Der ruhige Verlauf der Parlamentswahlen im Dezember 2011 signalisiert eine schrittweise Stabilisierung nach dem Bürgerkrieg. Ein neues IWF-Programm schafft Spielraum für die Begleichung der Zahlungsrückstände und die Finanzierung der öffentlichen Ausgaben, während der bevorstehende Abschluss des HIPC-Programms zu erheblichen Schuldenerleichterungen führen wird. Der wirtschaftliche Aufschwung und die politische Stabilisierung verringern das Risiko eines Rückfalls.
Von Christoph Witte, Direktor Deutschland, Delcredere N.V.
Mit den im Dezember 2011 durchgeführten Parlamentswahlen, den ersten im Verlauf der vergangenen elf Jahre, wurde die politische Stabilität auf den Prüfstand gestellt. Im Schutz von 7.000 UN- und 25.000 ivorischen Soldaten verliefen die Wahlen relativ friedlich, was auch als positives Zeichen für das sich erholende Land gewertet wurde. Die geringe Wahlbeteiligung von 36,6% kann teilweise auf den Wahlboykott der mit dem früheren Präsidenten Gbagbo sympathisierenden Parteien zurückgeführt werden. Die Partei von Präsident Ouattara hat genau die Hälfte der 254 Sitze gewonnen, während der Großteil der restlichen Sitze an politisch verbündete Parteien ging.
2011 durchlief die Elfenbeinküste eine tiefe Rezession. Das BIP schrumpfte um ca. 5,8%. Der Fehlbetrag im Staatshaushalt dürfte sich auf 8,1% des BIP erweitert haben. Die Krise führte auch zu einer Destabilisierung des Finanzsektors. Viele Banken benötigen frisches Kapital oder Garantien.
Die Elfenbeinküste ist Mitglied der Westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion (Union Économique et Monétaire Ouest Africaine – UEMOA) und gehört zur CFA-Franc-Zone. Diese Zugehörigkeit garantiert die Konvertibilität der Währung in Euro über das französische Schatzamt, womit für das Land die Risiken des Devisentransfers abgefedert werden. Die jährliche Inflationsrate hat sich von einem Höchststand von 9% im Krisenjahr auf 3% im Oktober 2011 verringert und erfüllt damit das mittelfristige Inflationsziel der Währungsunion.
Die derzeitige Wettbewerbsfähigkeit der ivorischen Wirtschaft ist relativ gering im
Vergleich zu der anderer Mitgliedsländer der UEMOA. Gründe dafür sind vor allem das schlechte Geschäftsumfeld, der schwierige Zugang zu Finanzierungen sowie Korruption und politische Instabilität. Die Abschwächung des Euro, die zu einer Abwertung des CFA-Franc führt, könnte für eine höhere preisliche Wettbewerbsfähigkeit der ivorischen Exporte sorgen. Dies gilt insbesondere für Rohstoffe wie Öl, Kakao und Kaffee, die in US-Dollar gehandelt werden.
Die Elfenbeinküste ist sehr anfällig für Preisschwankungen auf dem Weltmarkt. Als führender Kakaoproduzent weltweit trägt der ivorische Kakaosektor 40% zur globalen Kakaoproduktion bei. Kaffee und Palmöl sind die zwei anderen wichtigsten landwirtschaftlichen Exportgüter. Kakao und Erdöl sind mit einem Anteil von jeweils 37,2% bzw. 10% der Exporterlöse die führenden Exportgüter.
Der Rückgang des Weltmarktpreises für Kakao im Jahr 2011 hatte negative Folgen für die Leistungsbilanz. Diese wird voraussichtlich einige Jahre lang einen Fehlbetrag aufweisen. Der Kakao- und der Kaffeesektor sind durch die Krise stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Der Wiederaufbau des Landes sorgt für einen steigenden Importbedarf. Hinzu kommt, dass die Elfenbeinküste als bedeutender Reisimporteur den Anstieg der globalen Nahrungsmittelpreise zu spüren bekommt. Auch das schlägt sich negativ auf die Leistungsbilanz nieder.
Präsident Ouattara genießt als ehemaliger IWF-Vizedirektor großes Vertrauen innerhalb der internationalen Gemeinschaft. Die Regierung der Elfenbeinküste hat ein ehrgeiziges Entwicklungsprogramm in Angriff genommen, das in öffentliche Dienstleistungen investiert und sich zum Ziel gesetzt hat, über den Abschluss des HIPC-Programms hinaus das Land auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zu bringen und die Armut abzubauen. Sie nutzt eine neue, auf drei Jahre angelegte erweiterte Kreditfazilität des IWF (Extended Credit Facility – ECF), die ihr Spielraum für die Zahlung der Schuldenrückstände und die Finanzierung besonders dringender Staatsausgaben gibt.
Das IWF-Programm hat die Liquiditätslage des Landes verbessert; die Devisenreserven sind auf 4.003 Mio USD gestiegen und reichen derzeit für 4,8 Monatsimporte im Vergleich zu 3,6 Monatsimporten im Jahr 2009. Im November 2011 hat der Pariser Club einen Schuldenerlass für die Elfenbeinküste vereinbart. Das Abkommen sieht einen Schuldenerlass in Höhe von 397 Mio USD vor. Hinzu kommt die Umstrukturierung weiterer Schulden in Höhe von 1,92 Mrd USD, deren Rückzahlung über einen Zeitraum von zehn Jahren gestreckt wird. Die Schuldendienstlast des Landes wird folglich bis Mitte 2014 um bis zu 78% sinken. Wenn die Elfenbeinküste den Abschlusspunkt des HIPC-Programms und den damit verbundenen Schuldenerlass erreicht, wird sich die Auslandsverschuldungssituation deutlich bessern und das Risiko eines damit verbundenen Zahlungsausfalls sinken. Es wird erwartet, dass die Regierung der Elfenbeinküste Mitte 2012 die vertraglich festgelegten Zahlungen an die Gläubiger wieder aufnehmen wird. So wird mittelfristig die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit der Elfenbeinküste erwartet, allerdings mit der Einschränkung, dass im Fall erneuter externer Schocks, die zu hohen Einbußen im Außenhandel führen können, dieser erreichte Zustand der Zahlungsfähigkeit wieder Rückschläge erleiden könnte.
Das ECF-Programm setzt auf Reformen im Kakao- und im Kaffeesektor, den Wiederaufbau der Stromwirtschaft, eine Verbesserung des Rechtssystems und des Geschäftsumfelds sowie Investitionen in die Infrastruktur. Da die Landwirtschaft, insbesondere der Kakaosektor, ein wichtiger Pfeiler für die ivorische Wirtschaft ist, wird ein Schwerpunkt auf Strukturreformen in der Kaffee- und Kakaoproduktion gelegt, mit dem Ziel, die Produktivität und die landwirtschaftlichen Einkommen zu steigern. Doch die Reformen könnten auf einige Schwierigkeiten stoßen, zumal im Nordosten des Landes politische Unruhen die Menschen davon abhalten, auf ihre Farmen zurückzukehren. Hinzu kommt das trockene und windige Wetter, das die Kakaoproduktion im laufenden Jahr bremsen und zu geringeren Staats- und Deviseneinnahmen führen wird.
Seit Entdeckung von Offshoreölquellen entwickelt sich die Erdölwirtschaft zum Sektor mit der höchsten Wachstumsdynamik. Die Elfenbeinküste fördert zurzeit an die 50.000 Barrel Öl pro Tag. Angesichts der zu erwartenden Entdeckung neuer Reserven sind zudem weitere Erhöhungen der Fördermengen in Sicht.
Das wirtschaftliche Potential der Elfenbeinküste beruht auf umfangreichen Vorkommen von Rohstoffen wie Gold, Nickel, Eisenerz, Mangan und Diamanten, die bislang noch kaum erschlossen sind. Angesichts anhaltend hoher Rohstoffpreise und des stetigen internationalen Interesses an Rohstoffen dürfte sich die Elfenbeinküste im Rohstoffsektor vielversprechende zusätzliche Einkommensquellen erschließen können.
Die Wiederherstellung der politischen Stabilität ist Voraussetzung, um internationale Investoren für den Wiederaufbau der Infrastruktur und Investitionen im Bergbausektor anzuziehen. Präsident Ouattara arbeitet hart daran, die Elfenbeinküste wieder international gesellschaftsfähig zu machen, nachdem Laurent Gbagbo das Land in die außenpolitische Isolierung manövriert hatte. In Abid-jan wurden kürzlich Hillary Clinton sowie der chinesische Außenminister empfangen. Ouattara war auch auf Staatsbesuch bei seinem wichtigsten Alliierten Frankreich, um ein neues Verteidigungsabkommen zu unterschreiben. Dieses sieht vor, die französischen Bodentruppen zu reduzieren und ihre Aufgaben auf die Ausbildung der lokalen Truppen zu beschränken. Ein weiterer wichtiger Verhandlungspunkt war die Beschleunigung der Rückkehr französischer Unternehmen in das Land. Der Großteil der Verträge über Infrastrukturprojekte wurde bereits an französische Unternehmen vergeben, während die US-amerikanischen Partner begonnen haben, den strategisch wichtigen Kakaosektor wiederaufzubauen.
Kontakt: c.witte[at]delcredere.eu
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