In Afrika haben Mobilfunkfirmen unzählige Smartphone-Besitzer in den digitalen Zahlungsverkehr integriert und deren Leben dadurch ungeheuer vereinfacht. Der Zahlungsverkehr zwischen Unternehmen wird aber weiterhin von Banken dominiert.

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Wer vor 30 Jahren in einem kleinen Dorf US-Dollar in ugandische Schilling wechseln wollte, musste viel Geduld mitbringen. Heute reicht der Griff zum Smartphone – und die Transaktion ist in wenigen Minuten Geschichte. Schilling von einem Konto zum anderen zu transferieren ist sogar noch einfacher.

Was ist passiert in Uganda und im restlichen Afrika? Hat der Kontinent die Entwicklung des Bankensektors im Zeitraffer nachvollzogen? Nicht ganz – einige Entwicklungsschritte wurden einfach ausgelassen. Leapfrogging (ein wunderbar plastischer englischer Ausdruck für das deutsche Bockspringen) nennt die Wissenschaft das Phänomen. Zahllose afrikanische Haushalte hatten z.B. nie einen Festnetzanschluss, bevor sie Smartphones anschafften. Und Smartphones sind auch der zentrale Faktor in der Revolution des afrikanischen Zahlungsverkehrs. Nach Angaben des auf Schwellenländer in Asien, Afrika und Lateinamerika spezialisierten Payment-Anbieters dlocal nutzen 30 der 44 Millionen Uganderinnen und Ugander den mobilen Zahlungsverkehr über das Smartphone und schicken in Summe umgerechnet 2,5 Mrd USD hin und her.

Mobile Zahlungen sind weit verbreitet, aber sehr kleinteilig

Die Zahlen zeigen: Mobile Zahlungen sind weit verbreitet, aber sehr kleinteilig. Meistens werden nur Zahlungen im Wert von wenigen Euro ausgeführt. Für das Leben vieler Afrikaner ist das aber enorm wichtig. Begonnen hat der mobile Zahlungsverkehr übrigens ohne die Banken, den Anstoß gaben die Mobilfunkanbieter: 2007 führte die kenianische Safaricom ein in Kooperation mit Vodafone entwickeltes System ein, das den bargeldlosen Zahlungsverkehr über Mobiltelefone ermöglichte, ohne dass Bankkonten notwendig waren. Das Geld wurde einfach von einem Mobilfunkkonto auf das andere überwiesen. Weil unzählige Kenianer kein Bankkonto, aber praktisch alle Zugang zu einem Smartphone besaßen, war die Akzeptanz enorm. Viele gaben sich auf diesem Weg auch untereinander Kredit, jeden Tag werden viele Millionen Transaktionen durchgeführt.

Das kenianische System wurde kopiert, damit erreichten viele afrikanische Länder schlagartig ein neues Level im Banking – und das ganz ohne Banken. „Früher musste man noch einen hohen Bestand an Bargeld mit sich führen, um bspw. im Restaurant zu bezahlen“, erinnert sich Andreas Voss, Repräsentant der Deutschen Bank in Nigeria und für die Handelsfinanzierung in Subsahara-Afrika verantwortlich. Das ist nicht mehr notwendig. Natürlich gibt es in allen afrikanischen Ländern immer noch Bargeld. Aber Bankfilialen und Geldautomaten sind selten. Auch Kreditkarten sind kaum verbreitet, und für die Zahlungen über das Smartphone werden nur geringe Gebühren fällig.

Trotzdem sind die Banken von den Kunden nicht ganz abgehängt: Viele arbeiten mit den Mobilfunkanbietern zusammen. Banken prüfen den Zahlungsverkehr und erhalten dadurch wertvolle Hinweise über die Bonität des Kunden. Das wird spätestens dann wichtig, wenn jemand einen Kredit für ein Auto oder für ein Haus beantragt. In Südafrika haben mobile Zahlungssysteme sogar Schiffbruch erlitten: Der Bankenmarkt war bereits so entwickelt, dass an den Angebot der Mobilfunkanbieter kein Bedarf bestand.

Andernorts geben die Telekommunikationskonzerne aber Gas: Branchenführer Vodafone oder der größte afrikanische Mobilfunkkonzern MTN bauen ihr Angebot an Finanzdienstleistungen sukzessive aus, darunter auch Zugang zu Krediten. Vor allem im bevölkerungsreichen Nigeria mit seinen ebenso jungen wie techaffinen Einwohnern sind auch zahlreiche Fintechs am Start, die nicht nur den Zahlungsverkehr, sondern auch andere Segmente im Banking aufmischen wollen.

Banken geben das Geschäft nicht aus der Hand

Doch die Banken geben das Geschäft nicht einfach aus der Hand. Die meisten haben auf die Konkurrenz und auf die Bedürfnisse ihrer Kunden reagiert: „Die Banken haben sehr viel Geld in Technologie investiert“, sagt Banker Voss. „Die Banking-Apps in Afrika sind weitaus besser als viele in Europa verfügbare Apps.“ Über das Smartphone kann man unkompliziert Instant-Überweisungen tätigen, alle Rechnungen bezahlen oder Airline-Tickets buchen – zahlreiche Anbindungen ermöglichen es, die finanziellen Angelegenheiten des Alltags und die Sonderausgaben aus der App heraus zu erledigen. „Man braucht heute kein Bargeld und keine Bankkarte mehr, alles geht mit Instant-Überweisungen.“

Hat die digitale Revolution durch die Mobilfunkanbieter auch die Unternehmen erreicht? Nicht wirklich. „Der Zahlungsverkehr zwischen nigerianischen Unternehmen läuft über das Standardsystem der Banken“, berichtet Voss. Auch wer als deutsches Unternehmen mit Nigeria zu tun hat, greift auf die bewährten Anbieter zurück, Fintechs spielen hier aktuell keine Rolle. Die Bezahlung von Rohstoffen oder Dienstleistungen wird über das Bankensystem abgewickelt, auch weil es hier um eine Devisentransaktion geht. Zwar haben Fintechs im Retail-Segment auch dieses Geschäftsfeld im Visier, aber im B2B-Bereich sind sie kaum zu finden.

Bei großvolumigen Transaktionen behalten alte Spieler ihre Bedeutung

Grundsätzlich gilt: Bei allen großvolumigen Transaktionen – und die sind in der afrikanischen Definition deutlich kleiner als bei uns – behalten die alten Spieler bislang ihre Bedeutung: „Das Exportgeschäft ist zwar standardisiert, aber hochkomplex“, sagt Voss. „Bei den traditionellen Strukturen können sich alle darauf verlassen, dass es klare Verhältnisse und eine Gerichtsbarkeit gibt.“ Das können vielleicht Blockchain-Strukturen eines Tages ablösen, aber die Mobilfunkunternehmen werden vermutlich sich in dieses Feld nicht hineinwagen. Große Verdienste haben sie aber ohnehin bereits erworben, indem sie viele Hundert Millionen Menschen de facto ins Banking integriert haben.

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Bank. Den dazugehörigen Link finden Sie HIER

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