In der jüngeren Vergangenheit hat der Thermon-Fall insbesondere in Europa große Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Hintergrund ist ein Verfahren des Office of Foreign Assets Control (OFAC) gegen die Thermon Manufacturing Co. mit Sitz in Texas bzw. des Bureau of Industry and Security (BIS) gegen fünf Tochtergesellschaften von Thermon mit Sitz in Großbritannien, den Niederlanden, Japan, Indien und Südkorea.
Von Stephan Müller, Rechtsanwalt, Oppenhoff & Partner
Der Thermon-Fall belegt besonders anschaulich die Praxis der US-Behörden, Nicht-US-Unternehmen zu verfolgen. Er zeigt aber auch, dass Verletzungen des US-Exportrechts außerhalb der USA die US-Muttergesellschaften unmittelbar selbst treffen können – eine weitere Facette, die die Einhaltung des US-Rechtes auch außerhalb der USA erforderlich macht.
Thermon stellt sogenanntes Heat-Tracing-Equipment her, also Produkte, die der Steuerung und Aufrechterhaltung von Prozesstemperaturen dienen.
In einem Zeitraum von Oktober 2002 bis Juni 2006 exportierten die erwähnten fünf Tochtergesellschaften in zahlreichen Fällen vollständig in den USA hergestellte Produkte, ohne dass die erforderliche Reexportgenehmigung zuvor eingeholt worden wäre. Exportiert wurde überwiegend in den Iran. Daneben fanden Exporte nach Syrien und Libyen statt sowie an eine „Listed Entity“ in Indien.
Thermon Manufacturing hatte eine konzerninterne Export-Policy herausgegeben, die eindeutig festlegte, dass solche Exporte nicht zulässig seien, auch dann nicht, wenn sie durch Tochtergesellschaften außerhalb der USA durchgeführt werden. Die Tochtergesellschaften führten entgegen dieser Weisung dennoch die genannten Exporte durch, ohne die Konzernmuttergesellschaft über den Export oder den Endverbleib der Produkte zu informieren.
Nachdem die Exporte bekanntgeworden waren, hatte Thermon – wie in den USA mittlerweile fast üblich – den Weg der „Voluntary Self Disclosure“ (VSD) eingeschlagen. Die Ermittlungen gegen die Nicht-US-Gesellschaften wurden dann im Wege von Vergleichen gegen Zahlung von insgesamt (moderaten) 176.000 US$ beendet. Das Verfahren des OFAC gegen die US-Muttergesellschaft wurde ebenfalls im Wege des Vergleichs beendet.
Zunächst sei herausgestellt, dass die fraglichen Exporte nach US-Recht ohne Zweifel einer Reexporterlaubnis bedurft hätten. Auf der Basis der US-Bestimmungen über Reexporte sind grundsätzlich zunächst zwei Fallgruppen zu unterscheiden: zum einen die Fälle, in denen ein Exporteur vollständig in den USA hergestellte Ware weiterveräußert (US-Origin), und zum anderen jene Fälle, in denen ein Produkt unter Verwendung von (insbesondere) Komponenten aus den USA in einem dritten Land hergestellt und dann in ein drittes Land weiterexportiert wird (US-Content).
Ob ein Reexport den amerikanischen Ausfuhrbestimmungen unterfällt, hängt zunächst vor allem von der exportkontrollrechtlichen Einstufung der Ware ab. Ist dem betreffenden Produkt eine Export Control Classification Number (ECCN) nach Maßgabe der Commerce Control List (CCL), § 774 EAR, zuzuordnen, muss in einem weiteren Schritt mit Hilfe der Commerce Country Chart (CCC) bestimmt werden, ob für das in Rede stehende Empfängerland eine Exporterlaubnis beantragt werden muss.
Hier war die Situation allerdings so, dass den Produkten keine ECCN zuzuordnen war, diese also als „EAR99“ eingestuft waren. Aber auch EAR99-Ware ist nicht frei von Exportrestriktionen. Denn für EAR99-Güter gelten die „General Prohibitions“ nach Maßgabe der Vorschriften des § 736 EAR.
Dies bedeutet etwa für den konkreten Fall ein Verbot der Exporte in das Empfängerland Syrien nach Maßgabe des § 736 (9) EAR in Verbindung mit der General Order No. 2 (General Prohibition No. 9). Für die Exporte in den Iran und nach Libyen war § 736 (6) EAR zu beachten, der den Export oder Reexport in mit Embargos belegte Länder ohne Genehmigung un-tersagt [siehe § 746 (4) und (7) EAR].
Für den Reexport nach Indien war der End-User entscheidend. Zum Zeitpunkt des Exports waren die indischen Empfänger als „Prohibited End Users“ gelistet [vgl. in diesem Zusammenhang insbesondere auch § 744 EAR in Verbindung mit § 736 (5) EAR)].
Vor diesem rechtlichen Hintergrund hat das BIS Verfahren gegen die ausländischen Tochtergesellschaften eingeleitet. Zur Verhängung von Bußgeldern kam es letzten Endes nicht, weil die ausländischen Tochtergesellschaften einer Beendigung des Verfahrens durch „Vergleich“ zugestimmt haben. In diesem Zusammenhang stellt sich grundsätzlich die komplexe Frage, wie weit die Jurisdiktion der US-Behörden gegenüber ausländischen juristischen Personen tatsächlich reicht. In den jeweiligen Vergleichen wird interessanterweise hierzu ausdrücklich festgehalten, dass sich die Parteien auch darüber einig sind, dass das BIS gegenüber den ausländischen Tochtergesellschaften handeln kann.
Dies spricht dafür, dass die US-Behörden jedenfalls erkennen, dass die von den USA in Anspruch genommene extraterritoriale Geltung des US-amerikanischen Exportkontrollrechts zweifelhaft ist bzw. in Europa angezweifelt wird. Denn üblicherweise können staatliche Stellen verhängte Bußgelder lediglich im eigenen Staatsgebiet vollstrecken. Aufgrund der Souveränität eines jeden Staates ist die Wahrnehmung von hoheitlichen Befugnissen im Ausland grundsätzlich unzulässig. Ein entsprechendes Vollstreckungshilfeabkommen zur Durchsetzung von Sanktionen auf der Basis der EAR (wie man es etwa im Hinblick auf verhängte Bußgelder wegen Verstößen gegen das Straßenverkehrsrecht zwischen etlichen europäischen Ländern kennt) besteht – zumindest mit Deutschland – nicht.
Das Verfahren gegen die US-Muttergesellschaft (dieses wurde durch das Office of Foreign Assets Control – OFAC – betrieben) ist in dieser Hinsicht selbstverständlich völlig unproblematisch. Hier stellte sich allerdings die Frage, ob die Verhängung eines Bußgelds vor Gericht Bestand gehabt hätte, da sich die US-Muttergesellschaft – soweit ersichtlich – grundsätzlich rechtstreu verhalten hatte. Immerhin hatte diese ihre ausländischen Tochtergesellschaften zur Einhaltung des US-Rechts angewiesen und Exportvorgänge wie die verfahrensgegenständlichen explizit durch interne Policies untersagt.
Vor diesem Hintergrund ist der Thermon-Fall somit besonders instruktiv. Er zeigt, dass das Einführen einer Export Control Policy nur der Anfang für ein Haftungsrisiken minimierendes Export Control Scheme ist. Kontrolle und Durchsetzung einer Policy kommt gleichfalls zentrale Bedeutung zu. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass die ausländischen Tochtergesellschaften in einer Vielzahl von Fällen gegen die Policy verstoßen haben. Offenbar hat die Muttergesellschaft die eigene Policy nur unzureichend kontrolliert und durchgesetzt.
Der Thermon-Fall zeigt des Weiteren mit aller Deutlichkeit, dass US-Behörden Ermittlungsverfahren auch gegen ausländische Tochtergesellschaften von US-Unternehmen führen. Hier besteht also ein reales Verfolgungsrisiko. Die schwierige Frage der Jurisdiktion der US-Behörden über Nicht-US-Gesellschaften wird durch den Abschluss eines Vergleichs zuverlässig ausgeblendet und zudem durch eine entsprechende Klausel im Vergleich rechtlich abgesichert.
Der Thermon-Fall zeigt weiter, dass Verstöße ausländischer Tochtergesellschaften unmittelbar auf die US-Muttergesellschaft durchschlagen können, und zwar auch dann, wenn diese zum einen klare und korrekte Anweisungen gegeben hat, US-rechtswidrige Exporte nicht durchzuführen, und zum anderen von den konkreten Exportvorgängen keine Kenntnis hatte.
Kontakt: stephan.mueller[at]oppenhoff.eu
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