Am 12. September 2014 wurde das US-Russland-Embargo weiter verschärft, indem das OFAC (Office of Foreign Assets Controls) die aktualisierte SSI List (Sectoral Sanctions Identification List) veröffentlichte, die – auf der Basis von Executive Order 13662 (EO 13 662) – Listungen unter vier Rubriken (Directives 1 bis 4) enthält. Was bedeuten diese Listungen, für wen gelten sie, und was ist ihr wesent­licher Unterschied zu den entsprechenden Bestimmungen im EU-Russland-Embargo?

Von PD Dr. Harald Hohmann, Rechtsanwalt, Hohmann Rechtsanwälte,
und Dirk Hagemann, angestellter Rechtsanwalt, Hohmann Rechtsanwälte

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Ausgangsfall 1

Die russische VTB Bank, das russische Energieunternehmen Transneft und das russische Rüstungsunternehmen Rostec möchten sich mit Fremdkapital refinanzieren. Hierzu geben sie am 20.10.2014 Schuldverschreibungen heraus mit einer Laufzeit von zwei Jahren. Diese werden auch der D-Bank in Deutschland angeboten, welche die Finanzierung über ihre amerikanische Tochter A-Bank in den USA laufen lässt. Was muss die D-Bank nach dem Russland-Embargo der USA und der EU beachten?

Ausgangsfall 2

D möchte das russische Energieunter­nehmen Lukoil mit Ausrüstung beliefern, die u.U. auch für die Erdölförderung in der Arktis oder der Tiefsee gebraucht werden könnte. Ds Geschäftsführer G ist US-Amerikaner, der auch das Geschäft verhandelte. Was muss D nach dem ­Russland-Embargo der USA und der EU beachten?

Bedeutung des Begriffs „sektorale Sanktionen“
Section 1a (1) von EO 13 662 vom 20.03.2014 (vgl. auch schon EO 13 661) eröffnete die Möglichkeit, neben umfassenden Handelsbeschränkungen auch rein sektorale Beschränkungen auszusprechen, die Handelsbeschränkungen nur bzgl. dieses einen Wirtschaftsbereichs vorsehen. Wenn es bei den russichen Unternehmen um umfassende Handelsbeschränkungen geht, werden diese betroffenen russischen Unternehmen in der SDN-Liste genannt, mit Zusätzen wie „EO13 662“ oder „EO 13 661“, je nachdem, welche Executive Order die Rechtsgrundlage ist. Wenn es hingegen um rein sektorale Handelsbeschrän­kungen geht, werden die betroffenen russischen Unternehmen nicht in der SDN-Liste genannt, sondern nur in der SSI-List unter den vier Directives.

Wenn man diese russischen Unternehmen auf der OFAC-Homepage unter „OFAC Sanctions List Search“ eingibt, erscheinen sie mit folgendem Listungszusatz: „Non-SDN, Ukraine-EO 13 662“. Da es bei der russischen VTB Bank nur um sektorale Beschränkungen geht, wäre es einer US-Person möglich, bei ihr ein Konto zu eröffnen oder sonstige Transaktionen vorzunehmen, die nicht unter das SSI-Verbot fallen. Hingegen sollten US-Personen kein Konto z.B. bei der Asia Bank Moskau eröffnen, da diese unter die umfassenden Handelsbeschränkungen nach der EO 13 622 fallen (Listungszusatz „SDN, EO 13 622“).

Lösung Fall 1 nach US-Exportrecht

Der Anwendungsbereich für die SSI-Verbote wird eröffnet für spezifische „activities by US persons or within the United States“. Dies lässt den Schluss zu, dass primär US-Personen diese Listungen beachten müssen, sekundär aber auch Nicht-US-Personen, vor allem dann, wenn diese solche Aktivitäten auf dem Territorium der USA vornehmen. Hier lässt die D-Bank die Finanzierung über ihre Tochtergesellschaft A-Bank in den USA laufen. Da die A-Bank eine US-Person ist, muss zumindest die A-Bank die SSI-Verbote beachten, und damit im Zweifel mittelbar auch die D-Bank, um das Risiko einer Beihilfehandlung der D-Bank auszuschließen.

Die VTB Bank wird unter Directive 1 der SSI genannt. Nach Directive 1 wird ab dem 12.09.2014 v.a. für US-Personen der Handel mit übertragbaren Wertpapieren und Geldmarktinstrumenten mit einer Laufzeit von mehr als 30 Tagen durch die gelisteten 33 russischen Banken verboten. Da die Schuldverschreibungen der VTB Bank eine Laufzeit von über 30 Tagen haben, ist der Handel mit ihnen (u.a. ihr Kauf) für die A-Bank verboten.

Das Energieunternehmen Transneft wird unter Directive 2 genannt. Nach dieser wird ab dem 12.09.2014 v.a. für US-Personen der Handel mit übertragbaren Wertpapieren und Geldmarktinstrumenten mit einer Laufzeit von mehr als 90 Tagen mit den drei gelisteten Energieunternehmen verboten. Während ein Kunde der Transneft für erhaltene Energielieferungen ­Gelder überweisen kann, gilt anderes im Bereich des SSI-Verbotes. Der Kauf einer Schuldverschreibung des russischen Unternehmens Transneft mit einer Laufzeit über 90 Tage ist für die A-Bank ver­boten.

Das russische Rüstungsunternehmen Rostec wird unter Directive 3 genannt. Nach dieser wird ab dem 12.09.2014 v.a. US-Personen der Handel mit übertragbaren Wertpapieren und Geldmarktinstrumenten mit einer Laufzeit von mehr als 30 Tagen mit sieben gelisteten Rüstungsunternehmen (es handelt sich im Wesentlichen um den Rostec-Konzern) verboten. Der Kauf einer Schuldverschreibung des russischen Unternehmens Rostec mit einer solchen Laufzeit ist für die A-Bank verboten.

Lösung Fall 1 nach EU-Exportrecht

Für die Aktivitäten der D-Bank in Deutschland ist das EU-Exportrecht anwendbar. Da die Verbote der SSI Directives 1–3 weitgehend den Pflichten nach den Art. 5 Abs. 3 (Anhang III), Art. 5 Abs. 2 lit. b (Anhang VI) und Art. 5 Abs. 2 lit. a (Anhang V) der Russland-Embargo-VO 833/2014 entsprechen, dürften die Pflichten weitgehend gleich sein, falls die Listungen übereinstimmen.

Die VTB Bank ist in Anhang III gelistet. Daher ist es der D-Bank nach dem 12.09.2014 gemäß Art. 5 Abs. 3 VO 833/2014 verboten, an Vereinbarungen mitzuwirken, mit denen Darlehen oder Kredite mit einer Laufzeit von mehr als 30 Tagen an die VTB Bank eingeräumt werden. Das Energieunternehmen Transneft ist im Anhang VI gelistet. Daher darf die D-Bank nach dem 12.09.2014 keine Schuldverschreibungen von Transneft mit einer Laufzeit von mehr als 30 Tagen kaufen (Art. 5 Abs. 2 lit. b). Hingegen ist das russische Rüstungsunternehmen Rostec nicht in Anhang V gelistet, so dass die D-Bank nach EU-Recht diese Schuldverschreibung kaufen darf.

Lösung Fall 2 nach US-Exportrecht

Fraglich ist, ob D im Fall 2 als US-Person behandelt werden muss. Da für D ihr Geschäftsführer G handelt und dieser US-Amerikaner ist, besteht das hohe Risiko, dass D faktisch als US-Person behandelt werden muss, da bei den Handlungen von G nicht mehr unterschieden werden kann, ob er für D oder für sich selber handelt. Da G US-­Person ist und somit das US-Exportrecht beachten muss, ist im Zweifel davon ­auszugehen, dass mittelbar auch D als US-Person angesehen wird. Daher muss hier auch D das US-Exportrecht beachten.

Lukoil wird in SSI-Directive 4 gelistet. Nach dieser ist ab dem 12.09.2014 v.a. für US-Personen der Export von Gütern, Dienstleistungen (ohne Finanzdienstleistungen) und Technologie an die gelisteten 25 Energiefirmen verboten, wenn diese Güter etc. für die Erdölförderung in der Arktis, in der Tiefsee oder im Festlandsockel Russlands eingesetzt werden könnten. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung reicht es, wenn die Güter etc. das Potential haben, für diese Zwecke eingesetzt zu werden. Demnach ist es D verboten, diese Güter an Lukoil in Russland zu exportieren.

Vgl. hierzu auch das Genehmigungserfordernis nach § 764.5 EAR. Sofern diese Güter in Supplement 2 zu Teil 764 EAR oder in acht Listenpositionen der Commerce Control List gelistet sind und D von ihrer Gebrauchsmöglichkeit für die Öl- oder Gasförderung in Arktis, Tiefsee oder Festlandsockel Russland ausgeht, besteht für den Export nach Russland auch eine Genehmigungspflicht. Eine ­solche Genehmigung wird im Zweifel ­verweigert, wenn der genannte Verwendungszweck sehr wahrscheinlich ist (Presumption of Denial).

Lösung Fall 2 nach EU-Exportrecht

Nach Art. 3 der Russland-Embargo-VO 833/2014 ist die Lieferung von Technologien, die in Anhang II gelistet sind, nach Russland (an alle Kunden in Russland) genehmigungspflichtig. Entsprechendes gilt auch für dazugehörige Dienstleistungen (Art. 3a). Das BAFA wird die Genehmigung ablehnen, wenn es hinreichende Gründe zu der Annahme hat, dass die Güter tatsächlich für die Zwecke eingesetzt werden sollen.

Der Regelungsansatz ist hier also genau gegenteilig zu dem bei SSI Directive 4: Während das SSI-Verbot allein auf die Belieferung der 25 gelisteten Ölförderer zugeschnitten ist, unabhängig davon, um welche Güter es genau geht, ist das EU-Verbot allein auf die Lieferung der gelisteten Technologien an alle Kunden in Russland fokussiert. Die EU-Genehmigungspflicht entspricht aber weitgehend den Vorgaben des § 764.5 EAR. Allerdings lassen sich dem Wortlaut des § 764.5 (a)(1) EAR auch Formulierungen entnehmen, nach denen es auch Güter treffen kann, die nicht in Suppl. 2 zu Teil 764 EAR oder in den acht genannten ECCN gelistet sind.

Resümee

Die Vorgaben der SSI Directives 1–3 entsprechen weitgehend den Pflichten nach Art. 5 Abs. 3, Art. 5 Abs. 2 lit. a und lit. b EU-VO 833/2014, wobei die Listungen in den USA sehr viel umfassender sind als in der EU. Die Vorgaben nach SSI Directive 4 ­finden keine Entsprechung in der EU-VO; nur die Pflichten nach § 764.5 EAR und nach Art. 3 und 3a der EU-VO 833/2014 entsprechen sich weitgehend. Dass zu den US-Listungen nun zahlreiche sektorale Personenlistungen hinzukommen, die mangels umfassender Handelsbeschränkung keine Nennung in der SDN-List finden, erschwert den Umgang mit US-Listungen. Bezüglich der SSI-Listungen empfiehlt sich die „Sanctions List Search“ auf der OFAC-Homepage. Vor allem Finanzdienstleister, die am stärksten von den SSI Directives 1–3 betroffen sind, ­sollten prüfen, ob ihre Exportsoftware auch die SSI-Listungen abbildet oder ob dies manuell zusätzlich recherchiert werden muss. Die Fälle verdeutlichen, dass der Anwendungsbereich der SSI-Listungen über die US-Personen hinausgehen kann. Die SSI-Verbote gelten auch für Nicht-US-Personen, sofern sie in den USA solche Aktivitäten entfaltet haben. Über die in den Fällen genannten Konstellationen hinaus sind auch weitere Fälle denkbar, in denen SSI-Listungen zu beachten sein dürften; hierzu gehören vor allem Fälle, in denen Transaktionen in US-Dollar abgewickelt werden.

Kontakt: nfo[at]hohmann-
rechtsanwaelte.com

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