Nahezu unbemerkt von einer breiten Öffentlichkeit hat der UN-Sicherheitsrat am 15. Dezember 2010 drei Resolutionen betreffend den Irak angenommen, die – rechtlich – eine weitere Normalisierung der Situation des Landes herbeiführen. Für die deutsche Exportwirtschaft bietet sich damit die Gelegenheit, den Irak wieder stärker in den Fokus zu nehmen, vorbehaltlich der angespannten Sicherheitslage.

Von Dr. Lothar Harings, Rechtsanwalt und Partner, Graf von Westphalen

Die erste Resolution verlängert den „Development Fund for Iraq“, mit dem der Wiederaufbau des Landes unterstützt wird, voraussichtlich ein letztes Mal bis zum 30. Juni 2011. Durch die zweite Resolution werden Restriktionen gegen (zivile) Nuklearaktivitäten des Irak, die 1991 nach dem ersten Golfkrieg gegen den Irak verhängt worden waren, aufgehoben. Mit der dritten Resolution wird das an sich bereits beendete „Oil-for-food“-Programm endgültig abgewickelt.

Resolution 1956 (2010): Entwicklungsfonds für Irak

Gemäß Ziffer 20 der früheren Resolution 1483 (2003) mussten 95% aller Erlöse aus Exportverkäufen von Erdöl, Erdölprodukten und Erdgas aus dem Irak in den Entwicklungsfonds für Irak eingezahlt werden. Eine genaue Definition für Erdölprodukte enthält die Resolution 1483 (2003) nicht. 5% der Einnahmen müssen in einen Entschädigungsfonds für Kuwait eingezahlt werden (Ziffer 21). Die Ziffern 1, 3 der nun beschlossenen Resolution 1956 (2010) heben die hier erwähnte Pflicht aus Ziffer 20 der Resolution 1483 (2003) zum 30.06.2011 auf. Die Einnahmen aus dem Entwicklungsfonds werden an die Regierung Iraks übertragen (Ziffer 5).

Ziffer 20 der Resolution 1483 (2003) ist auf europäischer Ebene durch Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1210/2003 umgesetzt worden. Danach sind sämtliche Einnahmen aus Exportverkäufen von Erdöl, Erdölprodukten und Erdgas aus Irak gemäß der in Anhang I aufgeführten Liste in den Entwicklungsfonds für Irak einzuzahlen. Als Erölprodukte gelten laut Anhang I z.B. Rohvaseline, ölhaltige Sande, Mineralteer und zubereitete Schmiermittel. Nicht erfasst sind aber Endprodukte wie etwa Plastiktüten, zu deren Herstellung Öl verwendet wird. Eine EU-Verordnung zur Anpassung der VO 1210/2003 an die neue Resolution ist in Vorbereitung, so dass die Erlöse aus den Exportverkäufen von Erdölprodukten und Erdgas nicht mehr in den Entwicklungsfonds eingezahlt werden müssen.

Erdöl, Erdölprodukte und Erdgas aus dem Irak genießen wie gehabt zumindest bis zum 30.06.2011 Immunität von Rechtsverfahren und unterliegen keiner Form von Pfändung, Forderungspfändung oder Zwangsvollstreckung bis zum Eigentumsübergang an den Erstkäufer (Ziffer 1a.E der Resolution 1956 (2010) iVm Ziffer 22 der Resolution 1483 (2003), auf europäischer Ebene Art. 10 VO (EG) Nr. 1210/2003). Die Resolution entspricht somit der Bitte des irakischen Ministerpräsidenten, die Immunität ein weiteres und letztes Mal um sechs Monate zu verlängern. Die Resolution sieht aber nicht ausdrücklich vor, dass der Schutz zum ­30. Juni 2011 ausläuft.

Resolution 1957 (2010): Zivile Atomtechnologie wieder erlaubt

Gemäß den Resolutionen 687 (1991) und 707 (1991) durfte der Irak chemische und biologische Waffen, Kernwaffen und kernwaffenfähiges Material nicht erwerben oder entwickeln. Dieses Verbot wurde nun aufgehoben (Ziffer 1). Dem Irak ist es von nun an also insbesondere auch erlaubt, wieder ein Programm zur zivilen Nutzung der Atomkraft aufzubauen.

Resolution 1958 (2010): Öl für Lebensmittel

Das sogenannte „Öl-für-Lebensmittel-Hilfsprogramm“ ermöglichte es dem Irak von 1996 bis 2003, unter Aufsicht des Office of the Iraq Programme Oil-for-Food, OIP, Nahrungsmittel und Medikamente aus seinen Öleinnahmen zu kaufen, um die durch die UN-Sanktionen ­verursachten Auswirkungen auf die irakische Zivilbevölkerung zu mildern. Bereits die Resolution 1483 (2003) sah die Abwicklung des Programms vor (Ziffer 16). Die Einnahmen aus Erdölverkäufen wurden fortan in den Entwicklungsfonds für Irak eingezahlt. Durch die Resolution 1958 (2010) wurde das „Öl für Lebens­mittel-Programm“ nun formal beendet. Der Großteil der etwa 650 Mio US$ noch existierenden Mittel des OIP wird bis 2016 an den Entwicklungsfonds transferiert (Ziffern 4 ff.), der gemäß der Resolution 1956 (2010) von nun an von der irakischen Regierung verwaltet wird. Noch
im Rahmen des OIP geschlossene, aber noch nicht abgewickelte Verträge bleiben von der neuen Resolution unberührt ­(Ziffer 1).

Weiterhin geltende Restriktionen

Zu beachten ist aber, dass die jüngst erlassenen Resolutionen nicht alle gegenüber dem Irak verhängten Handelsbeschränkungen betreffen. Folgende Vorschriften werden nicht berührt:

  • Gemäß § 69e AWV ist der Verkauf und die Ausfuhr von in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste (Anlage AL) erfassten Gütern (Rüstungsgüter und sonstiges Wehrmaterial) nach Irak verboten, soweit sie nicht für die im Land stationierten multinationalen Streitkräfte bestimmt sind (vgl. Resolutionen 1483 (2003) und 1546 (2004)).
  • Gem. § 3 VO 1210/2003 gilt ein Einfuhr-, Ausfuhr- und Handelsverbot für irakische Kulturgüter, es sei denn diese wurden nachweislich vor dem 6. August 1990 aus dem Irak ausgeführt.
  • Gem. § 4 Abs. 3, 4 VO 1210/2003 dürfen bestimmten natürlichen Personen, staatlichen Organen und Unternehmen keine Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden (vgl. Ziffer 23 Resolution 1483 (2003).
  • Gem. §§ 2, 3 VO 3541/92 dürfen Ansprüche aus Verträgen, die von den ab 1990 gegenüber Irak verhängten Embargomaßnahmen erfasst werden, auch nach Aufhebung der Maßnahmen nicht erfüllt werden (Erfüllungsverbot, vgl. Resolution 661 (1990)).

Ob die Maßnahmen des UN-Sicherheitsrates tatsächlich die Rückkehr zu einer zivilen Gesellschaft im Irak ermöglichen werden, wird maßgeblich davon abhängen, ob es gelingt, die Sicherheitslage so zu beruhigen, dass ausländische Unternehmen ihre Mitarbeiter ohne besondere Schutzmaßnahmen in den Irak entsenden können. Vorerst ist diesbezüglich sicher Skepsis angebracht. Hinweis: Unter www.un.org/Depts/german/sr/sr_them/irak.htm findet man die ­Resolutionen des Sicherheitsrates (in nicht amtlicher Übersetzung) auf Deutsch.

Kontakt: l.harings[at]gvw.com

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