Das Wirtschaftswachstum auf den Philippinen sollte im Jahr 2022 wieder das Vor-Pandemie-Niveau erreichen. Unsicherheitsfaktoren bleiben die strengen Covid-Beschränkungen, relativ schwache Arbeitsmarktaussichten und die im Mai anstehenden Wahlen, bei denen der Sohn von Ex-Diktator Ferdinand Marcos in aussichtsreicher Position liegt.
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Wer nicht gegen Corona geimpft ist, darf in der philippinischen Hauptstadt Manila keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr benutzen. Präsident Rodrigo Duterte drohte Ungeimpften bereits damit, sie notfalls festnehmen zu lassen. Die Impfquote ist mit rund 58% deutlich niedriger als in anderen Staaten der Region wie Malaysia (81%), Vietnam (80%) und Taiwan (75%; alle Stand Ende Februar), wodurch die Philippinen anfällig für Pandemiewellen bleiben. Nichtsdestotrotz hat sich die Regierung darauf verständigt, zum 10. Februar ein fast zweijähriges Verbot von Einreisen für touristische Zwecke aufzuheben.
Privater Konsum zieht an – Bremsfaktor Arbeitslosenquote
Auch der Konsum der privaten Haushalte (74% des BIP) sollte sich im Laufe des Jahres allmählich erholen – unterstützt durch einen Anstieg der Überweisungen von Filipinos und Filipinas, die im Ausland leben und Geld an ihre Familien senden. Das macht 9,7% des BIP aus, wobei die USA, Malaysia und Südkorea die wichtigsten Quellen sind. Einen Bremsfaktor für den privaten Konsum sollten jedoch die relativ schwachen Arbeitsmarktaussichten darstellen. Im Gegensatz zu Nachbarländern, in denen sich der Arbeitsmarkt im Vergleich zum Vorkrisenniveau sogar verbessert hat, lag die Arbeitslosenquote auf den Philippinen mit 6,6% im Dezember 2021 noch deutlich über Vorkrisenniveau (4. Quartal 2019: 4,6%). Derzeit laufende Reformen sollten die strukturellen Schwächen des Arbeitsmarktes angehen: Die „National Employment Recovery Strategy“ soll dabei die Arbeitsvermittlung effizienter machen sowie die soziale Absicherung und die Ausbildung verbessern.
Inflationsdruck dürfte Mitte des Jahres nachlassen
Begrenzt wird der private Konsum auch von den Inflationsaussichten. Der Inflationsdruck, der insbesondere von den hohen Lebensmittel- und Energiepreisen ausgeht, dürfte nur vorübergehend sein und bis Mitte 2022 nachlassen. Die philippinische Zentralbank BSP geht davon aus, dass die Inflation mit 3,2 bis 3,3% im Jahresdurchschnitt 2022 wieder innerhalb ihres Zielbandes von 2 bis 4% liegen wird. Die Einführung erster restriktiver geldpolitischer Schritte in den USA könnte die BSP veranlassen, ihre Geldpolitik bis zum Ende des ersten Halbjahres 2022 ebenfalls zu straffen. Durch solche Schritte sollte sich das Vertrauen der Unternehmen in die Philippinen allmählich verbessern. Dies führt voraussichtlich dazu, dass sich die Zuflüsse ausländischer Direktinvestitionen erholen.
Auch die Exporte dürften, insbesondere bei elektronischen Produkten, robust bleiben und von der Erholung wichtiger Handelspartner wie China, der USA und Japan profitieren. Die öffentliche Infrastruktur mit Präsident Dutertes Vorzeigeprogramm „Build, Build, Build“ sollte die Investitionen weiter ankurbeln. Einige Projekte könnten sich jedoch verzögern. Grund ist ein traditionell 45 Tage vor einer Wahl einsetzendes staatliches Ausgabenverbot für neue Projekte, das „Wahlgeschenke“ verhindern soll.
Haushalts- und Leistungsbilanzen im negativen Bereich
Das staatliche Haushaltsdefizit sollte sich in diesem Jahr verringern, da sich die Einnahmen dank einer stärkeren wirtschaftlichen Erholung verbessern dürften. Die Regierung rechnete Ende 2021 mit einem Rückgang des Haushaltsdefizits von 9,6 auf 7,5%. Der größte Teil des Haushalts wird für Sozialausgaben (fast 38%) aufgewendet, wobei der Schwerpunkt auf Bildung, Infrastruktur und Sozialhilfe liegt. Der größte Teil des Defizits (77%) wird über die inländische Schuldenaufnahme finanziert. Die Leistungsbilanz verbesserte sich während der Pandemie und wies einen Überschuss auf, da die Warenimporte deutlich stärker gesunken sind als Warenexporte. Dies führte mit zu einer Aufwertung des Peso und zur Erhöhung der zur Finanzierung der Importe notwendigen Devisenreserven.
Die Leistungsbilanz wird sich jedoch bald wieder dem steigenden Importbedarf anpassen und ein leichtes Defizit aufweisen. Das höhere Defizit im Warenhandel wird nur teilweise durch die weitere Erholung der Kapitalüberweisungen aus Übersee ausgeglichen. Zwar lässt die starke Auslandsnachfrage nach elektronischen Produkten die Exporte steigen. Doch die Zunahme der Importe dürfte noch kräftiger ausfallen, da sich die Inlandsnachfrage allmählich erholen dürfte und Rohstoffe weiterhin teuer sind.
Der Tourismus (12,7% des BIP im Jahr 2019) wird sich mit dem Fortschreiten der heimischen Impfkampagne langsam erholen. Es wird erwartet, dass der Peso daraufhin wieder schwächer wird, allerdings sind die Devisenreserven der Phi-lippinen reichlich; sie entsprachen im August 2021 dem Einfuhrbedarf von 9,4 Monaten, was den Behörden einen gewissen Puffer gegen eine Abwertung der Währung verschaffen sollte.
Anstehende Wahlen könnten Reformen gefährden
Präsident Duterte beendet seine sechsjährige Amtszeit im Mai 2022 und kann gemäß der philippinischen Verfassung nicht mehr kandidieren. Seine Agenda konzentrierte sich hauptsächlich auf den Kampf gegen den Drogenhandel, das Gesundheitswesen, die Bildung und die Infrastruktur. Die Pandemie hatte seine Agenda jedoch verlangsamt, insbesondere im Bereich der Infrastruktur – nur 11 von 119 Projekten im Rahmen des „Build, Build, Build“-Programms waren bis November 2021 abgeschlossen.
In den aktuellen Umfragen hat lediglich Ferdinand Marcos Jr., Sohn des früheren philippinischen Diktators Ferdinand E. Marcos, eine reelle Chance auf die Präsidentschaft. Marcos wird zudem unterstützt von Sara Duterte, der Tochter des amtierenden Präsidenten, die als Vizepräsidentin kandidiert. Sie soll damit Dutertes Einfluss auf die Politik erhalten und gleichzeitig die Unbeliebtheit des Diktatorensohns bei Wählern und Aktivisten abmildern, die das 1972 unter Ferdinand E. Marcos verhängte Kriegsrecht längst nicht vergessen haben.
Außenpolitisch wird die neue Regierung möglicherweise ihre Haltung gegenüber China verschärfen und mehrere von der chinesischen Regierung unterstützte Projekte streichen. Obwohl die Volksrepublik beabsichtigte, einen Gesamtbetrag von umgerechnet 24 Mrd USD in Form von zinsgünstigen Krediten und Direktinvestitionen für eben diese Projekte beizusteuern, wurden nur einige wenige realisiert (drei befinden sich im Bau). Darüber hinaus verstärkten chinesische Schiffe ihre Aktivitäten in dem von den Philippinen beanspruchten Gebiet im Südchinesischen Meer. So gibt es zahlreiche Ansatzpunkte, die Dutertes lockere politische Haltung gegenüber China infrage stellen könnten.
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