredite mit „Sonderausstattung“

All jene Unternehmer, die noch vor der Phase des starken Zinsanstiegs erfolgreich „Pre-Funding“ betrieben haben, konnten einen wesentlichen Preistreiber bei Krediten – den Euribor – noch weitgehend vermeiden. Doch der Euribor erklärt nur einen Teil der Preisschwankungen bei Krediten. Nach Durchreichen des aktuellen Euribor kommen noch Zuschläge auf den Zinssatz obendrauf, die sehr wohl mit dem Verhalten, den Präferenzen und der Bonität eines Kreditnehmers zu tun haben – aber auch mit der Verfassung seiner Bank.

Zunächst kommt die konkrete Ausgestaltung des Kredits ins Spiel. Je flexibler ein Unternehmen seine Kreditlinie ziehen will, desto höher sind die Kapitalbeschaffungskosten der Bank. Wer also den Zinssatz seiner Betriebsmittellinie senken will, könnte dieses Ziel erreichen, indem er sich bspw. darauf einlässt, das Ausmaß der „Ziehung“ seiner Linie nicht alle vier Wochen, sondern nur alle drei oder alle sechs Monate verändern zu können.

Unterschiedliche Devisen kosten Geld

Gleiches gilt für die Währung: In je mehr unterschiedlichen Devisen der Kredit gezogen werden darf, umso teurer wird es. Und auch hier spielt das Ausmaß der Flexibilität eine Rolle: Wenn nur ein Viertel der Linie in US-Dollar gezogen werden kann, ist das günstiger, als wenn ein Chief Financial Officer bei Bedarf die ganze Linie in US-Dollar ziehen möchte. „Das ist vergleichbar mit der Sonderausstattung beim Autokauf. Jedes Extra kostet einen gewissen Aufschlag auf die Standardausstattung“, erläutert Beil.

Kai Stefani, Partner der auf die Finanzindustrie spezialisierten Unternehmensberatung zeb, betont diesen Aspekt ausdrücklich: „Sonderwünsche führen zu Kosten bei der Bank, deren Höhe viele Unternehmer unterschätzen. Da geht es nicht nur um sehr ungewöhnliche Themen, sondern auch um recht bekannte wie bspw. eine hohe Flexibilität bei Sondertilgungen oder die Forderung nach einem Verzicht auf Vorfälligkeitsentschädigungen seitens der Bank.“ Eine Preiskomponente, die hingegen alle Nutzer von Kreditlinien in gleichem Maße tragen müssen, ist der Aufschlag für die Bevorratung mit Liquidität durch die kreditgebende Bank. Weil jeder Kreditnehmer das Recht hat, „unerwartet“ die Linie auch mal komplett zu ziehen, muss die Bank sich prophylaktisch Zugriff auf große Mengen Liquidität sichern. Die Kosten für diese Bevorratung werden auf alle Kreditnehmer verteilt.

Wichtigste Preisaufschlag durch Bonität bestimmt

Der nächste und nach dem Referenzzinssatz wichtigste Preisaufschlag wird durch die Bonität des Kunden bestimmt. Er leitet sich primär aus dem bankinternen Rating ab, das dieser Kunde zum Zeitpunkt der Kreditvergabe hat. Dieses Rating wird regelmäßig – auch unterjährig und ereignisgetrieben – angepasst. „Eine weitere Kostenkomponente ist aber auch LGD – der Loss Given Default“, ergänzt Beil. Diese Zahl misst den höchstmöglichen finanziellen Verlust, den die Bank erleiden würde, wenn der Kunde den Kredit nicht mehr bedienen kann. „Durch das Zurverfügungstellen von bewerteten Sicherheiten kann ein Unternehmen diese Kostenkomponente reduzieren und damit die Zinskosten senken“, sagt Beil. Die Bank muss den Kredit dann mit weniger Eigenkapital unterlegen, verglichen mit einer Situation ohne bewertete Sicherheiten.

Die nächste Schicht der Kreditkosten hängt stark davon ab, mit welcher Bank man den Kredit abschließen möchte. Hier geht es um die individuellen Finanzierungsaufschläge, die auch Banken bei ihrer Refinanzierung – abhängig von ihrer eigenen Bonität – bezahlen müssen. Einen validen Hinweis darauf, welche Banken gerade eher geringe bzw. höhere Aufschläge bezahlen müssen, liefern die sog. Credit Default Swaps (CDS). Das sind die Preise für Kreditausfallversicherungen, die Marktteilnehmer eingehen, um sich gegen den Ausfall einer bestimmten Bank zu schützen. Dies kann in extremen Fällen dazu führen, dass bei einem Konsortialkredit manche Banken aus der Verhandlung aussteigen, während andere ohne Weiteres dazu bereit sind, dem Kunden zu dem vorgeschlagenen Zinssatz Geld zur Verfügung zu stellen. Last, but not least fließen auch noch die Verwaltungskosten einer Bank in die Berechnung des Zinssatzes mit ein. Es sind also nicht nur die bonitätsstarken Banken, die sich „Kampfpreise“ im Kreditgeschäft eher leisten können, sondern auch besonders effiziente Banken, die eine niedrige Cost-Income-Ratio aufweisen.

Preishebel Zusatzgeschäft

Erst danach, ganz zum Schluss, schlägt jede Bank noch ihre eigene Gewinnmarge obendrauf. Diese richtet sich auch nach der aktuellen Geschäftsstrategie: Banken, die gerade das Ziel verfolgen, im Kreditgeschäft zu wachsen, werden sich eher mit niedrigeren Margen zufriedengeben als solche, die gerade im Begriff sind, ihr Kreditbuch abzuschmelzen.

„Das kann ein Unternehmer oder CFO von außen schwer antizipieren“, gibt Beil zu – betont aber noch zwei weitere Faktoren, die dazu führen können, dass einzelne Banken scheinbar überraschend aus Kreditgesprächen oder einem sich bildenden Konsortium aussteigen. Der eine Faktor ist die Transparenz des Kreditnehmers gegenüber seinen Banken. „Wenn die Qualität des Reportings und die Transparenz des Kreditnehmers vergleichsweise niedrig sind, können die Vorstellungen der Banken zu Margen und Risikokosten uneinheitlich werden“, berichtet Beil.
Noch wichtiger dürfte das berühmte Zusatzgeschäft sein, das ein Firmenkunde zu vergeben hat. So entscheiden die allermeisten Banken nicht isoliert über die Rentabilität des Kredits, sondern berücksichtigen die gesamte Geschäftsbeziehung. Deshalb bieten jene Banken, die für ein Unternehmen z.B. den Zahlungsverkehr oder die Absicherungsgeschäfte abwickeln, meistens attraktivere Kreditkonditionen an als solche Institute, die nicht zum Kreis der Kernbanken gehören. Die Aussicht auf Zusatzgeschäft ist also ein wirksamer Hebel in Preisverhandlungen mit Banken – aber natürlich nur, solange dieses Versprechen auch solide untermauert ist und die Bank es für belastbar hält.

zeb-Partner Kai Stefani spricht noch einen weiteren Einflussfaktor auf die Preisgestaltung von Bankkrediten an: die Portfoliostrategie einzelner Banken. „Die Portfoliosteuerung einer Bank kann dazu führen, dass sämtliche Unternehmen aus bestimmten Sektoren relativ bessere oder schlechtere Kreditkonditionen erhalten als in den Jahren davor. Dass hier außerordentliche Zu- oder Abschläge zu erwarten sind, ist für die Kreditnehmer meistens nicht transparent. Aber diese Portfolioperspektive nehmen die Banken seit rund drei Jahren vermehrt ein.“ Aktuell beobachtet der Bankenberater z.B. bei vielen Banken einen Abbau des Kredit-Exposures gegenüber energieintensiven Branchen. Darüber hinaus können Makroschocks wie die stark gestiegenen Energiepreise oder gestörte Lieferketten laut Stefani dazu führen, dass Banken in solchen Phasen die Risikopuffer in ihren Kreditkonditionen erhöhen wollen, um den zu erwartenden höheren Ausfallraten entgegenzuwirken. Ob dies gelingt, darüber entscheidet auch die Intensität des Wettbewerbs unter den Banken.

Wie stark der Euribor einschlägt

Welcher Faktor beeinflusst die Kreditkosten nun am stärksten? „Das hängt enorm von der Bonität eines Unternehmens ab“, sagt Beil. „Die Kosten, die aus dem Euribor entstehen, sind für alle gleich. Bei Unternehmen guter Bonität kommen weniger als 2 Prozentpunkte für andere Kostenkomponenten hinzu.“

Je schwächer die Bonität, desto stärker verschiebt sich das Gewicht weg von den Veränderungen der Kapitalmarktzinsen hin zur Entwicklung der eigenen Bonität. Der Umstand, dass diese Verteilung bei jedem Unternehmen anders ist, führt zu teils außergewöhnlichen Entwicklungen, wie sie Beil regelmäßig erlebt. „Ich kenne Unternehmen“, berichtet der erfahrene Banker, „die sich im vergangenen Jahr prächtig entwickelt haben, aber wegen der Marktentwicklung jetzt trotzdem höhere Zinsen bezahlen.“ Davor sei dies jahrelang andersherum gewesen, erinnert sich Beil: „Da hat der immer weiter fallende Euribor bei so manchem Unternehmen die Abschwächung der eigenen Bonität überkompensiert.“

Michael Hedtstück, Autor „results. FinanzWissen für Unternehmen“. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Bank. Den dazugehörigen Link finden Sie HIER

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