Bushaltestellen in afrikanischen Großstädten gelten gemeinhin als unsicheres Terrain. Daher staunte ein westlicher Manager nicht schlecht, als er einen chinesischen Geschäftsmann mit Aktentasche an einer Haltestelle im nigerianischen Lagos auf den Bus warten sah. Es war wohl diese Anekdote, die den rund 120 Teilnehmern der Tagung „Managing Risk in Africa“ am deutlichsten vor Augen führte, was die chinesische Konkurrenz in Afrika gerade besser macht als europäische Unternehmen: in Risiken Chancen erkennen.

Von Gunther Schilling, Ressortleiter Außenwirtschaft, F.A.Z.-Institut

Afrika ist derzeit eher aus sicherheitspolitischer Perspektive in den Fokus der deutschen Öffentlichkeit gerückt. Eine neue Afrika-Strategie der Bundesregierung soll die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik mit wirtschaftlicher Zusammenarbeit verzahnen. Nach Ansicht von Dr. Stefan Liebing, Vorsitzender des Afrika-Vereins der Deutschen Wirtschaft, ist die deutsche Politik gegenüber Afrika zu sehr auf die Vermeidung von Risiken ausgerichtet. In seiner Begrüßungsrede auf der 3. Tagung „Managing Risk in Africa“ am 11. Februar 2014 in der Frankfurter Commerzbank empfahl er einen gemeinsamen Ansatz von Politik und Wirtschaft.

Im Panel „BRICS and Afrika“ beleuchteten die Referenten die unterschiedliche Wahrnehmung von Chancen und Risiken. Über mangelnde Unterstützung durch die Politik klagte ein Teilnehmer aus der Indus-trie: Europäische Unternehmen müssten eine Vielzahl von Regelungen und (Compliance-)Anforderungen beachten, die Finanzierungen würden mit allerlei Risikoerwägungen erschwert. Dagegen bekämen chinesische Unternehmen staatliche Unterstützung und könnten in neuen Märkten wesentlich freier agieren.

Das Interesse chinesischer Unternehmen an Afrika erklärte Dr. Zhao Changhui, Chief Risk Officer der China Export-Import Bank, anhand dreier Motivationen: Chinesen hätten eine tiefsitzende Sehnsucht nach den Mysterien Afrikas, dort sei es auch einfacher, Geld zu verdienen, man teile zudem die Art, zu feiern und die Familie in den Mittelpunkt zu stellen.

Die wirtschaftlichen Aussichten für Afrika seien besonders gut, die Region werde weiter überdurchschnittlich wachsen und im kommenden Jahrzehnt ein ähnlich hohes Außenhandelsvolumen erreichen wie Europa, Amerika und Asien. China werde sein Wachstumstempo reduzieren und seine Ressourcen zum Aufbau in Afrika nutzen.

Andreas Wenzel, Generalsekretär der Südafrika-Initiative der Deutschen Wirtschaft (SAFRI), bestätigte die Entschlossenheit und die finanziellen Möglichkeiten Chinas für Investitionen in Afrika. Insbesondere den Aufbau der Infrastruktur habe sich China zur Aufgabe gemacht.

Das chinesische Engagement in Afrika sei weniger eine neue Form des Kolonialismus als vielmehr ein Weckruf, mahnte Wenzel im Panel „BRICS and Africa“. Deutsche Unternehmen sollten ihre Fähigkeiten und Technologien für den Aufbau eines verarbeitenden Gewerbes nutzen.

Der Journalist Lanre Akinola, der die eingangs erwähnte Anekdote zum Besten gab, brachte auch das chinesische Engagement in Afrika auf den Punkt: Es stelle schlicht eine Konkurrenz für westliche Firmen dar. Afrikas Unternehmen könnten nun zwischen mehreren Partnern wählen. Den BRICS-Staaten seien die Armut und die mangelhafte Infrastruktur Afrikas aus eigener Erfahrung bekannt. Ihre Perspektive sei der Aufbau langfristiger Geschäftsbeziehungen. Wer dem folgen wolle, müsse jetzt damit anfangen.

Dr. Martyn Davies, CEO von Frontier Advisory, erinnerte an die Pionierleistung deutscher Unternehmen auf dem chinesischen Markt in den 70er Jahren. Damals sei auch China als Handelspartner und Standort mit hohen Unsicherheiten behaftet gewesen. Doch das frühzeitige Engagement habe sich für die deutschen Unternehmen ausgezahlt.

Andreas Wenzel erinnerte daran, dass deutsche Unternehmen in den vergangenen Jahrzehnten erfolgreich in Osteuropa und Asien expandiert hätten. Man habe gewissermaßen das Luxusproblem, in allen Märkten erfolgreich sein zu können. Nun würde jedoch manches Unternehmen nach Afrika blicken und nach einem neuen südostasiatischen Wirtschaftswunder suchen.

Erneut belebte ein Teilnehmer die Diskussion des Panels, als er fragte, wann die europäischen Unternehmen denn mit ihren Recherchen fertig würden. Dr. Rainer Schäfer, Director Group Risk Research der Commerzbank, gab zu bedenken, dass es bereits einige Anläufe zu einem wirtschaftlichen Aufschwung in Afrika gegeben habe. Die Erwartungen hätten sich jedoch bislang nicht erfüllt.

In seiner Keynote zu „Trade and Development“ warf Yonov Frederick Agah, Stellvertretender Generaldirektor der WTO, einen Blick auf die mittel- und langfristigen Perspektiven Afrikas. Ausgehend von einer weit geringeren Wirtschaftskraft als es seiner Größe und Bevölkerung entspreche, gebe es ein großes Potential für einen wirtschaftlichen Aufstieg Afrikas. Der Außenhandel könnte durch eine stärkere regionale Integration und Handelsabkommen erleichtert werden und deutlich zunehmen.

Derzeit seien die meisten Länder auf den Export von Rohstoffen angewiesen. Solange die Rohstoffpreise hoch seien, würden diese Länder profitieren. Dadurch wachse die Mittelklasse in vielen Ländern. Doch ökonomischer Erfolg beruhe nicht allein auf natürlichen Ressourcen, sondern werde von Demographie, Politik, Stabilität und Reformen angetrieben.

Entscheidend sei der Aufbau einer verarbeitenden Industrie mit wachsender Wertschöpfung, die Arbeitsplätze schaffe und die Armut verringere. Dazu müssten die ausländischen Direktinvestitionen in Konsumgüterindustrie und Dienstleistungen zunehmen. Auch die Rohstoffverarbeitung, insbesondere von Rohöl, sei zur Verringerung des Importbedarfs nötig.

Die Rahmenbedingungen für die Nachfrage nach Rohstoffen könnten sich durch die Wachstumsabschwächung in den Schwellenländern verschlechtern. Auch die Finanzierungsmöglichkeiten würden von einer Straffung der Geldpolitik in den USA beeinträchtigt. Kreditengpässen und steigenden Zinsen wirke zumindest die Exportfinanzierungsfazilität der Afrikanischen Entwicklungsbank entgegen.

Afrika stehe vor einigen Herausforderungen, betonte Agah. So würde der Klimawandel voraussichtlich die landwirtschaftliche Produktion beeinträchtigen und zu höheren Lebensmittelpreisen führen. Dies erfordere eine stärkere Beachtung der Umweltwirkungen und eine Nachhaltigkeit des Wirtschaftens. Zudem seien Frieden, Stabilität und Modernisierung entscheidend für den Aufbau leistungsfähiger Strukturen.

Martyn Davies griff in der Paneldiskussion die Frage nach den positiven Folgen der demographischen Entwicklung auf und fragte, was dann mit den kleineren Ländern Afrikas geschehe. Im Fokus stünden zumeist Südafrika, Nigeria, Kenia, Ghana und in Nordafrika Ägypten und vielleicht Marokko.

Entscheidend für diese Länder seien auf Dauer jedoch nicht die Einnahmen aus dem Rohstoffexport sondern die Qualifikation der Arbeitskräfte. Südafrika strebe dabei in Afrika eine ähnliche Rolle an wie Deutschland in Europa.

Kontakt: g.schilling[at]faz-institut.de

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