Mehr als 70 Jahre hielten die beiden staatlichen Unternehmen Petróleos Méxicanos (Pemex) und Comisión Federal de Electricidad (CFE) verfassungsrechtlich garantierte Monopolstellungen in ihren jeweiligen Industrien: Pemex für die Produktion, Weiterverarbeitung und Distribution von Öl, Gas und den meisten Derivaten einschließlich der petrochemischen Basischemie, die CFE (mit einigen Ausnahmen) für die Produktion und Distribution von Elektrizität.

Von Alex Wegenast, Director, KfW IPEX-Bank, Repräsentanz Mexiko,
und Max Wolf, Director, KfW IPEX-Bank, Repräsentanz New York

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Der im Dezember 2012 neu gewählte Präsident Enrique Peña Nieto hat nun mit einer Verfassungsänderung Ende vergangenen Jahres eine umfassende Reform zur Liberalisierung des Energiesektors durchgesetzt. Diese löste im In- und Ausland große ­Hoffnungen aus. Denn als Folge der Reform werden bei Pemex und CFE erhebliche ­Effizienz- und Produktionssteigerungen erwartet. Insbesondere rechnet man mit einen Anstieg der Öl- und Gasproduktion sowie von deren Folgeerzeugnissen, mit niedrigeren Strom- und Benzinpreisen, neuen Arbeitsplätzen und einem Investitionsanstieg nicht nur in der Energiewirtschaft. Ein Wachstum des BIP um zusätzlich 1% p.a. wird prognostiziert. Zudem können auch Unternehmen aus der ganzen Welt durch Kooperationen profitieren. Somit dürfte Mexiko – nach vielen von Korruption und Misswirtschaft bestimmten Jahren – Nutznießer eines Investitionsbooms werden.

Mexikos schwarzes Gold

Mexiko ist aktuell das Land mit den dritthöchsten Ölreserven in Lateinamerika. Doch in den vergangenen Jahrzehnten verfügte Pemex weder über ausreichende Finanzmittel noch über die notwendige Technologie, um die schwer zugänglichen Reserven im Tiefwasserbereich zu er-schließen. Daher fiel die Rohölproduktion von einem Rekordniveau von 3,4 Mio Barrel pro Tag in den 90er Jahren auf derzeit 2,5 Mio Barrel pro Tag. Das Land hofft, durch effiziente Erschließung und neue Funde im Länderranking der Erdölförderung wieder aufzurücken. Neben den erheblichen Ölvorkommen vermutet man in Mexiko zudem auch große Schiefergasreserven vor allem in den Grenzgebieten zu den USA und entlang der Golfküste. Die Liberalisierung des Energiesektors kann tatsächlich dazu beitragen, das schwarze Gold Mexikos und seine noch verborgenen Rohstoffschätze zu heben und dem Land zu einem deutlichen Aufschwung zu verhelfen.

Umfangreiche Investitionen in Öl- und Gaserschließung in Sicht

Um das Überleben von Pemex zu garantieren und dem Unternehmen Zeit für die notwendigen Anpassungen zu geben, wurden Pemex von der Kommission für Öl und Gas (CNH) im Zuge der sogenannten „Runde 0“ die meisten (83%) der „nachgewiesenen“ oder „wahrscheinlichen“ Reserven der bestehenden Ölfelder zugeschlagen. 20,6 Mrd Barrel Öl und 21% der „möglichen“ Reserven wird Pemex somit weiterhin exklusiv nutzen dürfen. Für alle anderen Gebiete wird für das erste Quartal 2015 zunächst die „Runde 1“ angesetzt, bei der sich Pemex alleine oder im Joint Venture gegen private Betreiber um öffentliche Ausschreibungen bewerben muss. 169 Areale (109 für Exploration und 60 für Förderung) sind dafür vorgesehen.

Aus der Runde 1 erwartet die Regierung zwischen 2015 und 2018 ein Investitionsvolumen von ca. 8,5 Mrd USD pro Jahr. Pemex hat außerdem zehn technisch besonders anspruchsvolle Projekte mit einem Investitionsbedarf von etwa 4 Mrd USD pro Jahr ausgewählt, in die das Unternehmen ab November 2014 private Ko-operationspartner einbinden will. Zudem wird das Pipelinenetz mit einem Aufwand von ca. 3,7 Mrd USD um 16.000 km ausgeweitet.

Was ändert sich im Strom- und Gasmarkt?

Durch die geänderte Gesetzeslage können private Unternehmen nun Elektrizität erzeugen und diese zu frei verhandelten Preisen an Dritte verkaufen. Dabei verbleibt der Betrieb des Netzes zunächst unter der Kontrolle der staatlichen CFE. Allerdings sind auch hier künftig Joint Ventures möglich. Mittelfristig beabsichtigt die CFE den Bau von 27 neuen Wärmekraftwerken. Im nationalen Infrastrukturplan 2014 bis 2018 sind fast 50% der Mittel, also ca. 290 Mrd USD, für den Energiesektor vorgesehen. Von dem genannten Investitionsvolumen sollen 208 Mrd USD vom Staat und 81 Mrd USD durch private Investoren aufgebracht werden.

Neue Regeln und Kontrollen

Der anvisierte offene Strommarkt soll in Zukunft von der unabhängigen Comisión Nacional de Control de Energía (CENACE) überwacht werden. Dadurch soll gewährleistet werden, dass die CFE als gleichgestellter Mitbewerber unter den gleichen Regeln operiert. Während die CENACE das Tagesgeschäft betreiben soll, wird die Comisión Reguladora de Energía (CRE) sowohl den Strommarkt als auch die Sektoren Öl und Gas regulieren. Die nationale Kommission für Öl und Gas (CNH) wird gestärkt und bekommt umfassendere Aufgaben bei der Regulierung und Überwachung des Sektors zugeteilt. Alle Öl- und Gasvorkommen bleiben im Besitz des Staates. Die Genehmigungen für die Raffination, den Transport, die Speicherung und Lagerung, den Vertrieb und die Vermarktung von Kohlenwasserstoffen werden von der CNH und dem Energieministerium (SENER) erteilt. Für den Betrieb des nationalen Pipelinenetzwerks und die Speicherung von Gas wird daneben die neu geschaffene Verwaltungsbehörde „CENAGAS“ zuständig sein.

Chancen für deutsche Unternehmen

Die Erschließung der Rohstoffreserven im Tiefwasserbereich wird in den nächsten Jahren Priorität haben. Obwohl in Deutschland keine spezialisierten Unternehmen für „Ultra-deep Water“-Förderung existieren, gibt es doch eine große Anzahl von Zulieferunternehmen, die prominent auf den entsprechenden Spezialplattformen und den Serviceflotten vertreten sind.

Gleichzeitig ist das Monopol von Pemex in der Basischemie gefallen – einem Gebiet, auf dem deutsche Chemieriesen und Anlagenbauer führend sind. Das Potential ist daher erheblich. Der mexikanische Chemieverband ANIQ erwartet eine Verdopplung der Produktion und Investitionen in Höhe von 25 Mrd USD innerhalb von zehn Jahren. Gleichermaßen wird es enorme Geschäftspotentiale für deutsche Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette geben. Sie sind gut beraten, sich Mexikos Wirtschaft genau anzuschauen, um Export- und Investitionschancen frühzeitig für sich nutzen zu können.

Um deutschen Unternehmen den Zugang zum Markt zu erleichtern und sie umfassend und mit ausgewiesenem Branchen-Know-how vor Ort beraten zu können, hat die KfW IPEX-Bank im Herbst 2014 eine Repräsentanz in Mexiko gegründet. Die dortigen Experten stehen interessierten Investoren sowie Exporteuren aus Deutschland und Europa mit Rat und Tat zur Seite. Die lange schon vergessene Goldgräberstimmung aus vergangenen Tagen macht sich breit im Land. Denn Mexikos Wirtschaft verspricht – ausgelöst durch die neue Energiereform – einen Investitionsboom zu erfahren, wie er in der jüngsten Geschichte des Landes noch nicht vorgekommen ist.

Kontakt: alex.wegenast[at]kfw.de ; max.wolf[at]kfw.de

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