Nach dem Abschluss eines Investitionsabkommens mit China balanciert die EU ihr Engagement in Asien aus. Denn die wirtschaftliche und politische Dominanz Chinas bereitet Sorgen. Die EU setzt auf bilaterale Abkommen, wie sie bereits mit Japan, Südkorea, Singapur und Vietnam bestehen.

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Die Landkarte der Handelsabkommen in Asien wird zunehmend unübersichtlich. Neben bilateralen Vereinbarungen gewinnen regionale Bündnisse an Gewicht. Vor allem die ASEAN-Staaten haben früh an einem Ausbau ihrer ASEAN Free Trade Area (AFTA) Richtung China gearbeitet. Nun liegt mit der Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) ein Abkommen vor, das einen großen Teil dieser Region mit einem Handelsabkommen verbindet. Dadurch sinken insbesondere die Zölle für Ursprungsware aus den beteiligten Ländern und damit die Kosten in den innerasiatischen Lieferketten. Indien ist dem Abkommen nicht beigetreten, da der Zollschutz vor chinesischen Waren den Vorteil niedriger Zölle für indische Waren überwiegt.

USA suchen den Schulterschluss gegen China

Für die USA, die sich in der Amtszeit Donald Trumps aus der Trans-Pacific Partnership (TPP) zurückgezogen haben, stellt die wachsende wirtschaftliche Bedeutung Chinas in der Region eine Herausforderung dar. Die Biden-Administration hat darauf mit einer Belebung der Bündnisse mit westlich orientierten Staaten wie Japan, Australien und Indien reagiert. Die drei genannten Staaten bilden mit den USA den sogenannten Quadrilateralen Sicherheitsdialog (Quad). Seit China in Australien und Indien immer selbstbewusster auftritt, wächst dort das Bedürfnis an einem Austausch mit den USA. Zunächst stand die Beschaffung von Impfstoffen gegen Covid-19 im Mittelpunkt der Gespräche. Doch auch die Sicherheit der maritimen Handelswege, der Klimaschutz sowie die Zusammenarbeit im Technologiebereich spielen eine Rolle.

EU muss Handel und Politik zusammenbringen

Die Europäische Union hat nun eine Indo-Pazifik-Strategie vorgelegt, die ähnliche Fragen aufgreift. Dazu zählen Partnerschaften mit den Staaten der Region, z.B. die Konsultationen mit den ASEAN-Staaten im Rahmen des Dialogforums Asia–Europe Meeting (ASEM) oder der regelmäßige bilaterale Austausch mit China und Indien. Ein Schwerpunkt sind hierbei die Pandemiebekämpfung und die Nachhaltigkeitsziele der UN, beispielsweise der Klimaschutz und die Einhaltung der Menschenrechte. Hinzu kommen aber auch Sicherheitsthemen wie die Sicherheit der maritimen Handelsrouten.

Dominanz Chinas wiegt schwer

China ist der weitaus wichtigste Handelspartner der EU in Asien. Mit knapp 160 Mrd EUR Handelswert und einem Zuwachs gegenüber Vorjahr um mehr als 20% lag das Land im ersten Quartal 2021 weit vor den folgenden drei Ländern Japan, Südkorea und Indien, die zusammen lediglich auf einen Handelswert von 74 Mrd EUR kamen. Für die Indo-Pazifik-Strategie der EU heißt dies, dass gerade zu dem Handelspartner eine relativ große Abhängigkeit besteht, mit dem die größten Meinungsverschiedenheiten in anderen Fragen bestehen. Die damit verbundenen Schwierigkeiten zeigen sich gerade in der Diskussion über das Investitionsabkommen CAI zwischen der EU und China im Europäischen Parlament.

EU strebt neue Handelsabkommen an

Die Europa politisch näherstehenden Länder Japan und Südkorea sind der EU zudem mit Freihandelsabkommen verbunden, die eine Ausweitung des Warenhandels erleichtern. Hier wäre zu prüfen, ob die Zusammenarbeit nicht ausgebaut werden sollte. Indien bleibt dagegen weiterhin durch hohe Zollhürden und nichttarifäre Handelshemmnisse von einer stärkeren Zunahme des Außenhandels und ausländischer Investitionen isoliert. Die jüngsten Beratungen auf dem EU-Indien-Gipfel haben zumindest eine Wiederaufnahme der jahrelang ruhenden Handelsgespräche gebracht.

Weitere Länder, mit denen die EU größere Handelswerte austauscht, sind die ASEAN-Staaten und Taiwan. Mit den ASEAN-Mitgliedstaaten Singapur und Vietnam bestehen bereits Freihandelsabkommen, weitere sind in Verhandlungen. Doch auch mit den ASEAN-Staaten gibt es politische Unstimmigkeiten, die die wirtschaftliche Annäherung belasten. Vor allem das Vorgehen des Militärs in Myanmar stellt für die EU eine politische Hürde dar. Die Einhaltung der Menschenrechte wird für die EU immer mehr zum Lackmustest für die Zusammenarbeit.

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„China als Drehkreuz für den asiatisch-pazifischen Raum nutzen“

Im Interview mit dem „ExportManager“ äußert sich Dr. Karl Waldkirch zu den unternehmerischen Aspekten der neuen Indo-Pazifik-Strategie der EU.

Herr Dr. Waldkirch, Europa tut sich schwer mit einer Antwort auf den wachsenden Einfluss Chinas und die Reaktion der USA darauf. China möchte in den nächsten Jahrzehnten zur führenden Wirtschaftsmacht der Welt werden. Sie kennen die chinesische Herangehensweise an solche strategischen Konstellationen. Was würden Sie einem Unternehmen raten, das sich für die nächsten 20 Jahre in Asien positionieren möchte?

Als zweitgrößte Wirtschaftsnation der Welt ist China schon jetzt eine führende Wirtschaftsmacht. Der Übergang von der globalen Werkbank zur führenden F&E-Plattform von Großunternehmen und dem Mittelstand ist vollzogen. Die Mars-Landung ist dafür ein Wink mit dem Zaunpfahl.

Unter der Ägide Chinas wurde das größte Handelsabkommen der Welt unterzeichnet: 15 asiatische Länder erwirtschaften als Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) ein Drittel des weltweiten Handelsvolumens. Damit werden Zölle abgebaut und Handelshemmnisse verringert. Die Volksrepublik bindet damit die anderen Staaten an sich und vergrößert so den eigenen wirt-schaftlichen Einfluss.

So werden beispielsweise in Shanghai ansässige deutsche Tochterunternehmen zum Nutznießer dieser Freihandelszone. Die deutsche Industrie könnte zukünftig ihre Präsenz in Asien ausbauen, um so ihren Standort in China strategisch als Drehkreuz für den asiatisch-pazifischen Raum zu nutzen.

Kommentatoren in China weisen darauf hin, dass das Land mit seinem stärkeren Engagement nur seiner internationalen Verantwortung gerecht werde. Das habe der Westen immer gefordert. Nun würden die Wirtschaftsbeziehungen zunehmend politisiert und China zur Übernahme des westlichen Modells gedrängt. Daher wolle sich China vom Westen unabhängig machen. Welche Zukunft sehen Sie für die Zusammenarbeit mit China?

China will sich nicht unabhängig machen. Das zeigt gerade die Neue Seidenstraße. Sie ist das weltweit größte Infrastrukturvorhaben aus Land- und Seerouten und soll die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Asien, Afrika und Europa intensivieren. China ist jetzt bereits der größte Auslandsinvestor auf dem afrikanischen Kontinent. Hier droht Europa den Anschluss zu verpassen.

Das umsatzstärkste und bevölkerungsreichste Land mit riesigem Kaufkraftpotenzial lässt sich auch in Zukunft beschaffungs- und absatzseitig nicht von unseren Wirtschaftsinteressen abkoppeln. Der Westen ist auf China als Wirtschaftspartner angewiesen.

Mit ihrer neuen Indo-Pazifik-Strategie greift die EU die japanische Begrifflichkeit einer Region von Indien bis zum Pazifik auf. Wie sehen Sie die Region? Welche Rolle spielt Indien darin und welche Bedeutung haben Länder wie Japan und Südkorea?

Jeder einzelne Markt aller drei Länder Asiens ist für die Unternehmen der EU hochinteressant. Der Subkontinent bietet aufgrund seiner erheblichen Entwicklungspotenziale Chancen, unternehmerisch tätig zu werden im Sourcing und als Fertigungsstandort, aber immer mit langem Atem. Japan und Südkorea zählen eher zu den höher entwickelten, saturierten Volkswirtschaften; dort werden jetzt strategische Allianzen im Bereich Cross-Sales geprüft.

Dr. Karl Waldkirch ist Geschäftsführer der ASC – Asia Success Company e.K. Er berät seit über 30 Jahren international ausgerichtete Unternehmen im Asien-Geschäft, u.a. zum Projektmanagement.

 

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