Am 8. Mai 2018 teilte der US-Präsident mit, dass die USA aus dem Nuklearabkommen mit dem Iran aussteigen werden. Die im Zuge des Inkrafttretens des JCPOA weitestgehend ausgesetzten „Secondary Sanctions“ werden nunmehr als Konsequenz des Ausstiegs der USA aus dem JCPOA erneut Anwendung finden – mit weitreichenden Folgen für Unternehmen in der EU. Die EU hat nun angekündigt, die „Blocking Regulation“ zu reaktivieren.

Beitrag in der Gesamtausgabe

Am 8. Mai 2018 kündigte der US-Präsident an, den zum 12. Mai 2018 auslaufenden „Waiver“, betreffend den Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA), nicht zu verlängern.

Der JCPOA war am 14. Juli 2015 nach langjährigen Verhandlungen zwischen dem Iran auf der einen Seite und den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates (China, Frankreich, Russland, Vereinigtes Königreich und USA) plus Deutschland sowie der Europäischen Union auf der anderen Seite verabschiedet worden und ist zum 16. Januar 2016 in Kraft getreten. Das Abkommen sieht vor, dass der Iran sein Nuklearprogramm ­einschränkt und sich der Kontrolle der Internationalen Atomenergiebehörde unterwirft. Im Gegenzug verpflichten sich die übrigen Vertragsparteien, die Sank­tionen gegen den Iran schrittweise zu lockern und schließlich vollständig aufzuheben.

Rechtliche Folgen der Aufkündigung

Anders als die EU, die sich in dem JCPOA verpflichtete, den Großteil ihrer Sanktionen gegen den Iran mit Inkrafttreten des JCPOA aufzuheben („terminate“), verpflichteten sich die USA lediglich dazu, die Anwendung bestimmter Sanktionen gegen den Iran auszusetzen („ceasing the application“), wobei die Aussetzungen in regelmäßigen Abständen durch „Waiver“ des US-Präsidenten bestätigt werden mussten. Die Weigerung des US-Präsidenten, durch Erlass neuer „Waiver“ die Aussetzungen der US-Iran-Sanktionen über den 12. Mai 2018 hinaus zu verlängern, hat daher zur Folge, dass die US-Sanktionen grundsätzlich mit demselben Inhalt und in demselben Umfang wieder Anwendung finden werden, den sie bis zum 16. Januar 2016 hatten.

Für US-Unternehmen hat die Nichtverlängerung der Aussetzung der Iran-Sanktionen keine unmittelbaren Auswirkungen. US-Personen (einschließlich Personen, die sich in den USA aufhalten) war es auch nach Inkrafttreten des JCPOA weitest­gehend untersagt, Iran-Geschäfte zu tätigen.

Stattdessen hatten sich die USA in dem JCPOA lediglich zur Aussetzung der sogenannten „Secondary Sanctions“ verpflichtet, d.h. solcher Sanktionen, die extraterritorial ohne unmittelbaren Bezug zu den USA auf Nicht-US-Personen Anwendung finden sollen. So waren Nicht-US-Personen vor Inkrafttreten des JCPOA auch ohne US-Bezug vielfältigen Beschränkungen u.a. im Finanz- und Bankensektor, im Versicherungssektor, im Bereich Schifffahrt, Schiffbau und Hafenbetrieb, im Energie- und petrochemischen Bereich sowie im Automobilsektor ausgesetzt. Zudem durften nach US-Recht keinerlei Transaktionen mit von den USA auf einschlägigen Sanktionslisten gelisteten Personen durchgeführt werden. Ferner sah das US-Sanktionsrecht bis zum Inkrafttreten des JCPOA vor, dass auch alle ausländischen Toch­terunternehmen von US-Muttergesellschaften keinerlei Geschäfte mit dem Iran tätigen durften.

Diese im Zuge des Inkrafttretens des JCPOA weitestgehend ausgesetzten „Secondary Sanctions“ werden nunmehr als Konsequenz des Ausstiegs der USA aus dem JCPOA erneut Anwendung finden.

Aus Gründen des Vertrauensschutzes gestehen die USA den Wirtschaftsbeteiligten sogenannte „Wind-down Periods“ zu, innerhalb derer sie ihre Iran-Geschäfte, die sie im Einklang mit den Vorgaben des JCPOA aufgenommen hatten, geordnet abwickeln dürfen. Die Übergangsfristen enden am 6. August 2018 (z.B. in Bezug auf Sanktionen, betreffend den Automobilsektor) bzw. am 4. November 2018 (z.B. in Bezug auf Sanktionen, betreffend den Schifffahrt-, Schiffbau- und Hafensektor, die Öl- und petrochemische Industrie sowie den Versicherungs- und Bankensektor). Ferner werden die Personen, die bis zum 16. Januar 2016 auf der SDN-Liste oder einer sonstigen US-Sanktionsliste gelistet waren (u.a. die National Iranian Oil Company, die Bank Mellat, Iran Air, die Islamic Republic of Iran Shipping Lines und die Europäisch-Iranische Handelsbank), spätestens zum 5. November 2018 erneut gelistet werden. Daneben soll zum 5. November 2018 die „General License H“ widerrufen werden, auf deren Grundlage ausländische Tochterunternehmen von US-Muttergesellschaften selbständig Iran-Geschäfte tätigen durften.

Konsequenzen für Unternehmen in der EU

Die Wiedereinführung der „Secondary Sanctions“ wird für Nicht-US-Unternehmen weitaus größere Auswirkungen haben, als sie die „Secondary Sanctions“ vor Inkrafttreten des JCPOA hatten. So war bis zum Inkrafttreten des JCPOA ein Großteil der Wirtschaftssanktionen der USA und der EU gegen den Iran gleichlaufend. Daher fiel die extraterritoriale Anwendung des US-Sanktionsrechts nicht erheblich ins Gewicht. Denn ein Großteil der Transaktionen, die EU-Unternehmen gemäß den US-„Secondary Sanctions“ untersagt waren, waren ihnen ohnehin bereits nach EU-Recht verboten. Da infolge des Inkrafttretens des JCPOA aber zwischenzeitlich ein Großteil der EU-Sanktionen gegen den Iran auf­gehoben wurde, wird die Wiedereinführung der „Secondary Sanctions“ nunmehr zur Folge haben, dass EU-Unternehmen nach US-Recht viele Transaktionen untersagt sind, die nach EU-Recht zulässig sind.

Wer nach Ablauf der einschlägigen „Wind-down Periods“ Iran-Geschäfte tätigt, die den „Secondary Sanctions“ zuwiderlaufen, sieht sich erheblichen Risiken ausgesetzt. Das US-Recht sieht im Falle eines Verstoßes weitreichende Sanktionen vor. So können u.a. erhebliche zivilrechtliche Bußgelder und Geldstrafen gegen das Unternehmen sowie gegen die handelnde natürliche Person verhängt werden; in Bezug auf Letztere kommen zudem hohe Freiheitsstrafen in Betracht. Daneben kann ein ausländisches Unternehmen, das gegen US-„Secondary Sanctions“ verstößt, selbst auf eine US-Sanktionsliste gesetzt werden mit der Folge, dass es allen US-Personen künftig untersagt ist, Geschäfte mit diesem Unternehmen zu tätigen.

EU-Unternehmen, die auf dem US-Markt tätig sind, werden insbesondere wegen der letztgenannten Sanktionen erwägen, sich aus dem Iran-Geschäft zurückziehen. Denn einen vollständigen Ausschluss vom US-Markt und dem Handel in US-Dollar können weltweit tätige Konzerne nicht riskieren.

Sofern ein EU-Unternehmen nicht auf dem US-Markt tätig ist und sich entscheidet, weiterhin Iran-Geschäfte durch­zuführen, wird sich auch dieses Unter­nehmen infolge der Aufkündigung des JCPOA weitreichenden praktischen Problemen gegenübersehen – insbesondere im Bereich der Zahlungsabwicklung. Auch nach Inkrafttreten des JCPOA haben sich die europäischen Großbanken aus Sorge, gegen US-Sanktionen zu verstoßen, geweigert, Zahlungen mit Iran-Bezug abzuwickeln. Stattdessen erfolgte die Zahlungsabwicklung hauptsächlich über Volksbanken und Sparkassen, die aufgrund einer geringen Relevanz des US-Geschäfts für ihre Tätigkeit eher bereit waren, Zahlungen mit Iran-Bezug abzu­wickeln, sowie über die Europäisch-­Iranische Handelsbank. Ein Großteil der Volksbanken und Sparkassen hat jedoch inzwischen erklärt, mit Blick auf die Aufkündigung des JCPOA alle Zahlungsgeschäfte mit Bezug zum Iran auszusetzen. Die Europäisch-Iranische Handelsbank wird zum 5. November 2018 erneut auf die SDN-Liste der USA gesetzt werden – ebenso wie ein Großteil der iranischen Banken. Es besteht zwar weiterhin die Möglichkeit der Zahlungsabwicklung über Drittländer, wie etwa China oder die Vereinigten Arabischen Emirate, wobei die Unternehmen Akkreditive iranischer Banken durch Banken aus diesen Dritt­ländern avisieren. Nachteile dieses Verfahrens sind indes die hohen Kosten sowie die hohen formellen Anforderungen hinsichtlich der einzureichenden Dokumente. Ferner ist diese Zahlungsabwicklung risikobehaftet, da der Exporteur das Risiko des Zahlungsausfalls der iranischen Bank oder des Importeurs trägt.

Reaktion der EU

Sowohl der Iran als auch die EU haben bekräftigt, sich vorerst weiter an den JCPOA halten zu wollen. Für die EU bedeutet dies, dass die ehemals bestehenden Sanktionen gegen den Iran nicht wieder eingeführt werden sollen. Der Iran will ­seinerseits die von ihm eingegangenen Verpflichtungen weiterhin erfüllen, verlangt aber von der EU die effektive Durchsetzung der ihm zugesagten wirtschaft­lichen Vorteile.

Als Reaktion auf die Aufkündigung des JCPOA durch die USA hat die Euro­päische Kommission angekündigt, die ­„Blocking Regulation“ [Verordnung 2271/96 (EG) vom 22. November 1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen] reaktivieren zu wollen.

Die „Blocking Regulation“ war seinerzeit als Reaktion der EU auf die völkerrechtswidrige Ausweitung der US-Sanktionen gegen Kuba und den Iran auf europäische Unternehmen geschaffen worden. Gemäß deren Art. 5 Abs. 1 ist es EU-Unternehmen ausdrücklich untersagt, bestimmte, im Anhang zur „Blocking Regulation“ ausdrücklich genannte US-Sanktionsbestimmungen zu befolgen. Die Sanktionen für die Nichtbefolgung der Vorgaben der „Blocking Regulation“ sollen sich nach nationalem Recht richten, wobei nach deutschem Recht Bußgelder bis zu 500.000 EUR drohen.

Eine vergleichbare Vorschrift – allerdings ohne Beschränkung auf bestimmte ausländische Sanktionsbestimmungen – existiert auch nach nationalem Recht.

So untersagt das „Boykottverbot“ in § 7 Außenwirtschaftsverordnung (AWV) inländischen Personen, im Außenwirtschaftsverkehr Erklärungen abzugeben, durch die sie sich an einem Boykott gegen einen anderen Staat beteiligen.

Die „Blocking Regulation“ sieht daneben in Art. 6 vor, dass Unternehmen Schadenersatzansprüche geltend machen können sollen, wenn ihnen aufgrund der extraterritorialen Anwendung der im Anhang der Verordnung genannten US-Sanktionsbestimmungen ein Schaden entsteht, wobei dieser von der Person oder sonstigen Stelle zu leisten ist, die den Schaden verursacht hat, oder von der Person, die in deren Auftrag handelt oder als Vermittler auftritt.

Um die „Blocking Regulation“ zu reaktivieren, müsste deren Anhang um die seit 1996 neu erlassenen US-„Secondary Sanctions“ erweitert werden. Auch dann stellt sich aber die Frage der praktischen Durchsetzbarkeit der Vorgaben der „Blocking Regulation“: Wenn Unternehmen zu wählen haben zwischen den schwerwiegenden Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die US-„Secondary Sanctions“ einerseits und einer potentiellen Ahndung der Befolgung der US-„Secondary Sanctions“ als Ordnungswidrigkeit andererseits, werden sich viele Unternehmen für die Befolgung der US-„Secondary Sanctions“ entscheiden – zumal die Erfahrung zeigt, dass Verstöße gegen die „Blocking Regulation“ und § 7 AWV praktisch nicht geahndet werden. Die Reaktivierung der „Blocking Regulation“ alleine wird daher das Iran-Abkommen nicht retten können.

Die EU hat daneben weitere Maßnahmen ins Spiel gebracht, etwa eine Vergabe von zinsverbilligten Krediten für Iran-Geschäfte durch die Europäische Investitionsbank sowie die Schaffung neuer ­Zahlungswege für Iran-Geschäfte. So wird u.a. angedacht, den Zahlungsverkehr mit dem Iran dadurch sicherzu­stellen, dass die europäischen Zentralbanken direkt Gelder von der iranischen Zentralbank empfangen und an diese überweisen.

Ob derartige Maßnahmen im Ergebnis ausreichen werden, um das Iran-Abkommen zu retten, bleibt abzuwarten. So mögen sich mittelständische Unternehmen mit keinem oder nur geringem Umsatz in den USA durch derartige Maßnahmen überzeugen lassen, ihr Iran-Geschäft fortzuführen. Dass sich aber auch Großunternehmen mit hohem Geschäftsvolumen in den USA, deren Sanktionierung durch die USA für die US-Regierung eine hohe Symbolwirkung hätte, durch derartige Maßnahmen zur Fortführung ihres Iran-Geschäfts bewegen lassen werden, darf bezweifelt werden.

Sollte die EU letztlich nicht in der Lage sei, die dem Iran im JCPOA zugesagten wirtschaftlichen Vorteile effektiv durchzu­setzen, steht zu erwarten, dass auch der Iran sich nicht länger an den JCPOA gebunden sehen wird und sein Nuklearprogramm wieder aufnehmen wird – mit der Konsequenz, dass auch die EU neue Wirtschaftssanktionen gegen den Iran erlassen wird.

k.goecke@gvw.com

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