Auf dem diesjährigen niedersächsischen Außenwirtschaftstag sprachen sich die Protagonisten für ein De-Risking statt ein Decoupling sowie eine vorausschauende Handelspolitik aus, die die Importseite stärker in den Fokus nimmt. Darüber hinaus wurden Außenwirtschaftspreise verliehen. Auf der parallel stattfindenden Hannover Messe war angesichts der globalen Krisenherde zwar keine euphorische, wohl aber eine gewisse Aufbruchstimmung zu spüren.

Beim diesjährigen niedersächsischen Außenwirtschaftstag war viel Feuer im Spiel – natürlich nur im übertragenen Sinne. Denn das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung zeichnete am 19. April zwei Unternehmen mit dem Außenwirtschaftspreis aus, die dieses Spiel beherrschen. Refratechnik produziert feuerfeste Komponenten, die in industriellen Hochtemperaturprozessen auf der ganzen Welt zum Einsatz kommen, z.B. in der Kalk-, Keramik- und Zementindustrie. Während der exportorientierte, einstige Handwerksbetrieb aus Niedersachsen den KMU-Preis einheimste, gewann Keramischer Ofenbau bei den Großunternehmen. Die Göttinger bauen energieeffiziente Industrieöfen. Auch bei dieser Firma ist also viel Feuer im Spiel.

Diversifizierung bei den Importen

Gleiches galt für die Keynotes auf dem niedersächsischen Außenwirtschaftstag. So referierte Prof. Dr. Michael Berlemann über die geoökonomische Fragmentierung als Herausforderung für die Exportwirtschaft. Der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts unterstrich, dass „kein Handel mit unbeliebten Staaten in Deutschland zu einem massiven Wohlfahrtsverlust führen würde. Das können wir nicht machen, auch weil wir diese Länder brauchen, um andere Probleme wie den Klimawandel zu lösen“, erklärte Berlemann in Hannover. Der Ökonom sprach sich aber dafür aus, die Geschäfte stärker zu diversifizieren. „Wir dürfen nie mehr so abhängig sein, wie das beim russischen Öl der Fall war – also nicht immer nur dort einkaufen, wo es am günstigsten ist“, so Berlemann. Natürlich koste Diversifizierung in der Regel etwas. „Sie ist jedoch eine gute Versicherung.“ Auf der Exportseite funktioniere das schon sehr gut. „Jetzt müssen wir auch bei den Importen nachziehen.“ In einem Atemzug machte sich Berlemann für eine vorausschauende Handelspolitik stark. „Wir brauchen auch importseitig eine Förderpolitik, nicht nur bei den Exporten.“

Ins gleiche Horn bließ Matthias Machnig, der vormalige Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. „Wir haben in Deutschland einen Anteil von 23 bis 24% an industrieller Wertschöpfung, hinzu kommen noch die Dienstleistungen in diesem Umfeld. Damit liegen wir deutlich vor den USA, Frankreich oder Großbritannien. Doch vieles ist zuletzt fragil geworden“, so Machnig. „Wir sind mitten in einer Transformation, dem tiefgreifendsten Wandel seit Beginn der Industrialisierung.“ Die Wettbewerbsfähigkeit sei mitentscheidend, ob es gelinge, die Exportstärke in den nächsten Jahren aufrechtzuerhalten. Refratechnik und Keramischer Ofenbau sind gute Beispiele für Stärke in diesen Zeiten. „Mit dem Außenwirtschaftspreis würdigen wir herausragende Unternehmen, die auf internationalen Märkten trotz globaler Krisen erfolgreich sind“, erklärte denn auch der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies.

China als wichtigster Markt

Auch Agraforum, Sieb & Meyer sowie Rossmann haben sich innerhalb der weltweiten Schieflagen gut geschlagen. Deren Vertreter diskutierten auf dem Außenwirtschaftstag über Krisen als Transformationsantrieb für die Exportwirtschaft. China ist für Sieb & Meyer genau wie für den Saatgutspezialisten Agraforum, beides letztjährige Gewinner des niedersächsischen Außenwirtschaftspreises, der mit Abstand wichtigste Markt. „Es wäre eine Katastrophe, wenn dort etwas passieren würde“, sagte Agraforum-Chef Dr. Thomas Hüster. Das Verständnis für Naturprodukte sei in China sehr hoch. „Auch der Umweltgedanke ist dort schon sehr viel weiter, als wir oftmals glauben.“ Auch Sieb & Meyer, das auf Antriebs- und Steuerungstechnik spezialisiert ist, pflege in China viele gute Partnerschaften, so CEO Markus Meyer.

Die Drogeriekette Rossmann macht (europaweit) mehr Auslandsgeschäft, als man vielleicht vermutet, und war einer der Corona-Krisengewinner, was auch Manager Oliver Bertram bestätigte. „Wir durften ja unsere Läden immer offen halten und haben viele Produkte, die gefragt waren und sind.“ Für Rossmann sei die interne Kommunikation eine Herausforderung gewesen, die man gut gelöst habe. „Wir sind wie ein Netzwerk aus miteinander verbundenen Bojen organisiert.“

Wasserstoff elektrisiert Menschen auf der Hannover Messe

Zuvor hatte Dr. Jochen Köckler, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Messe AG, die wichtigsten Trends in Hannover formuliert. „Die industrielle Transformation, die Veränderung findet bereits statt, v.a. beim Thema Energie“, sagte Köckler auf dem Außenwirtschaftstag. „Früher kam der Strom aus der Steckdose und wurde billig produziert. Jetzt braucht es eine komplette Umstellung auf erneuerbare Energien.“ Das sei auch eine Riesenchance für Niedersachsen. Kurz zuvor hatte die Salzgitter AG einen Förderungsbescheid von knapp 1 Mrd EUR von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil überreicht bekommen, um die Transformation zu grünem Stahl zu bewerkstelligen. Wasserstoff ziehe die Menschen auf der Messe an, so Köckler weiter.

Der Messechef sprach zudem von enorm schnellen Innovationszyklen. „ChatGPT kannte bis vor Kurzem keiner.“ Doch aus seiner Sicht brauche niemand Angst vor KI haben. „Sie kann eine gute Lösung für den Fachkräftemangel sein.“ Generell beobachte er, dass sich die Aussteller – auf der Hannover Messe waren es diesmal rund 4.000 – nach einem Austausch mit der Politik sehnen. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich diesmal mit Joko Widodo, dem Präsidenten des Partnerlands Indonesien, auf die Rundreise über das Messegelände gemacht.

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