Das überzeugende Mandat für Präsident Aquino sorgt für politische Stabilität, Aussicht auf Reformen und Fortschritte bei der Bekämpfung von Armut und Korruption. Die Inlandsnachfrage wird durch eine stimulierende Wirtschaftspolitik und staatliche Investitionen gestützt. Doch angesichts des hohen Öffnungsgrads der Wirtschaft bekommt das Land die sich abschwächende globale Nachfrage zu spüren. Die Kapitalrückführung der europäischen Banken stellt zurzeit das wesentliche Abwärtsrisiko dar.
Von Christoph Witte, Direktor Deutschland, Delcredere N.V.
Präsident Benigno Aquino III genießt nach zwei Jahren im Amt immer noch eine sehr hohe Popularität und kann sich auf ein starkes Mandat stützen, um seine zwei wichtigsten Ziele zu verfolgen: die Bekämpfung der weitverbreiteten Armut und der ausgeprägten Korruption. Doch da seine liberale Partei im Kongress nicht über eine Mehrheit verfügt, könnte er bis zu den Zwischenwahlen im Mai 2013 bei der Umsetzung seines Reformprogramms auf Schwierigkeiten stoßen.
Bislang hat die Politik der Korruptionsbekämpfung und guten Regierungsführung Ergebnisse mit Symbolcharakter gebracht. Es wurden Anklagen gegen Dutzende von Beamten erhoben. Der Präsident des Obersten Gerichtshofes und Verbündete der früheren Staatspräsidentin Gloria M. Arroyo, Roberto Corona, wurde seines Amtes enthoben. Arroyo wurde unter Anklage des Wahlbetrugs verhaftet. Diese strafrechtlichen Verfahren könnten allerdings die Beziehungen der Regierung zu den Eliten des Landes belasten und die politischen Spannungen erhöhen.
Während das Land mittelfristig über eine stabile Regierung verfügen dürfte, werden einzelne Regionen immer noch häufig mit politischer Gewalt konfrontiert. Die Sicherheitsrisiken sind nach wie vor hoch in den südlichen – Insel Mindanao – und westlichen Provinzen, wo militante Gruppen mit unterschiedlichen Forderungen, insbesondere auch nach mehr Autonomie, operieren. Zu nennen sind terroristische Vereinigungen wie Abu Sayyaf, Jemaah Islamiya und die Moro Islamic Liberation Front (MILF). Die MILF ist die bedeutendste muslimische Rebellengruppe. Sie stellt eine reale Bedrohung dar, zumal sie Menschen für die Erpressung von Lösegeld entführt, öffentliche Institutionen angreift und sich sporadisch Kämpfen, mit Regierungstruppen liefert. Erfolge wurden durch kontinuierliche Friedensgespräche erzielt, aber trotz eines kürzlich geschlossenen Abkommens scheinen sich beide Seiten schwerzutun, akzeptable Kompromisse umzusetzen.
Das BIP-Wachstum schwächte sich 2011 von 7,6% im Vorjahr auf 3,7% ab, was vor allem auf den Einbruch der Elektronikexporte um 23% zurückzuführen war. Diese haben mit einem Anteil von 35% an den Gesamtexporten ein großes Gewicht und wurden vom Rückgang der globalen Nachfrage nach dauerhaften Konsumgütern stark getroffen. Auch die Unterbrechungen in der Lieferkette nach den Naturkatastrophen in Japan im März 2011 haben die auf den Philippinen produzierenden japanischen Tochtergesellschaften in Mitleidenschaft gezogen mit negativen Folgen für die Industrieproduktion.
Die kräftige Verbrauchernachfrage, die durch die Überweisungen der im Ausland lebenden Philippiner und die relativ geringe Inflation gestützt wird, bleibt die Hauptantriebskraft des Wachstums. Das BIP-Wachstum wird mittelfristig auf durchschnittlich 4,5% bis 5,0% jährlich geschätzt. Doch da die Philippinen die Eintrübung der Weltkonjunktur mit nachlassender Nachfrage nach Elektronikgütern aus China, den USA und Europa zunehmend zu spüren bekommen, steht das Land vor der Herausforderung, neue Exportmärkte zu erschließen. Es setzt auch auf die Entwicklung zukunftsträchtiger Sektoren wie Tourismus, Agrobusiness und IT-Dienstleistungen (BPO). Insbesondere letztere Branche verspricht ein anhaltend hohes Wachstum.
Durch die weniger günstige Entwicklung im Außenhandel hat sich die Leistungsbilanz verschlechtert. Sie weist allerdings immer noch einen Überschuss auf, der sich in den nächsten Jahren im Bereich von 2% des BIP bewegen dürfte. Zu dieser positiven Entwicklung tragen die anhaltend hohen Überweisungen der im Ausland lebenden Philippiner bei. Angesichts ihres hohen Öffnungsgrad ist die philippinische Wirtschaft sehr anfällig für Kapitalabflüsse, die durch die Turbulenzen in der Euro-Zone und die Kapitalrückführung von Banken ausgelöst werden können. Doch das Ausmaß der Ansteckung und der negativen Wirkungen auf die philippinische Wirtschaft dürfte sich in Grenzen halten, da die Zahlungsbilanz in guter Verfassung und die Abhängigkeit von externer Finanzierung relativ gering ist.
Die gute Grundverfassung der Wirtschaft gibt der Regierung Spielraum für einen expansiveren wirtschaftspolitischen Kurs. In Erwartung einer rückläufigen Inflationsrate – auf ca. 4% in den nächsten Jahren – wurde die Geldpolitik bereits gelockert. Zudem hat die Regierung ihr Sozialprogramm, ausgeweitet und sie bemüht sich bei der Wachstumsförderung breitere Bevölkerungsschichten einzubeziehen. Das ist von grundlegender Bedeutung, zumal etwa ein Drittel der vergleichsweise sehr jungen Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt, und die hohen Einkommensunterschiede die Entwicklung einer breiten Mittelschicht verhindern.
Weitere Impulse werden von einem ehrgeizigen Infrastrukturprogramm erwartet. Der frische Wind, der von den Reformen ausgeht, hat das Vertrauen der Investoren erhöht. So sind angesichts des besseren Geschäftsumfelds die Investitionen in die Infrastruktur mit Hilfe von Public Private Partnerships bereits gestiegen. Dennoch muss dieser Prozess an Fahrt gewinnen, zumal der Mangel an Finanzierungen dazu führt, dass viele Pläne nicht umgesetzt werden können.
Die fiskalischen Maßnahmen zur Stimulierung des Wachstums gehen einher mit der Verpflichtung der Regierung, mittelfristig den öffentlichen Haushalt zu konsolidieren, was bereits in den vergangenen Jahren mit einer Rückführung des konsolidierten Haushaltsdefizits auf 4% des BIP gelungen ist. Die Regierung setzt auf eine Verbesserung der Steuerverwaltung, höhere Steuer- und Zolleinnahmen, den Kampf gegen die Steuerhinterziehung und eine stetige Verbesserung der Ausgabenkontrolle, wobei Abweichungen vom Tugendpfad im Vorfeld der für 2013 geplanten Wahlen möglich sind.
Obwohl die öffentliche Verschuldungsquote seit 2003 kontinuierlich um fast die Hälfte auf 51,3% des BIP im Jahr 2011 verringert wurde, bleibt die Zinsbelastung des Staates mit 18,8% der Einnahmen hoch. Zudem wurde mehr als die Hälfte der öffentlichen Schulden in ausländischer Währung aufgenommen, was eine starke Anfälligkeit für eine mögliche Abwertung des Peso darstellt. Allerdings hält sich die Abwertungsgefahr zurzeit in Grenzen, da das verbesserte Geschäftsumfeld die Zuflüsse ausländischer Direkt- und Portfolioinvestitionen fördert.
Nach der Asien-Krise 1997/98 ist das philippinische Bankensystem auf eine gesündere Grundlage gestellt worden und befindet sich seitdem in einer stabileren Verfassung, so dass es kaum von der jüngsten Finanzkrise (2008/2009) getroffen wurde. Die Liquiditätsausstattung ist besser, das Risikomanagement hat an Qualität gewonnen (der Anteil der notleidenden Kredite am Kreditvolumen lag 2011 bei nur 2%), und die Bankenaufsicht wurde gestärkt. Die gute Verfassung des Bankensektors kann auch daran gemessen werden, dass bereits 2013 die Kapitalanforderungen von Basel III umgesetzt werden sollen. So scheinen die Banken gegen externe Schocks und Turbulenzen in der Euro-Zone gut gewappnet zu sein, zumal ihre Bilanzen in guter Verfassung sind, mit einem relativ geringen Engagement in Euro-Anlagen. Der Kapitalabzug der europäischen Banken könnte jedoch die Verwundbarkeit erheblich erhöhen, zumal die von ihnen ausgelegten Kredite an die 10% des BIP ausmachen.
Das internationale Zahlungsrisiko ist auf den Philippinen gering. Die Auslandsverschuldungsquoten sind seit der Asien-Krise stetig zurückgegangen. Die Schuldendienstquote bewegt sich mit weniger als 10% auf einem moderaten Niveau. Die Lage hinsichtlich der internationalen Liquidität war noch nie so günstig wie derzeit. Die Devisenreserven haben ein Rekordniveau von 66,28 Mrd USD erreicht, was einer Importdeckung von nahezu neun Monaten bzw. einer vierfachen Deckung der kurzfristigen Auslandsschulden entspricht. Die Währungshüter haben folglich Spielraum, mögliche externe Schocks, Kapitalabflüsse und eine plötzliche Abwertung des Peso abzuwehren.
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