Die Volksrepublik verzeichnete 2017 den drittgrößten Überschuss in der Leistungsbilanz weltweit. Kein Wunder, wenn man dem chinesischen Horoskop glauben mag: 2017 war im chinesischen Kalender das Jahr des (prosperierenden) Hahns. Im Februar 2018 folgte mit dem Hund das nächste der zwölf Tierkreiszeichen. Der Vierbeiner steht aus astrologischer Sicht jedoch für trübe Aus­sichten. Deshalb haben unsere Risikoexperten die aktuellen wirtschaftlichen Aussichten mal genauer unter die Lupe genommen.

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Im Reich der Mitte ging gerade die größte Reisewelle der Welt zu Ende. 1,5 Milliarden Menschen begrüßten jüngst das neue Jahr. Die meisten Chinesen reisen dazu in ihren Heimatort und feiern im Kreis der Familie. Das Neujahrsfest ist die wichtigste Saison für die chinesische Tourismus- und Feuerwerksindustrie, wobei Letztere starke Umsatzeinbrüche zu verzeichnen hatte, da aufgrund von Smog und Unfällen der Einsatz von Feuerwerkskörpern in einigen Teilen des Landes untersagt wurde. Aber wie sieht es insgesamt in der Wirtschaft der Volksrepublik aus?

Wie entwickelt sich das Wachstum?

Mit einer Steigerung der Wirtschaftsleistung um 6,9% verzeichnete das ostasia­tische Land im vergangenen Jahr zum ersten Mal seit 2010 nur eine moderate Beschleunigung des BIP-Wachstums. Es ist noch immer auf einem hohen Niveau im Vergleich zu dem in anderen Industriestaaten. Die Exporte zeigten eine nennenswerte Erholung. Der private Konsum blieb stabil. Die Investitionen gingen leicht zurück. Für 2018 prognostizieren die Volkswirte ein Wachstum von mehr als 6%, da angenommen wird, dass die Auslandsnachfrage stark bleibt. Aufgrund der Verschärfung der Kreditbedingungen wird allerdings eine Abkühlung der inländischen Nachfrage erwartet. Insgesamt gehen die Experten von einem langsamen, aber nicht unwesentlichen mittel- bis langfristigen Rückgang der Wachstumsquote bis auf 5,2% im Jahr 2022 aus.

Die Produktivität hat sich über die Jahre kontinuierlich abgeschwächt. Dieser Trend wird sich laut Experten fortsetzen, bis sich das jährliche BIP-Wachstum auf einem Niveau von etwa 4% einpendelt. Um die Produktivität anzukurbeln und Spielraum für die Entschuldung im Land zu schaffen, ist  die Durchführung von wirtschaftlichen und sozialen Reformen wichtig. Die Anzahl großer unrentabler Staatsunternehmen ist noch immer zu hoch, ihre Rolle in bestimmten Sektoren wie Öl, Bergbau, Telekommunikation, Versorgung und Verkehr zu dominant.

Die Folgen hoher Staats- und Unternehmensschulden für die Wirtschaft

Die finanzielle Situation der kommunalen Verwaltungen ist angespannt, nicht zuletzt wegen der Staatsausgaben, die über kommunale Quellen finanziert werden. Das Staatsdefizit wird wahrscheinlich weiter zunehmen, da die höheren Ausgaben die straffere Geldpolitik kompensieren. Insgesamt bleiben die Staatsschulden auf absehbare Zeit aber überschaubar. Die Staatsmacht wird von nicht unerheblichen nationalen Kosteneinsparungen unterstützt, was der Regierung die lokale Finanzierung der Schulden ermöglicht und die Gefahr einer möglichen Belastung durch externe Schocks verringert. Die Auslandsverschuldung liegt bei nur 13% des BIP in diesem Jahr.

Gleichzeitig bereiten die Unternehmensschulden im Privatsektor Sorgen, da sie im Jahr 2017 auf 142% des BIP angestiegen sind. Die finanziellen Schwachstellen, die in der Finanz-, Unternehmens- und Immobilienbranche sowie in den kommunalen Regierungen existieren, sind miteinander verkettet. Eine Krise in einer Branche könnte andere beeinträchtigen.

Wie geht die Staatsmacht mit der Verschuldung um?

Die chinesischen Behörden sind sich dieser Risiken bewusst und haben einige geld- und finanzpolitische Maßnahmen ergriffen. Aufgrund der geringen Staats- und Auslandsverschuldung sowie der großen internationalen Währungsreserven besteht weiter Spielraum für lokale Konjunkturprogramme. Gleichzeitig sind sie in der Lage, die für die Wirtschaft gesetzten BIP-Wachstumsziele einzuhalten.

Die Zentralregierung verfügt über eine strenge Kontrolle der Wirtschafts- und Finanzsituation im Land. Die chinesische Zentralbank ist bestrebt, die durch die übermäßige Verschuldung und spekulative Investitionen bedingten Risiken mit Hilfe einer restriktiven Geldpolitik zu reduzieren. Darüber hinaus hat die Finanzaufsicht ihre Regeln verschärft.

Das Kreditwachstum verlangsamte sich von 16,1% Ende 2016 auf 13,6% Ende 2017 – der erste Rückgang seit vier Jahren. Die straffere Geldpolitik wird von einer Rekapitalisierung der kleinen und mittelständischen Banken sowie von Restrukturierungsprogrammen für Unternehmen begleitet.

Der Großteil von Chinas massivem Schuldenberg liegt in den staatseigenen Unternehmen verborgen. Die Staatsunternehmen wurden in der Vergangenheit von den Staatsbanken mit immer neuen Billigkrediten gepäppelt. Die Betriebe produzierten oft Waren, die niemand braucht. Die Banken könnten angewiesen werden, diese Schulden zu refinanzieren.

Der Bestand an inländischen Krediten wird in Zukunft auf einem sehr hohen Niveau bleiben. Ein relativ großer Teil der Unternehmenskredite ist potentiell vom Ausfall bedroht. Vor allem in Industrien mit Überkapazitäten wie Aluminium, Zement, Kohle, Bau und Stahl müssen hochverschuldete Unternehmen um-strukturiert werden. In einer Krise würde der Staat für die meisten seiner Staatsunternehmen und Banken bürgen; aber wie sieht es mit den übrigen Unternehmen aus?

Exporteure sollten insbesondere bei kleinen Firmen auf die Bonität achten

Während börsennotierte Konzerne sowie die erwähnten Staatsunternehmen in China von der Rückendeckung durch Banken und Anteilseigner profitieren, ist insbesondere beim Handel mit kleinen und mittelständischen Geschäftspartnern Vorsicht geboten. Dabei kann es sich auch um Unternehmen aus vergleichsweise gut laufenden Branchen handeln. Kleine Firmen leiden oftmals unter begrenzten finanziellen Mitteln. Die prognostizierte Verlangsamung des Wachstums in den kommenden Jahren schwächt sie zusätzlich, wenn sie ihre Liquidität nicht im Griff haben.

Obwohl das Wirtschaftswachstum im Reich der Mitte besser als prognostiziert ausgefallen ist, erwarten die Atradius-Risikoexperten 2018 trotzdem eine weitere Steigerung der Unternehmensinsolvenzen. Die Firmen haben mit restriktiveren Kreditkonditionen zu kämpfen, während sich die Wirtschaftsstruktur weiter in Richtung Dienstleistungen und Konsum entwickelt. Das führt zwangsläufig zu sinkenden Geschäftschancen, insbesondere für die Branchen Stahl, Metall, Transport und Bergbau. Die bereits schwierige Situation wird durch Überkapazitäten und einen hohen Verschuldungsgrad verschärft.

Exporteure sollten daher die Bonität ihrer chinesischen Geschäftspartner gut kennen. Am einfachsten ist, sie nutzen die Vorteile einer Kreditversicherung, mit der sie stets über die Kreditwürdigkeit informiert und bei einem möglichen Forderungsausfall zusätzlich abgesichert sind und nicht auf ihren Kosten sitzenbleiben.

Weitere Infos – auch zur Entwicklung in den Nachbarländern – finden Sie in unserem Atradius Country Report Asien Pacific.

thomas.langen@atradius.com

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