Trotz Covid-19-Pandemie und externer Schocks genießt das ostafrikanische Land ein robustes Wirtschaftswachstum und eine relativ niedrige Inflation. Das liegt nicht zuletzt an einer umsichtigen Präsidentin, die einen wirtschaftsfreundlichen Kurs verfolgt und auch die Beziehungen zum IWF wieder verbessert hat.
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Die politische Situation in Tansania ist relativ stabil. So wurde die ehemalige Vizepräsidentin Samia Suluhu Hassan im März 2021 als neue Präsidentin vereidigt, nur wenige Tage nachdem ihr Amtsvorgänger John Magufuli gestorben war (höchstwahrscheinlich an den Folgen einer Covid-19-Infektion). Seitdem arbeitet Präsidentin Hassan an der Konsolidierung ihrer Position innerhalb der regierenden Revolutionspartei (Chama Cha Mapinduzi – CCM). Die CCM weist eine stark zentralistische Machtstruktur auf, deren Mittelpunkt Amtsvorgänger Magufuli bildete. Die Partei hält in der Nationalversammlung 97% aller Sitze und dominiert damit das politische Leben Tansanias. Präsidentin Hassan dürfte bis 2025 an der Macht bleiben und so Magufulis Amtszeit vollenden. Auch für die 2025 abzuhaltenden Präsidentschaftswahlen erscheint sie eine naheliegende Kandidatin.
Hassan ist bestrebt, die Regierungsbeziehungen zu Investoren, die unter ihrem Vorgänger Magufuli sehr angespannt waren, zu verbessern. Unter ihrer Präsidentschaft wurden wirtschaftsfreundliche Minister ernannt; ihre Regierung scheint bereit zu sein, die derzeitigen Streitbeilegungsmechanismen zu verbessern, um neue ausländische Investoren anzuziehen. Präsidentin Hassan appelliert an die Gebergemeinschaft und ausländische Investoren, Gelder für unterschiedliche Vorhaben bereitzustellen: von der Verbesserung der öffentlichen Verwaltung bis hin zu Transportinfrastruktur- und LNG-Projekten, die dank Tansanias enormen Offshore-Gasreserven möglich sind. Die 2021 gewährte Nothilfe zeigt, dass sich auch die Beziehungen zum Internationalen Währungsfonds (IWF) nach Jahren der Konflikte gebessert haben. Amtsvorgänger Magufuli hatte seinerzeit die Veröffentlichung des IWF-Artikel-IV-Beratungsberichts blockiert, da der IWF darin Kritik an der unberechenbaren makroökonomischen Politik und unzuverlässigen Statistiken geäußert hatte.
Starkes Wachstum trotz Covid-19
Tansania konnte in den vergangenen zweieinhalb Jahren ein starkes Wirtschaftswachstum vorweisen. So erreichte das reale BIP-Wachstum einen Durchschnittswert von 5,2%, obwohl die Covid-19-Pandemie anhält und der Tourismus aufgrund internationaler Reisebeschränkungen zurückgegangen ist. Dabei ist zu erwähnen, dass die Tourismusbranche vor der Pandemie nahezu ein Drittel der Leistungsbilanzeinnahmen erwirtschaftete. 2022 wird weiterhin mit einem starken Wirtschaftswachstum gerechnet: Der IWF-Weltwirtschaftsausblick (April 2022) prognostiziert für dieses Jahr ein reales BIP-Wachstum von 5,1%.
Dieses Wachstum geht v.a. auf die Landwirtschaft und öffentliche Investitionen zurück, zugleich dürfte die Erholung der Tourismuseinnahmen dem diesjährigen Wachstum zusätzliche Impulse verleihen. Abwärtsrisiken für diese Prognose sind die Covid-19-Pandemie, da die Impfquote bei lediglich 3% liegt, sowie Tansanias Anfälligkeit für Wetterereignisse wie Dürren. Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf das ostafrikanische Land, da es mit beiden Staaten nur in begrenztem Umfang Handel treibt. Da Tansania Nettoexporteur von Nahrungsmitteln ist, wird seine Devisenposition von steigenden Nahrungsmittelpreisen profitieren, während sich höhere Energiekos-ten negativ auswirken. Eine von geopolitischen Spannungen ausgelöste weltweite Rezession könnte – auch wenn dies nicht das aktuelle Ausgangsszenario ist – das Land mitreißen, insbesondere wenn regionale Handelspartner und/oder China getroffen werden.
Anstieg der Inflation wahrscheinlich
Tansania wies in den vergangenen Jahren eine relativ niedrige Inflation auf. Ein wichtiger Faktor dabei war der stabile Wechselkurs des Tansania-Schilling gegenüber dem US-Dollar. Auch wenn der Tansania-Schilling frei schwankt, orientiert er sich seit 2019 eng am US-Dollar. Dennoch dürfte die jährliche Inflationsrate, die im Februar dieses Jahres bei 3,7% lag, wie in vielen anderen Ländern angesichts steigender internationaler Ölpreise nach oben klettern, insbesondere da Tansania Nettoölimporteur ist. Gleichwohl ist mit einem dramatischen Inflationsanstieg, wie er weltweit in anderen Ländern zu beobachten ist, nicht zu rechnen, da Tansania einen stabilen Wechselkurs aufweist und seine angemessene inländische Nahrungsmittelversorgung das Land vor den steigenden internationalen Nahrungsmittelpreisen schützt.
Die Staatsschuldenquote Tansanias ist relativ moderat. In den kommenden Jahren dürfte sie verhältnismäßig stabil bleiben, auch wenn das erwartete robuste reale BIP-Wachstum zu Haushaltsdefiziten führt. Die Haushaltsdefizite werden Prognosen zufolge vorrangig durch inländische Kreditaufnahme finanziert, was Prolongation, Kredite und Zuschüsse aus dem Ausland zu nicht konzessionären Bedingungen sowie projektbezogene Finanzierung beinhaltet. Die tansanische Regierung beabsichtigt darüber hinaus, das Ratingverfahren für das Risiko staatlicher Kreditnehmer zu finalisieren, was den Zugang zu globalen Finanzmärkten durch Eurobond-Emissionen erleichtert.
Leistungsbilanzdefizit verringert sich erheblich
Im vergangenen Jahrzehnt wies Tansania ein strukturelles Leistungsbilanzdefizit auf, das auf hohe infrastrukturelle Importe zurückging. Seit 2016 konnte das Leistungsbilanzdefizit jedoch mit einem Durchschnittswert von 2,5% des BIP erheblich reduziert werden. Hauptgründe waren historisch niedrige Ölpreise sowie ein Anstieg der Golderträge, die mit einem Anteil von einem Drittel an den Leistungsbilanzeinnahmen des Jahres 2021 die wichtigste Quelle für Exporterlöse darstellen. 2022 wird mit einem Anschwellen des Leistungsbilanzdefizits auf 4,5% des BIP gerechnet, da die gesteigerten Tourismus-, Nahrungsmittel- und Goldeinnahmen den Anstieg der internationalen Ölpreise nicht ausgleichen dürften.
Darüber hinaus hält Präsidentin Hassan weiterhin an umfangreichen Infrastrukturvorhaben wie etwa einem Wasserkraftprojekt, Schieneninfrastrukturarbeiten und einem LNG-Terminal fest, wodurch infrastrukturelle Importe auf einem hohen Niveau bleiben. Die Leistungsbilanzdefizite wurden traditionell mit ausländischen Direktinvestitionen und Auslandskrediten finanziert. Dieser Trend dürfte sich auch künftig fortsetzen und treibt damit die nominale Auslandsverschuldung Tansanias in die Höhe. Obwohl sich das Verhältnis der Bruttoauslandsverschuldung zum BIP nur schrittweise verschlechtert hat und angesichts des raschen Wachstums des nominalen BIP weitgehend stabil bleiben dürfte, sollte nicht übersehen werden, dass dem Anstieg der Auslandsverschuldung kein vergleichbarer Anstieg der Leistungsbilanzeinnahmen gegenübersteht. Zudem dürfte der Zugang zu ausländischer Finanzierung zu nicht konzessionären Bedingungen vor dem Hintergrund der Erhöhung der US-Zinssätze schwieriger und teurer werden.
Ausblick stabil
Die Bewertung des Geschäftsumfeldrisikos wurde kürzlich hochgestuft (Kategorie D/G), der Ausblick ist stabil. Das Geschäftsumfeldrisiko wird vom starken Wirtschaftswachstum, einem relativ stabilen Wechselkurs und niedriger Inflation gestützt; auch die Bewertung des kurzfristigen politischen Risikos bleibt stabil. Im September 2021 führte das steigende und angemessene Niveau der Währungsreserven, die im Januar 2022 fünfeinhalb Monatsimporte abdeckten, zu einer Hochstufung der Risikobewertung (auf die Kategorie 3/7). Das tragfähige Verhältnis der kurzfristigen Auslandsverschuldung zu den Leistungsbilanzeinnahmen hat dies ebenfalls unterstützt.
Gleichzeitig könnte eine Verschlechterung der finanziellen Rahmenbedingungen, z.B. aufgrund einer restriktiveren Geldpolitik in den USA oder der Verschärfung geopolitischer Spannungen, zu weiteren Risiken führen. Die Bewertung des mittel- bis langfristigen politischen Risikos ist nach einer Herabstufung im vergangenen Jahr stabil (Kategorie 6/7). Die hohe Auslandsverschuldung im Vergleich zum Export gibt zwar weiterhin Anlass zur Sorge, die erwartete Zunahme der Tourismuseinnahmen und die prognostizierten kräftigen Agrar- und Goldexporte dürften aber die Quote mittelfristig dämpfen.