Der politische Führungswechsel in der Volksrepublik und die zunehmende Integration des chinesischen Wirtschaftsraums standen im Mittelpunkt des Greater China Days der IHK Frankfurt am Main und der deutschen Auslandshandelskammern in China am 28. März 2012. Rund 250 Teilnehmer konnten sich zudem über die Internationalisierung des Renminbi und die Herausforderungen von Joint Ventures sowie über Gesundheitswirtschaft, Logistik und Vertrieb in China informieren.
Von Gunther Schilling, Redaktionsleiter ExportManager, F.A.Z.-Institut
Mit der Liberalisierung der chinesischen Landeswährung Renminbi Yuan (CNY) und dem Abschluss von Freihandelsabkommen erhält der Handel mit Asien nach Ansicht von Ekkehard Goetting, Geschäftsführer der AHK Greater China in Hongkong, wichtige Impulse. „Das internationale Geschäft aus China heraus wird durch die Internationalisierung des Renminbi künftig stark wachsen“, erklärte er zur Eröffnung des Greater China Days. Inzwischen habe China präferentielle Zollabkommen mit 20 Ländern abgeschlossen, Vereinbarungen mit weiteren 16 Ländern seien in Vorbereitung. Das Ziel dieser Politik sei ein regionaler Freihandel, in dem die chinesische Währung eine dominante Rolle spiele.
Nach Ansicht des deutschen Botschafters in China, Dr. Michael Schaefer, bedeutet der politische Führungswechsel in China eine historische Weichenstellung, da hinter den Kulissen ein Richtungsstreit zwischen Marktwirtschaftlern und Traditionalisten entbrannt sei. Im Vorfeld des Parteikongresses der Kommunistischen Partei wird entschieden, ob reformorientierte Politiker wie der Parteichef von Guangdong, Wang Yang, oder traditionelle Kader wie der Parteichef von Chongqing, Bo Xilai, in den Ständigen Ausschuss des Politbüros aufrücken. Dies bestimmt auch die Politik der zukünftigen Regierung, die von der Parteiführung entworfen wird.
Die erste Amtszeit der neuen Führung sei entscheidend für die Überwindung der Disparitäten zwischen den reichen Küstenprovinzen und ärmeren Regionen sowie zwischen Stadt- und Landbevölkerung. Das Wohlstandsversprechen der vergangenen zwei Jahrzehnte, als Chinas Einkommen mit der Wirtschaftsentwicklung kräftig wuchsen, werde von den „Verlierern des Wachstums“ zunehmend in Frage gestellt. Die Zahl der Demonstrationen ist laut Botschafter Dr. Schaefer in China innerhalb von sechs Jahren von 80.000 auf 187.000 gestiegen. Zudem würden soziale Netzwerke als Mittel der Partizipation an Bedeutung gewinnen. Die wichtigsten Streitpunkte seien die Korruption, die Umweltverschmutzung und die illegale Landnahme.
Angesichts der demographischen Entwicklung, durch die in Zukunft oft ein Kind für zwei Eltern und vier Großeltern sorgen müsse, sei China zu einer intensiveren Nutzung knapper Fachkräfte gezwungen. Bereits jetzt litten deutsche Unternehmen in China stärker unter Fachkräftemangel als unter Verletzungen der Rechte des geistigen Eigentums. Dabei umfasse die qualifizierte Mittelschicht nur etwa 200 Millionen Menschen. Auch wenn die Zahl bis 2030 auf 700 Millionen steige, sei die Hälfte der Bevölkerung nicht in der Lage, auf westlichem Niveau zu konsumieren. Diesen Qualifizierungsmangel könne man nur durch Bildungsinvestitionen lindern. Entscheidend sei zudem die Sicherung der Altersversorgung außerhalb des Familienverbunds. Hans Michael Jebsen, Chairman von Jebsen & Co. Ltd. in Hongkong, warf die Frage auf, ob die zukünftigen Geschäftschancen in China eher im Bereich der Luxusgüter oder der Pflegedienste lägen.
Die engere Zusammenarbeit mit Hongkong und Taiwan hat in den vergangenen Jahrzehnten zum Erfolg der chinesischen Wirtschaft beigetragen. Hongkong ist durch das Closer Economic Partnership Agreement (CEPA) und Taiwan durch das Economic Cooperation Framework Agreement (ECFA) für chinesische Unternehmen nähergerückt. Die Wahlen von kooperationswilligen Regierungen in beiden Gebieten dürften die Beziehungen nach Ansicht von Helmut Felix Bolt, Chief Representative von ThyssenKrupp in Taiwan, weiter verbessern. Taiwan sei insbesondere als Investor sowie zunehmend als Reiseziel und Absatzmarkt bedeutend.
Hongkong spielt nach Einschätzung des deutschen Generalkonsuls in Hongkong, Werner Hans Lauk, trotz des Aufstiegs Schanghais weiterhin eine wichtige Rolle als Finanzplatz auch für grenzüberschreitende Investitionen von und nach Deutschland. Hans Michael Jebsen bezeichnete Hongkong und Schanghai als die zwei Triebwerke des chinesischen Reformflugzeugs.
In einer Diskussionsrunde mit Repräsentanten ausländischer Geschäftsbanken in Schanghai und Hongkong sowie dem CFO der Schaeffler Holding (China) Co. Ltd., Francesco Ingarsia, wurde die Pers-pektive eines regionalen Bedeutungsgewinns des Renminbi zwar bestätigt. Über die Liberalisierung im Bereich der Handelsgeschäfte hinaus erwarteten die Panelisten jedoch eine Liberalisierung des Kapitalverkehrs.
Andreas Odrian, Leiter internationale Firmenkundenbetreuung bei der Deutschen Bank Schanghai, stellte die Liberalisierungsschritte für den Renminbi und anschließend den chinesischen Kapitalverkehr noch einmal kurz vor:
- Verwendung des Renminbi zur Fakturierung von Handelsgeschäften (betrifft bereits 10% des chinesischen Außenhandels)
- Verwendung des Renminbi zur Begleichung von Handelsforderungen
- Verwendung des Renminbi für internationale Anlagen
- Verwendung des Renminbi als internationale Reservewährung
Damit verfolge die chinesische Regierung eine Strategie der schrittweisen Beteiligung an internationalen Finanzierungen. Es bestehe bei internationalen Investoren aber noch eine große Skepsis hinsichtlich der für diese Finanzierungen dringend erforderlichen Rechtssicherheit in China. Risiken bei Finanzgeschäften in China bestätigte auch Ingarsia, da es insbesondere bei der operativen Umsetzung der Zahlungen auf lokaler Ebene zu unerwarteten Schwierigkeiten kommen könne.
Die weiteren Reformschritte deuten sich nach Einschätzung von Andreas Odrian bereits an: So würden sowohl die Preisspanne des Wechselkurses zum US-Dollar als auch der Zinssätze erweitert, und für qualifizierte Investoren (QFII) bestünden bereits weitergehende Möglichkeiten des Kapitalverkehrs auf Unterkonten der Kapitalbilanz. Schließlich würden Genehmigungen von der Devisenbehörde SAFE auf das Außenwirtschaftsministerium MOFCOM verlagert und damit erleichtert.
Eberhard Brodhage, General Manager der Commerzbank in Hongkong, wies darauf hin, dass sich der Renminbi für das Cash-management nur begrenzt eigne. Allerdings bildeten chinesische Staatsunternehmen im Zuge ihrer Reexporte über Hongkong dort Renminbi-Guthaben als Kapitalreserven zur Investition in China. Dies erkläre auch einen Großteil des Hongkonger Außenhandelsüberschusses. Der Finanzplatz Hongkong bleibe neben Schanghai auch weiterhin relevant.
Textkasten: BRICS in der Währungsoffensive
Der US-Dollar gerät als internationale Handels- und Reservewährung zunehmend unter Druck. Zunächst diversifizierten die großen Gläubigerstaaten der USA in Asien und dem Nahen Osten ihre Währungsreserven durch den Ankauf von Euro und anderen reservefähigen Währungen. Nun wollen die führenden Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika (kurz: BRICS) den Handel unter-einander zunehmend in den eigenen Währungen abwickeln. Auf ihrem Gipfeltreffen in Neu-Delhi vereinbarten sie Ende März 2012 zudem den Abbau von Handelshemmnissen, um den Handel untereinander in den kommenden drei Jahren auf 375 Mrd EUR zu verdoppeln.
Mit Japan, das ebenfalls hohe US-Dollar-Reserven hält, vereinbarte China bereits Ende 2011 den Ausbaus des Handels mit den jeweiligen Landeswährungen sowie den Kauf von Staatsanleihen. Neben dem Renminbi, der im asiatischen Handel schnell an Bedeutung gewonnen hat, ist auch der russische Rubel in einigen an Russland angrenzenden Ländern verbreitet. Innerhalb der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft soll es eine gemeinsame Währung geben, für die der Rubel in Frage kommt. Auch der südafrikanische Rand ist in der Region südliches Afrika eine verbreitete Währung. Dagegen konnte sich der brasilianische Real im Mercosur noch nicht durchsetzen. Die indische Rupie unterliegt weiterhin strengen Kapitalverkehrskontrollen, die die Verbreitung in den Staaten der Südasiatischen Vereinigung für regionale Zusammenarbeit (SAARC) verhindert.
Kontakt: g.schilling[at]faz-institut.de
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