Auf dem Gipfeltreffen in Elmau einigten sich die Staats- und Regierungschefs sowohl auf ein globales Infrastrukturpaket als auch auf zusätzliche Mittel zur Armutsbekämpfung. Bei beiden Vorhaben sind afrikanische Länder die hauptsächlichen Adressaten. Doch Kritikern gehen diese Anstrengungen nicht weit genug.

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Beim G-7-Gipfel auf Schloss Elmau haben die Regierungschef der weltweit führenden demokratischen Industriestaaten ein großangelegtes Infrastrukturprogramm angekündigt, dessen Fokus auf afrikanischen Ländern liegt. Das Volumen soll bis 2027 rund 600 Mrd USD betragen. Das entspricht umgerechnet 586 Mrd EUR. Allein die USA wollen ein Drittel dazu beisteuern. So war es auch US-Präsident Joe Biden, der die Initiative Ende Juni vor der oberbayerischen Bergkulisse verkündete. Den Löwenanteil trägt mit 300 Mrd EUR die Europäische Union. Diese Zahl nannte die genau wie Ratspräsident Charles Michel auf dem Gipfeltreffen anwesende EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Sie bezeichnete das Investitionspaket als „Partnerschaft für Globale Infrastruktur“. Japan, in Elmau vertreten durch den seit Herbst 2021 amtierenden Ministerpräsidenten Fumio Kishida, will hierfür 65 Mrd USD beitragen, Kanada knapp
6 Mrd USD.

Damit strebt die G7 offenbar auch ein Gegengewicht zu Chinas Auslandsengagement, das sich allen voran im Glanz der Neuen Seidenstraße widerspiegelt. Ihr Ausbau ist zuletzt allerdings auch wegen der Corona-Pandemie gehörig ins Stocken geraten. Die Seidenstraße erstreckt sich vom Reich der Mitte in Richtung Südwesten bis nach Afrika und soll China den Zugang zu zahlreichen Märkten und Rohstoffen sichern. Durch dieses Megaprojekt hat die Volksrepublik ihren Einfluss außerhalb der eigenen Grenzen deutlich ausgebaut – und viele ohnehin schon überschuldete Staaten in Asien, Südosteuropa und Afrika in ihre Abhängigkeit getrieben. Solche Verhältnisse wollen die westlichen Industrienationen künftig verhindern.

Unternehmen sollen investieren

Die G-7-Investitionen sollen dementsprechend in Bahnstrecken, Häfen und Stromnetze, aber auch in die globale Gesundheitsversorgung fließen. Letztere umfasst z.B. den Aufbau der Impfstoffproduktion in Afrika. Allerdings sind die meisten Details der Geldspritze noch unklar. Die finanziellen Mittel sollen nicht nur aus der Staatskasse – etwa über Kredite und Zuschüsse –, sondern zu einem großen Teil auch von privaten Unternehmen kommen.

Parallel zum Gipfel in Elmau kamen auch die Regierungschefs der sogenannten BRICS-Länder zu einem virtuellen Treffen zusammen – mit China, Indien, Brasilien, Südafrika und Russland. Das hielt den G-7-Staaten noch einmal vor Augen, wie groß der antiwestlich eingestellte Block ist, zumal sich China darüber mokierte, dass es als Gegner oder sogar als Feind des Westens behandelt werde. Die G7 repräsentiert zwar 30% der globalen Wirtschaftsleistung, aber lediglich ein Zehntel der Weltbevölkerung.

Cyril Ramaphosa, seit Februar 2018 amtierender Präsident der Republik Südafrika, war genau wie Indiens Premierminister Narendra Modi sowohl beim virtuellen BRICS-Gipfel als auch in Elmau mit von der Partie. Zum G-7-Treffen waren Indonesien, Indien, Südafrika und der Senegal als Gastländer eingeladen. Mit ihnen verständigten sich die Industrieländer u.a. auf den Kampf gegen weltweite Ernährungsengpässe.

Dringender Handlungsbedarf wegen Hungerkrise

Dass in puncto Hungerkrise dringender Handlungsbedarf besteht, zeigt auch eine Untersuchung des Kreditversicherers Coface von Ende Mai. Darin heißt es: „Der globale Agrar- und Nahrungsmittelsektor wird kurz- und mittelfristig stark von Preissteigerungen und Knappheiten betroffen bleiben.“ Weltweit seien mehr als 225 Millionen Menschen von Ernährungsunsicherheit bedroht – in mehreren dieser Hochrisikoregionen liege ein Schwerpunkt auf getreidebasierter Ernährung. Ein weiteres Risiko in diesem Zusammenhang: Die Kombination aus steigenden Grundnahrungsmittelpreisen und erhöhter Ernährungsunsicherheit deute auf eine Zunahme sozioökonomischer und politischer Unruhen in mehreren Ländern und Regionen hin – vor allem im Norden und Osten Afrikas sowie in Süd- und Südostasien.
Neben den Hüngersnöten war auch der Klimawandel ein Thema des G-7-Gipfels. Beides hängt eng zusammen. Hierzu steht in der Coface-Studie: „Der Beginn des Jahres 2022 war durch starke Hitzeperioden gekennzeichnet, die zu Dürren und Großbränden führten. Solche Ereignisse bedrohen die Ernte und schwächen vor allem die ohnehin anfälligen Regionen wie Südasien oder das Horn von Afrika mit Ländern wie Äthiopien oder Eritrea.“ Während die Investitionsoffensive für den globalen Süden am ersten Tag des G-7-Gipfels verkündet worden war, sagten die Regierungschefs zum Abschluss zu, noch in diesem Jahr etwa 4,3 Mrd EUR an zusätzlichen Mitteln für die weltweite Ernährungssicherheit bereitzustellen, wodurch die Gesamtsumme nach Angaben der G7 auf 13 Mrd EUR ansteigt.

Die Vereinten Nationen beziffern allerdings den Bedarf, um die Ernährungskrise nachhaltig in den Griff zu bekommen, auf 44 Mrd Euro. Im G-7-Abschlusskommuniqué heißt es dazu: „Um die Menschen vor Hunger und Mangelernährung zu schützen und um uns Russlands Einsatz von Getreide als Waffe entgegenzustellen, werden wir mithilfe des Bündnisses für globale Ernährungssicherheit die weltweite Sicherheit der Versorgung mit Nahrungsmitteln und Nährstoffen erhöhen.“ Neben direkten Finanzhilfen will die G7 an ihren Zusagen bezüglich der Offenhaltung ihrer Lebensmittel- und Agrarmärkte festhalten sowie ihre Bemühungen verstärken, die Ukraine bei Produktion und Export zu unterstützen.

Direkt im Anschluss an den G-7-Gipfel reiste ein Teil der Staats- und Regierungschefs weiter zum NATO-Treffen nach Madrid. Nachdem die Türkei unmittelbar vor Beginn ihren Widerstand gegen die Aufnahme von Finnland und Schweden aufgegeben hatte, könnte das Verteidigungsbündnis künftig auf 32 NATO-Mitglieder anwachsen. Zudem wurde in der spanischen Hauptstadt wegen Russland als der „größten und unmittelbarsten Bedrohung“ eine Verstärkung der Ostflanke beschlossen. 300.000 Soldaten sollen in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt werden. Der G-20-Gipfel folgt dann am 15. und 16. November 2022 auf der indonesischen Insel Bali. Da Russland ein Mitglied dieses Kreises ist, muss mit einer Teilnahme Wladimir Putins gerechnet werden. Das Vorabtreffen der 20 Außenminister in der vergangenen Woche auf Bali hat Russlands Außenminister Sergej Lawrow frühzeitig verlassen.

Die afrikanische Perspektive auf die Engagements von China und der EU

In den vergangenen 15 Jahren hat sich China als bedeutender Partner und Investor in Afrika positioniert. Bei Infrastrukturprojekten und dem Handel mit Rohstoffen hat das Reich der Mitte Europa als wichtigsten Partner auf dem großen Kontinent verdrängt. Dieser neue Wettbewerb stellt die europäische Handels-, Investitions-, und Entwicklungspolitik in Afrika auf den Prüfstand. Doch wie sehen Menschen vor Ort die Situation? Um die unterschiedlichen Strategien Europas und Chinas und ihre Wahrnehmung in Afrika besser verstehen zu können und Empfehlungen für die europäische Afrika-Politik zu entwickeln, hat der Global Partnership Hub der Friedrich-Naumann-Stiftung in Nairobi mehr als 1.600 Entscheidungsträger aus Subsahara-Afrika befragt.

Die Ergebnisse dürften auch für westliche Geschäftsleute durchaus interessant sein: Der chinesische Erfolg basiert auf schnellen Entscheidungen und Umsetzung von Projekten, weniger politischen Ansprüchen und weniger Skrupel in Sachen Korruption. Europa wiederum wird für Qualität und gute Leistungen geschätzt, aber auch für Transparenz, die Schaffung von Arbeitsplätzen für die lokale Bevölkerung und die Arbeitsbedingungen. Das sind nur einige der zentralen Erkenntnisse. Die Studie namens „The Clash of Systems – African Perception of the European Union and China Engagement“ ist Ende Juni erschienen und kann HIER kostenfrei heruntergeladen werden. PM

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