In Deutschland ist die Zahl der Insolvenzen im vergangenen Jahr trotz der schwersten Rezession seit 2009 deutlich gesunken. Eine Auswertung zeigt: Dieser Rückgang betrifft nicht alle Branchen und Bundesländer gleichermaßen und den rückläufigen Insolvenzzahlen steht ein massiver Anstieg von Forderungen gegenüber. Darüber hinaus stecken noch bis zu 4.030 Pleiten in der Pipeline.

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Im Jahr 2020 wurden in Deutschland 15.840 Unternehmen zahlungsunfähig. Auch dank massiver staatlicher Unterstützung ist das der niedrigste Stand seit 1993 und der stärkste Rückgang (–15,5% gegenüber 2019) seit 1975. Doch nicht jede Branche oder Region profitierte von dieser Situation. Denn um Corona-Hilfen zu erhalten, mussten Unternehmen nachweisen, dass ihr Geschäftsmodell vor der Pandemie, also im Dezember 2019, funktionierte. Sowohl die Metall- als auch die Automobilbranche befanden sich jedoch seit Ende 2018 in der Rezession. Dadurch erfüllten einige Unternehmen diese Kriterien nicht und erhielten keine staatliche Unterstützung.

Gesamtstruktur bleibt unverändert

Folglich stiegen die Insolvenzen im Metallsektor im vergangenen Jahr um 7,1%, der Anstieg im Automobilsektor betrug 31,6%. Diese Zuwächse in einzelnen Branchen haben die Gesamtstruktur der Insolvenzen in Deutschland jedoch nicht verändert: Der Großteil der Insolvenzen kommt nach wie vor aus den Bereichen Unternehmensdienstleistungen, Bau und Gastgewerbe sowie Einzelhandel und Transport. Auf die Metallindustrie entfielen im Jahr 2020 nur 3% aller Insolvenzen, auf die Automobilindustrie gerade einmal 0,5%.

Mehr Insolvenzen in Bremen – auch in „Autoländern“ stottert der Motor

Unterschiede waren auch innerhalb der Bundesländer zu beobachten. Fast alle Länder meldeten einen Rückgang der Insolvenzen – mit Ausnahme des Stadtstaates Bremen. Dort stieg die Zahl der Unternehmenspleiten um 8% gegenüber 2019, was vor allem auf die Bereiche Unternehmensdienstleistungen, verarbeitendes Gewerbe und Transport zurückzuführen ist. Unter dem Bundesdurchschnitt lagen die Rückgänge auch in Hessen (–8,4%) und den beiden „Autoländern“ Baden-Württemberg und Niedersachsen mit jeweils –11,9%.

Unterschiedliche Insolvenzentwicklungen konnten auch zwischen den verschiedenen Unternehmensrechtsformen beobachtet werden: Einzelunternehmen/Freiberufler trugen mit rund 25% zur Gesamtzahl der Insolvenzen bei, während die GmbH, die meist von KMU genutzt wird, einen Anteil von 65% hatte. Die Insolvenzen von Einzelunternehmen gingen im Jahr 2020 überraschend stark um 33% zurück, während die Insolvenzen von GmbHs um rund 7% sanken. Eine Erklärung dafür könnte die Inanspruchnahme staatlicher Unterstützung sein, die sich stark auf kleine Unternehmen konzentriert.

Insolvenzforderungen auf Höchststand seit 2009

Man könnte also meinen, dass Deutschland im Hinblick auf Unternehmenspleiten sehr gut dasteht. Doch der Schein trügt, denn die reine Zahl gibt keine Auskunft über den wirtschaftlichen Schaden. So schätzt das Statistische Bundesamt, dass sich die zu erwartenden Forderungen aus Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2020 auf 44,1 Mrd EUR summieren. Das wäre der höchste Stand seit 2009 und im Vergleich zu 2019 eine Steigerung um 65%.

Einige Sektoren stechen bei diesem Vergleich hervor, insbesondere die Informations- und Kommunikationsbranche. Sie meldete einen Anstieg um 2.767% im Vergleich zum Vorjahr. Das kommt auf den ersten Blick einigermaßen überraschend, ist allerdings mit der Pleite des Abrechnungsdienstleisters AVP zu erklären, der mit vielen Apotheken zusammengearbeitet hat. Am anderen Ende des Spektrums stiegen die Schäden im Baugewerbe um 7%, im Transportwesen gingen sie gar um 84% zurück.

Bis zu 4.030 Pleiten in der Pipeline

Viele Unternehmen haben nach den Wirtschaftskrisen 2002 und 2009 mehr Eigenkapital aufgebaut und gingen dadurch stabiler in die aktuelle Krise. Jedoch sind diese Reserven irgendwann aufgebraucht. Für viele wird der aktuelle Lockdown daher zu lange andauern. Darauf deutet auch die Zahl der Anmeldungen für ein Regelinsolvenzverfahren hin. Seit April 2020 war diese Zahl rückläufig, der Trend änderte sich im Oktober 2020. Seitdem steigen die Zahlen – mit einer Ausnahme im Januar 2021 – wieder. Im Februar 2021 registrierte das Statistische Bundesamt 30% mehr Insolvenzanträge als im Vormonat, im März wurde mit +37% der höchste Zuwachs seit März 2017 erreicht. Im April ging die Zahl der neuen Anträge etwas zurück, sie bleibt aber auf hohem Niveau.

Laut einer Simulation von Coface hätten die Gesamtinsolvenzen im Jahr 2020 auf Grundlage des Konjunktureinbruchs um 6% gegenüber 2019 ansteigen müssen. In der Realität sind sie um 15,5% gesunken. Daher könnten 4.030 Insolvenzen noch in der Pipeline stecken und sich 2021 bzw. 2022 materialisieren. Das Gros dürfte aus dem Gastgewerbe kommen, wo wir bis zu 660 „versteckte“ Insolvenzen erwarten, gefolgt von Transport und Bau mit jeweils bis zu 420, dem verarbeitenden Gewerbe (230) und dem Einzelhandel (190).

Die Studie zu den Insolvenzen in Deutschland gibt es HIER zum Download.

christiane.von-berg@coface.com

www.coface.com

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